Banachraum

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Ein Banachraum (auch Banach-Raum, Banachscher Raum) ist in der Mathematik ein vollständiger normierter Vektorraum. Banachräume gehören zu den zentralen Studienobjekten der Funktionalanalysis. Insbesondere sind viele unendlichdimensionale Funktionenräume Banachräume. Sie sind nach dem Mathematiker Stefan Banach benannt, der sie 1920–1922 gemeinsam mit Hans Hahn und Eduard Helly vorstellte.[1]

Definition

Ein Banachraum ist ein vollständiger normierter Raum

(X,),

das heißt ein Vektorraum X über dem Körper 𝕂 der reellen oder komplexen Zahlen mit einer Norm , in dem jede Cauchy-Folge aus Elementen von X in der von der Norm induzierten Metrik d(x,y)=xy konvergiert.

Erläuterungen

Bei metrischen Räumen ist die Vollständigkeit eine Eigenschaft der Metrik, nicht des topologischen Raums selbst. Geht man zu einer äquivalenten Metrik über (das heißt zu einer Metrik, die dieselbe Topologie erzeugt), dann kann die Vollständigkeit verloren gehen. Für zwei äquivalente Normen auf einem normierten Raum hingegen gilt, dass die eine genau dann vollständig ist, wenn die andere es ist. Im Falle der normierten Räume ist die Vollständigkeit daher eine Eigenschaft der Normtopologie, die nicht von der konkreten Norm abhängt.

Lineare Operatoren

Vorlage:Hauptartikel Die strukturerhaltenden Abbildungen zwischen Banachräumen sind dieselben wie zwischen normierten Räume, das heißt die stetigen, linearen Abbildungen, die man auch Operatoren nennt. In unendlichdimensionalen Räumen sind lineare Abbildungen nicht notwendigerweise stetig. Eine 𝕂-lineare Abbildung T:XY zwischen normierten 𝕂-Vektorräumen ist genau dann stetig, wenn das Supremum sup{Tx:xX mit x1} endlich ist. Dieses Supremum bezeichnet man mit T und heißt Norm von T, es gilt TxTx für alle xX.

Tatsächlich wird B(X,Y), der Vektorraum aller stetigen, linearen Operatoren XY, durch diese Definition zu einem normierten Raum. Ist Y ein Banachraum, so auch B(X,Y).

Ist X ein Banachraum, so ist B(X)=B(X,X) eine Banachalgebra mit dem identischen Operator idX als Einselement; die Multiplikationsoperation ist durch die Komposition linearer Abbildungen gegeben.

Die Isomorphismen unter diesen strukturerhaltenden Abbildungen sind die bijektiven, linearen und in beiden Richtungen stetigen Operatoren, wobei die Stetigkeit der Umkehrabbildung bei Banachräumen automatisch gilt, siehe unten Satz von der offenen Abbildung. Solche Isomorphismen erhalten die Vektorraumstruktur und die Topologie, nicht aber die Norm, man spricht von Banachraumisomorphie. In manchen Situationen möchte man aber auch die Norm erhalten, das heißt man möchte Isomorphismen T:XY betrachten, für die Tx=x für alle xX gilt. Man spricht dann von isometrischer Isomorphie.

Betrachtet man die Kategorie der Banachräume mit den stetigen, linearen Operatoren als Morphismen, so ist die Banachraumisomorphie genau der Isomorphiebegriff in dieser Kategorie. Man erhält eine weitere Kategorie, wenn man als Morphismen nur die stetigen, linearen Operatoren mit Norm 1 zulässt. Der Isomorphiebegriff in dieser Kategorie ist genau die isometrische Isomorphie.

Sätze und Eigenschaften

  • Ist eine lineare Abbildung T:XY zwischen zwei normierten Räumen ein Isomorphismus, dann folgt aus der Vollständigkeit von X die Vollständigkeit von T(X).
  • Jeder endlichdimensionale normierte Raum ist ein Banachraum. Umgekehrt ist ein Banachraum, der eine höchstens abzählbare Hamelbasis besitzt, endlichdimensional. Letzteres ist eine Konsequenz aus der Baireschen Eigenschaft vollständiger metrischer Räume.
  • Ist M ein abgeschlossener Untervektorraum eines Banachraums X, dann ist M wieder ein Banachraum. Auch der Faktorraum X/M mit der Norm x+M=inf\limits mMx+m ist dann ein Banachraum.
  • Der erste Isomorphiesatz für Banachräume: Ist das Bild einer beschränkten linearen Abbildung T zwischen zwei Banachräumen abgeschlossen, dann ist X/ker(T)T(X). Hierbei handelt es sich um den Begriff der topologischen Isomorphie, d. h., es existiert eine bijektive lineare Abbildung L von X/ker(T) nach T(X) sodass sowohl L als auch L1 stetig sind.
  • Die direkte Summe X1Xn normierter Räume ist genau dann ein Banachraum, wenn jeder der Einzelräume Xj ein Banachraum ist.
  • Für jeden separablen Banachraum X existiert ein abgeschlossener Unterraum M von l1, sodass Xl1/M ist.

Dualer Raum

Vorlage:Hauptartikel

Ist X ein normierter Raum und 𝕂 der zugrunde liegende Körper, dann ist 𝕂 selbst ebenfalls ein Banachraum (mit dem Absolutbetrag als Norm), und man kann den topologischen Dualraum (auch stetigen Dualraum) definieren durch X=B(X,𝕂). Er ist in der Regel ein echter Teilraum des algebraischen Dualraums X*.

  • Ist X ein normierter Raum, so ist X ein Banachraum.
  • Sei X ein normierter Raum. Ist X separabel so auch X.

Der topologische Dualraum kann verwendet werden, um eine Topologie auf X zu definieren: die schwache Topologie. Die schwache Topologie ist nicht äquivalent zur Normtopologie auf X, wenn der Raum X unendlichdimensional ist. Aus der Konvergenz einer Folge in der Normtopologie folgt immer die Konvergenz in der schwachen Topologie, umgekehrt im Allgemeinen nicht. In diesem Sinne ist die Konvergenzbedingung, die sich aus der schwachen Topologie ergibt, „schwächer“.

Es gibt eine natürliche Abbildung F von X nach X=(X)=B(X,𝕂) (der Bidualraum), definiert durch: F:XX,F(x)(f)=f(x) für alle xX und fX. Aus dem Satz von Hahn-Banach folgt, dass für jedes x aus X die Abbildung F(x):X𝕂 stetig ist und daher ein Element von X. Die Abbildung F ist stets injektiv und stetig (sogar isometrisch).

Reflexivität

Vorlage:Hauptartikel Falls die natürliche Abbildung F:XX zudem noch surjektiv (und somit ein isometrischer Isomorphismus) ist, so nennt man den normierten Raum X reflexiv. Es gelten folgende Zusammenhänge:

  • Jeder reflexive normierter Raum ist ein Banachraum.
  • Ein Banachraum X ist genau dann reflexiv, wenn X reflexiv ist. Äquivalent zu dieser Aussage ist, dass die Einheitskugel von X in der schwachen Topologie kompakt ist.
  • Ist X ein reflexiver normierter Raum, Y ein Banachraum und existiert ein beschränkter linearer Operator von X nach Y, dann ist Y reflexiv.
  • Ist X ein reflexiver normierter Raum. Dann ist X genau dann separabel, wenn X separabel ist.
  • Satz von James Für einen Banachraum X sind äquivalent:
    • X ist reflexiv.
    • fX xX mit x1, so dass f(x)=f.

Tensorprodukt

Vorlage:Hauptartikel

Universelle Eigenschaft des Tensorprodukts

Seien X und Y zwei 𝕂-Vektorräume. Das Tensorprodukt XY von X und Y ist ein 𝕂-Vektorraum Z, versehen mit einer bilinearen Abbildung T:X×YZ, die die folgende universelle Eigenschaft besitzt: Ist T:X×YZ eine beliebige bilineare Abbildung in einen 𝕂-Vektorraum Z, so existiert genau eine lineare Abbildung f:ZZ mit T=fT.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, eine Norm auf dem Tensorprodukt der zugrunde liegenden Vektorräume zu definieren, unter anderem das projektive Tensorprodukt und das injektive Tensorprodukt. Das Tensorprodukt vollständiger Räume ist im Allgemeinen nicht wieder vollständig. Daher versteht man in der Theorie der Banachräume unter einem Tensorprodukt häufig dessen Vervollständigung, welche natürlich von der Wahl der Norm abhängt.

Beispiele

Im Folgenden ist 𝕂 der Körper oder , X ein kompakter Hausdorffraum und I=[a,b] ein abgeschlossenes Intervall. p und q sind reelle Zahlen mit 1<p,q< und 1q+1p=1. Weiter ist Σ eine σ-Algebra, Ξ eine Mengenalgebra und μ ein Maß.

Name des
Banachraums
Dualraum reflexiv schwach
vollständig
Norm Name
𝕂n 𝕂n ja ja x2=(i=1n|xi|2)1/2 Euklidischer Raum
np nq ja ja xp=(i=1n|xi|p)1/p Raum der endlichdimensionalen Vektoren mit der p-Norm
n n1 ja ja x=max1in|xi| Raum der endlichdimensionalen Vektoren mit der Maximumsnorm
p q ja ja xp=(i=1|xi|p)1/p Raum der in p-ter Potenz betragsweise summierbaren Folgen
1 nein ja x1=i=1|xi| Raum der betragsweise summierbaren Folgen
ba(2) nein nein x=supi|xi| Raum der beschränkten Folgen
c 1 nein nein x=supi|xi| Raum der konvergenten Folgen
c0 1 nein nein x=supi|xi| Raum der Nullfolgen; isomorph aber nicht isometrisch zu c
bv 1+𝕂 nein ja xbv=|x1|+i=1|xi+1xi| Raum der Folgen beschränkter Variation
bv0 1 nein ja xbv0=i=1|xi+1xi| Raum der Nullfolgen beschränkter Variation
bs ba(2) nein nein xbs=supn|i=1nxi| Raum der beschränkten Summen; isometrisch isomorph zu
cs 1 nein nein xbs=supn|i=1nxi| Raum der konvergenten Summen; abgeschlossener Unterraum von bs; isometrisch isomorph zu c
B(X,Ξ) ba(Ξ) nein nein f=supxX|f(x)| Raum der beschränkten Ξ-messbaren Funktionen auf X
C(X) rca(Σ) nein nein f=supxX|f(x)| Raum der stetigen Funktionen auf X mit der borelschen σ-Algebra
ba(Ξ) ? nein ja μba=supAΞ|μ|(A) Raum der beschränkten endlich-additiven, signierten Maße auf Ξ
ca(Σ) ? nein ja μba=supAΣ|μ|(A) Raum der σ-additiven Maße; abgeschlossener Unterraum von ba(Σ)
rca(Σ) ? nein ja μba=supAΣ|μ|(A) Raum der regulären Borel-Maße; abgeschlossener Unterraum von ca(Σ)
Lp(μ) Lq(μ) ja ja fLp=(|f|pdμ)1/p Raum der in p-ter Potenz Lebesgue-integrierbaren Funktionen
BV(I) ? nein ja fBV=limxa+f(x)+Vf(I) Raum der Funktionen beschränkter totaler Variation
NBV(I) ? nein ja fBV=Vf(I) Raum der Funktionen beschränkter totaler Variation, deren Grenzwert bei a verschwindet
AC(I) 𝕂+L(I) nein ja fBV=limxa+f(x)+Vf(I) Raum der absolutstetigen Funktionen; isomorph zum Sobolev-Raum W1,1(I)
Cn(I) rca(I) nein nein fCn=i=0nsupxI|f(i)(x)| Raum der glatten Funktionen; isomorph zu nC(I)

Einordnung in die Hierarchie mathematischer Strukturen

Datei:Abstrakte Räume qtl1.svg
Überblick über abstrakte Räume der Mathematik. Ein Pfeil ist als Implikation zu verstehen, d. h., der Raum am Pfeilanfang ist auch ein Raum am Pfeilende.

Jeder Hilbertraum ist ein Banachraum, aber nicht umgekehrt. Nach dem Satz von Jordan-von Neumann lässt sich auf einem Banachraum genau dann ein zur Norm verträgliches Skalarprodukt definieren, wenn in ihm die Parallelogrammgleichung gilt.

Einige wichtige Räume in der Funktionalanalysis, zum Beispiel der Raum aller unendlich oft differenzierbaren Funktionen oder der Raum aller Distributionen auf , sind zwar vollständig, aber keine normierten Vektorräume und daher keine Banachräume. In Fréchet-Räumen hat man noch eine vollständige Metrik, während LF-Räume vollständige uniforme Vektorräume sind, die als Grenzfälle von Fréchet-Räumen auftauchen. Es handelt sich hierbei um spezielle Klassen lokalkonvexer Räume bzw. topologischer Vektorräume.

Jeder normierte Raum lässt sich bis auf isometrische Isomorphie eindeutig vervollständigen, das heißt als dichten Unterraum in einen Banachraum einbetten.

Fréchet-Ableitung

Vorlage:Hauptartikel Es ist möglich, die Ableitung einer Funktion f:VW zwischen zwei Banachräumen zu definieren. Intuitiv sieht man, dass, falls x ein Element von V ist, die Ableitung von f im Punkt x eine stetige lineare Abbildung ist, die f nahe x in der Ordnung des Abstandes |h| approximiert.

Man nennt f (Fréchet)-differenzierbar in x, falls eine stetige lineare Abbildung A:VW existiert, so dass

limh0f(x+h)f(x)A(h)h=0

gilt. Der Grenzwert wird hier über alle Folgen mit nicht-Null-Element aus V gebildet, die gegen 0 konvergieren. Falls der Grenzwert existiert, schreibt man Df(x)=A und nennt es die (Fréchet)-Ableitung von f in x. Weitere Verallgemeinerungen der Ableitung ergeben sich analog zur Analysis auf endlichdimensionalen Räumen. Gemeinsam für alle Ableitungsbegriffe ist aber die Frage nach der Stetigkeit der linearen Abbildung Df(x)

Dieser Begriff der Ableitung ist eine Verallgemeinerung der gewöhnlichen Ableitung von Funktionen , da die linearen Abbildungen von auf einfach Multiplikationen mit reellen Zahlen sind.

Falls f differenzierbar ist in jedem Punkt x aus V, dann ist Df:VL(V,W) eine weitere Abbildung zwischen Banachräumen (im Allgemeinen keine lineare Abbildung!) und kann möglicherweise erneut differenziert werden, wodurch die höheren Ableitungen von f definiert werden. Die n-te Ableitung im Punkt x kann somit als multilineare Abbildung VnW gesehen werden.

Differentiation ist eine lineare Operation im folgenden Sinne: Sind f und g zwei Abbildungen VW, die in x differenzierbar sind, und sind r und s Skalare aus 𝕂, dann ist rf+sg differenzierbar in x und es gilt

D(rf+sg)(x)=rD(f)(x)+sD(g)(x).

Die Kettenregel ist in diesem Zusammenhang ebenfalls gültig. Wenn f:VW eine in xV und g:WX eine in f(x) differenzierbare Funktion ist, dann ist die Komposition gf in x differenzierbar und die Ableitung ist die Komposition der Ableitungen

D(gf)(x)=D(g)(f(x))D(f)(x).

Auch Richtungsableitungen können auf unendlichdimensionale Vektorräume erweitert werden, an dieser Stelle sei auf das Gâteaux-Differential verwiesen.

Integration Banachraum-wertiger Funktionen

Unter bestimmten Bedingungen ist es möglich Banachraum-wertige Funktionen zu integrieren. Im zwanzigsten Jahrhundert wurden viele verschiedene Zugänge zu einer Integrationstheorie von Banachraum-wertigen Funktionen vorgestellt. Beispiele sind das Bochner-Integral, das Birkhoff-Integral und das Pettis-Integral. In endlichdimensionalen Banachräumen führen diese drei verschiedenen Zugänge zur Integration letztendlich zum selben Integral. Für unendlichdimensionale Banachräume ist dies jedoch im Allgemeinen nicht mehr der Fall. Ferner kann man von gewöhnlichen Maßen zu vektoriellen Maßen, die ihre Werte in Banachräumen annehmen, übergehen und ein Integral bezüglich solcher Maße definieren.

Banach-Räume können mittels der Bochner-Lebesgue-Norm nach Typ und Kotyp klassifiziert werden.

Literatur

Lehrbücher

Monographien

Skripte

Klassische Werke

Einzelnachweise