Einheitskugel

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Einheitskugel (rot) und -sphäre (blau) für die euklidische Norm in zwei Dimensionen

Unter der Einheitskugel versteht man in der Mathematik die Kugel mit Radius eins um den Nullpunkt eines normierten Vektorraums. Dabei wird ein verallgemeinerter Begriff des Abstands zugrunde gelegt, so dass je nach Zusammenhang die Einheitskugel keine Ähnlichkeit mehr mit einer herkömmlichen Kugel haben muss. Diese Einheitssphäre ist der Rand der Einheitskugel, im zweidimensionalen reellen Vektorraum mit der euklidischen Norm ist dies der Einheitskreis.

Allgemeine Definition

Es sei (X,) ein normierter Vektorraum. Dann nennt man die Menge der Punkte, deren Abstand vom Nullpunkt kleiner als eins ist, die offene Einheitskugel in X:

BX:={xX:x<1}.

Entsprechend bezeichnet

BX:={xX:x1}

die abgeschlossene Einheitskugel in X sowie

BX:={xX:x=1}

die Einheitssphäre in X.

Mittels Translation und Skalierung lassen sich in einem Raum beliebige Kugeln in die Einheitskugel überführen. Deshalb reicht es oft aus, bestimmte Aussagen nur für die Einheitskugel nachzuweisen, um die Gültigkeit für beliebige Kugeln zu folgern.

Einheitskugel in endlichdimensionalen Räumen

Einheitssphären im 2

Im Falle des euklidischen Raumes n definiert man die abgeschlossene Einheitskugel bezüglich der euklidischen Norm x2=x12+x22++xn2 mittels Bn:={xn:x21}.

Einheitskugeln können alternativ im n bezüglich anderer Normen definiert werden, beispielsweise der Summennorm (1-Norm) x1=|x1|+|x2|++|xn| oder der Maximumsnorm x=max{|x1|,|x2|,,|xn|}. Die geometrische Gestalt der Einheitskugel hängt von der gewählten Norm ab und ist nur mit der euklidischen Norm tatsächlich kugelförmig.

Volumen und Oberfläche

Das Volumen einer n-dimensionalen, euklidischen Einheitskugel (üblich als Ball Bn bezeichnet) beträgt

Vn=2πn/2nΓ(n2)=πn/2Γ(n2+1)

Hierbei ist Γ die Gammafunktion, eine analytische Fortsetzung der (verschobenen) Fakultät auf die reellen Zahlen. Für gerades n vereinfacht sich die Formel zu Vn=πn/2(n/2)!.

Die Oberfläche eines Bn (üblich als Sphäre Sn1 bezeichnet) beträgt

An=nVn=nπn/2Γ(1+n/2)=2πn/2Γ(n/2)

Es gelten folgende Rekursionen:

Vn=2πnVn2 für n>1.
An=2πn2An2 für n>2.

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass das Volumen der Einheitskugel in Abhängigkeit von der Raumdimension n bis n=5 zunächst zunimmt, um dann wieder abzufallen – und sogar für n gegen 0 zu gehen. Die Oberfläche nimmt von der Raumdimension n bis n=7 zunächst zu, und geht für n gegen 0.

Volumen und Oberfläche der Einheitskugel
Dimension Volumen Oberfläche
0 1 1 0 0
1 2 2 2 2
2 π 3,141 2π 6,283
3 43π 4,189 4π 12,57
4 12π2 4,935 2π2 19,74
5 815π2 5,264 83π2 26,32
6 16π3 5,168 π3 31,01
7 16105π3 4,725 1615π3 33,07
8 124π4 4,059 13π4 32,47
9 32945π4 3,299 32105π4 29,69
10 1120π5 2,550 112π5 25,50
12 1720π6 1,335 160π6 16,02
20 13628800π10 0,0258 1181440π10 0,516
25 81927905853580625π12 0,000958 8192316234143225π12 0,0239

Die Einheitskugel bezüglich der Summennorm ist geometrisch ein Kreuzpolytop, ihr Volumen beträgt 2nn!.

Die Einheitskugel bezüglich der Maximumsnorm ist ein Hyperwürfel mit Kantenlänge 2, hat also das Volumen 2n.

Bemerkungen

  • Die Einheitssphäre bildet den Rand der Einheitskugel. Entsprechend ist im zweidimensionalen die Einheitskugel nicht der Kreis, sondern die Kreisscheibe.
  • Allgemeiner kann eine Einheitskugel in jedem metrischen Raum definiert werden. Zu beachten ist, dass dort nicht von vornherein ein Punkt als Nullpunkt ausgezeichnet sein muss und man deswegen nur bedingt von der Einheitskugel eines metrischen Raumes sprechen kann. Weiterhin sind gerade bei Metriken, die nicht norminduziert sind, die Einheitskugeln noch weiter von der Anschauung entfernt. Speziell gilt in einem Vektorraum X mit der diskreten Metrik: BX={0}, BX=X und BX=X{0}.
  • Bei der Betrachtung von Umgebungen wird die Einheitskugel auch als 1-Kugel oder 1-Ball bezeichnet.

Eigenschaften

Anwendungen in den Naturwissenschaften

In vielfältiger Art wird die Einheitskugel in den Geowissenschaften angewandt, insbesondere für Berechnungen auf der Erdkugel. Sie erfolgen mit sogenannten Kugeldreiecken und den Formeln der Sphärischen Trigonometrie, wenn eine Genauigkeit von etwa 0,1 % genügt, zum Beispiel bei der Geografie und Kartografie, Globenberechnungen und Navigation. Die wahren Distanzen erhält man aus den Kugelbögen durch Multiplikation mit dem Erdradius.

Für höhere Genauigkeit – vor allem in der Geodäsie – ist statt der Erdkugel das Erdellipsoid zu verwenden. Mit der Methode der Verebnung sind aber Dreiecksberechnungen auch sphärisch möglich.

Geologen verwenden für Richtungsanalysen von Gesteinsschichten oder Klüften eine Einheitskugel, die sie Lagenkugel nennen. In sie werden die Normalenvektoren der jeweiligen Ebenen eingetragen und danach in flächentreuer Azimutalprojektion dargestellt.

Auch astronomische Berechnungen werden seit jeher auf der Einheitskugel um den Beobachter durchgeführt. Sie entspricht dem freiäugigen Anblick des Himmelsgewölbes und wird Himmelskugel genannt, auf der die sphärische Astronomie eigene Koordinatensysteme für Winkelmessungen und Sternörter definiert hat. Ob der Kugelradius mit 1 oder mit ∞ angenommen wird, ist dabei ohne Belang.

Literatur

  • Dirk Werner: Funktionalanalysis. 6., korrigierte Auflage. Springer-Verlag, Berlin 2007, ISBN 978-3-540-72533-6.
  • Ivan I. Mueller: Spherical Astronomy as applied to Geodesy. Frederic Ungar Publ., New York 1969.

es:1-esfera