Klassifizierender Raum

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In der Mathematik werden mit Hilfe des klassifizierenden Raumes und des universellen Bündels einer topologischen Gruppe G die Prinzipalbündel mit G als Strukturgruppe klassifiziert. Der klassifizierende Raum und das universelle Bündel sind durch eine universelle Eigenschaft charakterisiert, eine explizite Konstruktion geht auf John Milnor zurück. Bündel und ihre Klassifikation spielen eine wichtige Rolle in Mathematik und Theoretischer Physik.

Universelles Bündel

Ein G-Hauptfaserbündel ξ:EGBG heißt universelles Bündel, wenn man alle (numerierbaren) G-Prinzipalbündel durch Zurückziehen des universellen Bündels gewinnen kann; formal: wenn es die folgende universelle Eigenschaft für numerierbare G-Prinzipalbündel[1] hat:

  • Für jedes numerierbare G-Prinzipalbündel π:EX gibt es eine stetige Abbildung f:XBG so dass die Bündel f*ξ und π isomorph sind.
  • Für zwei Abbildungen f,g:XBG sind die Bündel f*ξ,g*ξ genau dann isomorph, wenn f,g homotop sind.

Man hat also eine Bijektion

{G-Prinzipalbündel über X}=[X,BG],

wobei [X,BG] die Homotopieklassen von Abbildungen XBG bezeichnet.

Die Basis eines universellen G-Bündels heißt klassifizierender Raum BG der topologischen Gruppe G. Mittels allgemeinen Unsinns kann man leicht zeigen, dass BG (wenn ein universelles Bündel existiert) bis auf Homotopieäquivalenz eindeutig bestimmt ist. Die folgende, auf Milnor zurückgehende Konstruktion beweist auch die Existenz des klassifizierenden Raumes.

Milnor-Konstruktion

Der unendliche Verbund EG=G*G**G* abzählbar vieler Kopien der topologischen Gruppe G wird als Milnor-Raum bezeichnet. Die Elemente sind von der Form itigi mit giG,ti[0,1],iti=1 und nur endlich viele ti=0. (Man beachte 0gi=0gi auch für gi=gi.)

Die Gruppe G wirkt auf dem Milnor-Raum EG durch (itigi)g=iti(gig). Der Quotient BG:=EG/G ist der klassifizierende Raum der Gruppe G, das Prinzipalbündel

ξ:EGBG

ist das universelle Bündel.

Für verschiedene Lie-Gruppen, zum Beispiel O(n) und U(n) gibt es einfachere Realisierungen des klassifizierenden Raumes durch Graßmann-Mannigfaltigkeiten, siehe unten.

Allgemein gibt jede freie Wirkung von G auf einem zusammenziehbaren Raum E einen Quotienten B=E/G, der ein klassifizierender Raum BG (und damit insbesondere zu obiger Konstruktion homotopieäquivalent) ist. Die Quotientenabbildung EB ist dann ein universelles G-Prinzipalbündel.

Topologie des klassifizierenden Raumes

EG ist zusammenziehbar. Für die Homotopiegruppen von BG gilt

πi(BG)=πi1(G).

Insbesondere gilt für mit der diskreten Topologie versehene Gruppen Γ:

π1(BΓ)=Γ
πi(BΓ)=0 für i=1.

Der klassifizierende Raum einer diskreten Gruppe ist also ein Eilenberg-MacLane-Raum.

Wenn KG eine Homotopieäquivalenz ist, dann ist auch BKBG eine Homotopieäquivalenz. Insbesondere ist BO(n) homotopieäquivalent zu BGL(n,).

Beispiele klassifizierender Räume

Die folgende Liste gibt Beispiele klassifizierender Räume BG mit zugehörigem Totalraum (des universellen Bündels) EG. Man beachte, dass für topologische Gruppen i.a. BG nicht mit BGδ (dem klassifizierenden Raum für dieselbe Gruppe mit der diskreten Topologie) übereinstimmt.

  • Bn=Ln mit Totalraum S (Insbesondere B2=P)
  • B=S1 mit Totalraum
  • BS1=P mit Totalraum S
  • B(F2)=S1S1 mit Totalraum 𝒯 (unendlicher Baum vom Grad 4)
  • BO(n)=BGLn()=Grn() mit Totalraum Vn()
  • B={pt.} mit Totalraum
  • Ba1,b1,,ag,bg|i=1g[ai,bi]=Sg mit Totalraum (hyperbolische Ebene)
  • B(G1×G2)=BG1×BG2

Vektorbündel

Zu einem reellen Vektorbündel vom Rang r hat man das Rahmenbündel als GL(r,)-Bündel über derselben Basis. Insbesondere ist BGL(r,), und wegen der Homotopieäquivalenz BO(r)BGL(r,) auch BO(r), ein klassifizierender Raum für reelle Vektorbündel vom Rang r. Entsprechend ist BU(r)BGL(r,) ein klassifizierender Raum für komplexe Vektorbündel vom Rang r.

Die Graßmann-Mannigfaltigkeiten Gr𝕂(r,) für 𝕂= bzw. 𝕂= sind explizite Realisierungen der klassifizierenden Räume BO(r) bzw. BU(r).

Analog können orientierte Vektorbündel vom Rang r durch das universelle Bündel über BSO(r)=Gr+(r,), der Graßmann-Mannigfaltigkeit der orientierten Untervektorräume klassifiziert werden.

Charakteristische Klassen

Kohomologieklassen eines klassifizierenden Raumes dienen zur Definition charakteristischer Klassen.

Zum Beispiel erhält man charakteristische Klassen orientierter Vektorbündel vom Rang n aus der Kohomologie von BSO(n). Für einen Körper F mit char(F)=2 gilt

H*(BSO(2n),F)=F[e,p1,,pn]/(e2pn)
H*(BSO(2n+1),F)=F[p1,,pn],

wobei e die Euler-Klasse und pi die Pontrjagin-Klassen bezeichnet. Für char(F)=2 ist

H*(BSO(n),F)=F[w2,,wn],

wobei wi die Stiefel-Whitney-Klassen bezeichnet.

Siehe auch

Literatur

  • John Milnor: Construction of universal bundles. Teil I In: Ann. of Math. (2) 63 (1956), S. 272–284. pdf; Teil II In: Ann. of Math. (2) 63 (1956), S. 430–436. pdf
  • Dale Husemoller: Fibre bundles. McGraw-Hill Book Co., New York / London / Sydney 1966, Vorlage:OCLC.
  • Tammo tom Dieck: Topologie. (= de Gruyter Lehrbuch). Walter de Gruyter, Berlin 1991, ISBN 3-11-012463-7.

Einzelnachweise

  1. Eine offene Überdeckung (Ui)iI eines topologischen Raumes heißt numerierbar, wenn es eine lokal endliche Zerlegung der Eins 1=ΣiIui mit supp(ui)Ui gibt. Ein Prinzipalbündel heißt numerierbar, wenn es eine numerable Überdeckung gibt, so dass die Einschränkungen des Bündels auf die Ui trivialisierbar sind. Vgl. Husemoller, op.cit., Section I.4.9.

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