Homotopiegruppe

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In der Mathematik, genauer in der algebraischen Topologie, sind die Homotopiegruppen ein Werkzeug, um topologische Räume zu klassifizieren. Die stetigen Abbildungen einer n-dimensionalen Sphäre in einen gegebenen Raum werden zu Äquivalenzklassen, den sogenannten Homotopieklassen, zusammengefasst. Dabei heißen zwei Abbildungen homotop, wenn sie stetig ineinander überführt werden können. Diese Homotopieklassen bilden eine Gruppe, die n-te Homotopiegruppe des Raumes genannt wird.

Anschaulich kann die Homotopiegruppe πn(X,x0) als Maß dafür verstanden werden, auf wie viele wesentlich unterschiedliche Arten die Sn in den Raum X abgebildet werden kann.[1]

Die erste Homotopiegruppe heißt auch Fundamentalgruppe.

Homotopieäquivalente topologische Räume haben isomorphe Homotopiegruppen. Haben zwei Räume verschiedene Homotopiegruppen, so können sie nicht homotopieäquivalent sein, somit auch nicht homöomorph. Für CW-Komplexe gilt nach einem Satz von Whitehead auch eine partielle Umkehrung.

Definition

In der Sphäre Sn wählen wir einen Punkt a, den wir Basispunkt nennen. Sei X ein topologischer Raum und bX ein Basispunkt. Wir definieren πn(X,b) als die Menge der Homotopieklassen stetiger Abbildungen f:(Sn,a)(X,b) (d. h. es ist f(a)=b). Genauer gesagt, werden die Äquivalenzklassen durch Homotopien definiert, die den Basispunkt festhalten.[2] Äquivalent könnten wir πn(X,b) als die Menge der Homotopieklassen relativ zu In der stetigen Abbildungen g:(In,In)(X,b) definieren, d. h. derjenigen stetigen Abbildungen vom n-dimensionalen Einheitswürfel nach X, die den Rand des Würfels in den Punkt b abbilden. Dies ist auf In/InSn zurückzuführen.

Für n1 kann man die Menge der Homotopieklassen mit einer Gruppenstruktur versehen. Die Konstruktion der Gruppenstruktur von πn(X,b) ähnelt der im Falle n=1, also der Fundamentalgruppe. Die Idee der Konstruktion der Gruppenoperation in der Fundamentalgruppe ist das Hintereinanderdurchlaufen von Wegen, in der allgemeineren n-ten Homotopiegruppe gehen wir ähnlich vor, nur, dass wir nun n-Würfel entlang einer Seite zusammenkleben, d. h. wir definieren die Summe zweier Abbildungen f,g:(In,In)(X,b) durch

(f*g)(t)={f(t1,,tn1,2tn)tn12g(t1,,tn1,2tn1)tn12

In der Darstellung durch Sphären ist die Summe zweier Homotopieklassen die Homotopieklasse derjenigen Abbildung, die man erhält, wenn man die Sphäre zunächst am Äquator entlang zusammenzieht und dann auf der oberen Sphäre f, auf der unteren g anwendet. Genauer: f+g ist die Komposition der 'Äquatorzusammenzurrung' SnSnSn (Einpunktvereinigung) und der Abbildung fg:SnSnX.

Ist n2, so ist πn(X,b) eine abelsche Gruppe. Zum Beweis dieser Tatsache beachte man, dass zwei Homotopien ab Dimension zwei umeinander „gedreht“ werden können. Für n=1 ist das nicht möglich, da der Rand von I1 nicht wegzusammenhängend ist.

Beispiele

Homotopiegruppen von Sphären

Für 0<k<n gilt πk(Sn)=0, für k=n folgt aus dem Satz von Hopf, dass

πn(Sn)=

ist. Jean-Pierre Serre hat bewiesen, dass πk(Sn) für k=n,2n1 eine endliche Gruppe sein muss.

Eilenberg-MacLane-Räume

Topologische Räume X, die πk(X)=0 für alle k=0,n erfüllen, heißen Eilenberg-MacLane-Räume K(π,n) mit π:=πn(X).

Beispiele von K(π,1)-Räumen sind geschlossene, orientierbare Flächen mit Ausnahme der S2, geschlossene, orientierbare, prime 3-Mannigfaltigkeiten mit Ausnahme der S2×S1 und alle CAT(0)-Räume, darunter lokal-symmetrische Räume von nichtkompaktem Typ, insbesondere hyperbolische Mannigfaltigkeiten.

Die lange exakte Sequenz einer Faserung

Ist p:(E,e0)(B,b0) eine Serre-Faserung mit Faser F, das heißt eine stetige Abbildung, die die Homotopiehochhebungseigenschaft für CW-Komplexe besitzt, so existiert eine lange exakte Sequenz von Homotopiegruppen

πn(F)πn(E)πn(B)πn1(F)π0(E)π0(B)0

Die π0 betreffenden Abbildungen sind hier keine Gruppenhomomorphismen, da π0 nicht gruppenwertig ist, sie sind aber exakt in dem Sinne, dass das Bild dem Kern (die Komponente des Basispunktes ist das ausgezeichnete Element) gleicht.

Beispiel: Die Hopf-Faserung

Die Basis B ist hier S2 und der Totalraum E ist S3. Sei p:S3S2 die Hopfabbildung, die die Faser S1 hat. Aus der langen exakten Sequenz

πn(S1)πn(S3)πn(S2)πn1(S1)

und der Tatsache, dass πn(S1)=0 für n2, folgt, dass πn(S2)=πn(S3) für n3 gilt. Insbesondere ist π3(S2)=.

n-Äquivalenzen und schwache Äquivalenzen. Der Satz von Whitehead

Eine stetige Abbildung f:XY heißt n-Äquivalenz, wenn die induzierte Abbildung πk(X)πk(Y) für k<n ein Isomorphismus und für k=n eine Surjektion ist. Ist die Abbildung für alle k ein Isomorphismus, so nennt man die Abbildung eine schwache Äquivalenz.[3]

Ein Satz von J. H. C. Whitehead besagt, dass eine schwache Äquivalenz zwischen zusammenhängenden CW-Komplexen bereits eine Homotopieäquivalenz ist. Falls X und Y Dimension kleiner als n haben, so genügt bereits, dass f eine n-Äquivalenz ist.[4]

Homotopie und Homologie. Der Satz von Hurewicz

Für punktierte Räume X gibt es kanonische Homomorphismen von den Homotopiegruppen in die reduzierten Homologiegruppen

hn:πn(X)H~n(X,),

die Hurewicz-Homomorphismen (nach Witold Hurewicz) genannt werden. Ein Satz von Hurewicz besagt: Ist X ein (n1)-zusammenhängender Raum, d. h. gilt πk(X)=0 für k<n, dann ist der Hurewicz-Homomorphismus hn im Fall n=1 die Abelisierung und für n>1 ein Isomorphismus.[5]

Relative Homotopiegruppen

Man kann auch relative Homotopiegruppen πn(X,A,a) für Raumpaare (X,A) definieren, ihre Elemente sind Homotopieklassen von Abbildungen (Bn,Sn1,b)(X,A,a), zwei solche Abbildungen f und g heißen dabei homotop, wenn es eine Homotopie F:(Bn×I,Sn1×I,b×I)(X,A,a) gibt. Man erhält die absoluten Homotopiegruppen im Spezialfall A={a}.

Für jedes Raumpaar gibt es eine lange exakte Sequenz

πn+1(X,A)πn(A)πn(X)πn(X,A)π0(X)

Literatur

  • J. P. May, A Concise Course in Algebraic Topology. University of Chicago Press, Chicago 1999, ISBN 0-226-51183-9.

Quellen

  1. Vorlage:Literatur
  2. Es ist wichtig, hier nur Homotopien zuzulassen, die den Basispunkt festlassen. Die Menge [Sn,X] der freien Homotopieklassen hat keine natürliche Gruppenstruktur und sie ist im Allgemeinen nicht in Bijektion zu πn(X,b). Man hat eine surjektive Abbildung πn(X,b)[Sn,X], unter der zwei Elemente genau dann derselben freien Homotopieklasse entsprechen, wenn sie im selben Orbit der Wirkung von π1(X,b) auf πn(X,b) liegen.
  3. J. P. May, A Concise Course in Algebraic Topology. University of Chicago Press, Chicago 1999, ISBN 0-226-51183-9, Abschnitt 9.6
  4. J. P. May, A Concise Course in Algebraic Topology. University of Chicago Press, Chicago 1999, ISBN 0-226-51183-9, Abschnitt 10.3
  5. J. P. May, A Concise Course in Algebraic Topology. University of Chicago Press, Chicago 1999, ISBN 0-226-51183-9, Abschnitt 15.1