Stetiger Funktionalkalkül

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In der Mathematik, insbesondere in der Operatortheorie und der Theorie der C*-Algebren, ermöglicht der stetige Funktionalkalkül die Anwendung einer stetigen Funktion auf normale Elemente einer C*-Algebra.

In der fortgeschrittenen Theorie sind die Anwendungen dieses Funktionalkalküls so selbstverständlich, dass sie oft nicht einmal erwähnt werden. Man kann ohne Übertreibung sagen, dass der stetige Funktionalkalkül, den Unterschied zwischen C*-Algebren und allgemeinen Banachalgebren, in denen man lediglich einen holomorphen Funktionalkalkül hat, ausmacht.

Motivation

Will man den natürlichen Funktionalkalkül für Polynome auf dem Spektrum σ(a) eines Elements a einer Banachalgebra 𝒜 zu einem Funktionalkalkül für stetige Funktionen C(σ(a)) auf dem Spektrum erweitern, so liegt es nahe, eine stetige Funktion gemäß dem Satz von Stone-Weierstraß durch Polynome zu approximieren, das Element in diese Polynome einzusetzen und zu zeigen, dass diese Folge von Elementen in 𝒜 konvergiert. Die stetigen Funktionen auf σ(a) werden von Polynomen in z und z approximiert, das heißt von Polynomen der Form Vorlage:Nowrap Dabei bezeichnet z die komplexe Konjugation, welche eine Involution auf den komplexen Zahlen ist. Damit man nun a an Stelle von z in ein solches Polynom einsetzen kann, betrachtet man Banach-*-Algebren, also Banachalgebren, die ebenfalls eine Involution * haben, und setzt a* an die Stelle von Vorlage:Nowrap Um einen Homomorphismus [z,z]𝒜 zu erhalten, muss man sich auf normale Elemente einschränken, also Elemente mit a*a=aa*, da der Polynomring [z,z] kommutativ ist. Ist nun (pn(z,z))n eine Folge von Polynomen, die auf σ(a) gleichmäßig gegen eine stetige Funktion f konvergiert, so ist noch die Konvergenz der Folge (pn(a,a*))n in 𝒜 gegen ein Element f(a) sicherzustellen. Eine eingehende Analyse dieses Konvergenzproblems zeigt, dass man sich auf C*-Algebren zurückziehen muss. Diese Überlegungen führen zum sogenannten stetigen Funktionalkalkül.

Der stetige Funktionalkalkül

Satz (Stetiger Funktionalkalkül).
Sei a ein normales Element der C*-Algebra 𝒜 mit Einselement e und sei C(σ(a)) die kommutative C*-Algebra der stetigen Funktionen auf σ(a), dem Spektrum von Vorlage:Nowrap Dann gibt es genau einen *-Homomorphismus Φa:C(σ(a))𝒜 mit Φa(1)=e für 1(z)=1 und Φa(Idσ(a))=a für die Identität.

Die Abbildung Φa heißt der stetige Funktionalkalkül zum normalen Element Vorlage:Nowrap Üblicherweise setzt man suggestiv Vorlage:Nowrap

Durch die *-Homomorphie-Eigenschaft gelten für alle Funktionen f,gC(σ(a)) und Skalare λ,μ die folgenden Rechenregeln:

  • (λf+μg)(a)=λf(a)+μg(a)
(linear)
  • (fg)(a)=f(a)g(a)
(multiplikativ)
  • f(a)=:(f*)(a)=(f(a))*
(involutiv)

Man kann sich also vorstellen, die normalen Elemente tatsächlich in stetige Funktionen einzusetzen; die naheliegenden algebraischen Operationen verhalten sich wie erwartet.

Die Forderung nach einem Einselement ist keine wesentliche Einschränkung. Man kann nötigenfalls ein Einselement adjungieren und in der so vergrößerten C*-Algebra 𝒜1 arbeiten. Ist dann a𝒜 und fC(σ(a)) mit f(0)=0, so gilt 0σ(a) und Vorlage:Nowrap

Die Existenz und die Eindeutigkeit des stetigen Funktionalkalküls beweist man getrennt:

  • Existenz: Da das Spektrum von a in der von a und e erzeugten C*-Unteralgebra C*(a,e) dasselbe ist, wie in 𝒜 genügt es die Aussage für 𝒜=C*(a,e) zu zeigen. Die eigentliche Konstruktion des stetigen Funktionalkalküls erfolgt anschließend unter Verwendung der Inversen Gelfand-Transformation.
  • Eindeutigkeit: Da Φa(1) und Φa(Idσ(a)) festgelegt sind, ist Φa bereits für alle Polynome p(z,z)=k,l=0Nck,lzkzl(ck,l) eindeutig festgelegt, da Φa ein *-Homomorphismus ist. Diese bilden nach dem Satz von Stone-Weierstraß eine dichte Unteralgebra von Vorlage:Nowrap Damit ist Φa insgesamt eindeutig.

In der Funktionalanalysis ist man häufig am stetigen Funktionalkalkül für einen normale Operatoren T interessiert, das heißt an dem Fall, dass 𝒜 die C*-Algebra (H) der beschränkten Operatoren auf einem Hilbertraum H ist. Häufig wird in der Literatur der stetige Funktionalkalkül in diesem Setting sogar nur für selbstadjungierte Operatoren bewiesen. Der Beweis kommt in diesem Fall ohne die Gelfand-Transformation Vorlage:Nowrap

Weitere Eigenschaften des stetigen Funktionalkalküls

Der stetige Funktionalkalkül Φa ist ein isometrischer Isomorphismus auf die von a und e erzeugte C*-Unteralgebra C*(a,e), das heißt:

  • Φa(f)=fσ(a) für alle fC(σ(a)); Φa ist somit stetig.
  • Φa(C(σ(a)))=C*(a,e)𝒜

Da a ein normales Element von 𝒜 ist, ist die von a und e erzeugte C*-Unteralgebra kommutativ. Insbesondere ist f(a) normal und alle Elemente eines Funktionalkalküls kommutieren.

Der holomorphe Funktionalkalkül wird vom stetigen Funktionalkalkül in eindeutiger Weise Vorlage:Nowrap Daher stimmt für Polynome p(z,z) der stetige Funktionalkalkül mit dem natürlichen Funktionalkalkül für Polynome überein: Φa(p(z,z))=p(a,a*)=k,l=0Nck,lak(a*)l für alle p(z,z)=k,l=0Nck,lzkzl mit Vorlage:Nowrap

Für eine Folge von Funktionen fnC(σ(a)), die auf σ(a) gleichmäßig gegen eine Funktion fC(σ(a)) konvergiert, konvergiert Vorlage:Nowrap Für eine Potenzreihe f(z)=n=0cnzn, die auf σ(a) absolut gleichmäßig konvergiert, gilt daher Vorlage:Nowrap

Sind f𝒞(σ(a)) und g𝒞(σ(f(a))), so gilt für deren Komposition Vorlage:Nowrap Sind a,b𝒜N zwei normale Elemente mit f(a)=f(b) und ist g sowohl auf σ(a) als auch σ(b) die Umkehrfunktion von f, so ist bereits a=b, da Vorlage:Nowrap

Es gilt der spektrale Abbildungssatz: σ(f(a))=f(σ(a)) für alle Vorlage:Nowrap

Gilt ab=ba für b𝒜, so gilt auch f(a)b=bf(a) für alle fC(σ(a)), das heißt wenn b mit a kommutiert, dann auch mit den zugehörigen Elementen des stetigen Funktionalkalküls Vorlage:Nowrap

Sei Ψ:𝒜 ein unitärer *-Homomorphismus zwischen C*-Algebren 𝒜 und Vorlage:Nowrap Dann kommutiert Ψ mit dem stetigen Funktionalkalkül. Es gilt: Ψ(f(a))=f(Ψ(a)) für alle Vorlage:Nowrap Insbesondere kommutiert der stetige Funktionalkalkül mit der Gelfand-Transformation.

Mit dem spektralen Abbildungssatz lassen sich Funktionen mit bestimmten Eigenschaften direkt mit bestimmten Eigenschaften von Elementen von C*-Algebren in Verbindung bringen:

Diese gehen auf Aussagen über das Spektrum bestimmter Elemente zurück, welche im Abschnitt Anwendungen dargestellt sind.

Im speziellen Fall, dass 𝒜 die C*-Algebra der beschränkten Operatoren (H) für einen Hilbertraum H ist, sind Eigenvektoren vH zum Eigenwert λσ(T) eines normalen Operators T(H) auch Eigenvektoren zum Eigenwert f(λ)σ(f(T)) des Operators Vorlage:Nowrap Gilt also Tv=λv, so gilt auch f(T)v=f(λ)v für alle Vorlage:Nowrap

Anwendungen

Die folgenden Anwendungen sind typische und sehr einfache Beispiele der zahlreichen Anwendungen des stetigen Funktionalkalküls:

Spektrum

Sei 𝒜 eine C*-Algebra und a𝒜N ein normales Element. Dann gilt für das Spektrum σ(a):

Beweis. Der stetige Funktionalkalkül Φa zum normalen Element a𝒜 ist ein *-Homomorphismus mit Φa(Id)=a und somit ist a selbstadjungiert/unitär/eine Projektion, wenn IdC(σ(a)) ebenfalls selbstadjungiert/unitär/eine Projektion ist. Genau dann ist Id selbstadjungiert, wenn z=Id(z)=Id(z)=z für alle zσ(a) gilt, also wenn σ(a) reell ist. Genau dann ist Id unitär, wenn 1=Id(z)Id(z)=zz=|z|2 für alle zσ(a) gilt, also Vorlage:Nowrap Genau dann ist Id eine Projektion, wenn (Id(z))2=Id(z)=Id(z), d. h. z2=z=z für alle zσ(a), also Vorlage:Nowrap

Wurzeln

Sei a ein positives Element einer C*-Algebra Vorlage:Nowrap Dann existiert für jedes n ein eindeutig bestimmtes positives Element b𝒜+ mit bn=a, das heißt eine eindeutige n-te Wurzel.

Beweis. Für jedes n ist die Wurzelfunktion fn:0+0+,xxn eine stetige Funktion auf Vorlage:Nowrap Sei b:=fn(a) mittels stetigem Funktionalkalkül definiert, dann folgt aus den Eigenschaften des Kalküls Vorlage:Nowrap Aus dem spektralen Abbildungssatz folgt σ(b)=σ(fn(a))=fn(σ(a))[0,), das heißt b ist positiv. Sei c𝒜+ ein weiteres positives Element mit cn=a=bn, so gilt c=fn(cn)=fn(bn)=b, da die Wurzelfunktion auf den positiven reellen Zahlen eine Umkehrfunktion zur Funktion zzn ist.

Ist a𝒜sa ein selbstadjungiertes Element, dann existiert zumindest für jedes ungerade n ein eindeutig bestimmtes selbstadjungiertes Element b𝒜sa mit Vorlage:Nowrap

Ebenso definiert für ein positives Element a einer C*-Algebra 𝒜 jedes α0 ein eindeutig bestimmtes positives Element aα von C*(a), sodass aαaβ=aα+β für alle α,β0 gilt. Falls a invertierbar ist, lässt sich dies auch auf negative Werte von α fortsetzen.

Betrag

Sei a𝒜, dann ist das Element a*a positiv, sodass der Betrag durch den stetigen Funktionalkalkül definiert werden kann |a|=a*a, da dieser auf den positiven reellen Zahlen stetig Vorlage:Nowrap

Sei a ein selbstadjungiertes Element einer C*-Algebra 𝒜, dann existieren positive Elemente a+,a𝒜+, sodass a=a+a mit a+a=aa+=0 gilt. Man bezeichnet a+ und a auch als Positiv- und Negativteil. Darüber hinaus gilt Vorlage:Nowrap

Beweis. Die Funktionen f+(z)=max(z,0) und f(z)=min(z,0) sind stetige Funktionen auf σ(a) mit Id(z)=z=f+(z)f(z) und Vorlage:Nowrap Setze a+=f+(a) und Vorlage:Nowrap Nach dem spektralen Abbildungssatz sind a+ und a positive Elemente und es gilt a=Id(a)=(f+f)(a)=f+(a)f(a)=a+a und Vorlage:Nowrap Weiterhin gilt f+(z)+f(z)=|z|=z*z=z2, sodass a++a=f+(a)+f(a)=|a|=a*a=a2 gilt.

Unitäre Elemente

Ist a ein selbstadjungiertes Element einer C*-Algebra 𝒜 mit Einselement e, so ist u=eia unitär, wobei i die imaginäre Einheit bezeichnet. Ist umgekehrt u𝒜U ein unitäres Element, mit der Einschränkung, dass das Spektrum eine echte Teilmenge des Einheitskreises ist, also σ(u)𝕋, so existiert ein selbstadjungiertes Element a𝒜sa mit Vorlage:Nowrap

Beweis. Es ist u=f(a) mit f:, xeix, denn da a selbstadjungiert ist, folgt σ(a), das heißt f ist eine Funktion auf dem Spektrum von Vorlage:Nowrap Da ff=ff=1 folgt mittels Funktionalkalkül uu*=u*u=e, das heißt u ist unitär. Da für die andere Aussage ein z0𝕋 existiert, sodass σ(u){eizz0zz0+2π} ist die Funktion f(eiz)=z für z0zz0+2π eine reellwertige stetige Funktion auf dem Spektrum σ(u), sodass a=f(u) ein selbstadjungiertes Element ist, das eia=eif(u)=u erfüllt.

Spektraler Zerlegungssatz

Sei 𝒜 eine unitäre C*-Algebra und a𝒜N ein normales Element. Das Spektrum bestehe aus n paarweise disjunkten abgeschlossenen Teilmengen σk für alle 1kn, also Vorlage:Nowrap Dann existieren Projektionen p1,,pn𝒜, die für alle 1j,kn die folgenden Eigenschaften Vorlage:Nowrap

Insbesondere existiert eine Zerlegung a=k=1nak für die σ(ak)=σk für alle 1kn gilt.

Beweis.[1] Da die σk alle abgeschlossen sind, sind die charakteristischen Funktionen χσk stetig auf Vorlage:Nowrap Sei nun pk:=χσk(a) mithilfe des stetigen Funktionalkalküls definiert. Da die σk paarweise disjunkt sind gilt χσjχσk=δjkχσk und k=1nχσk=χk=1nσk=χσ(a)=1 und somit erfüllen die pk die geforderten Eigenschaften, wie sich wiederum aus den Eigenschaften des stetigen Funktionalkalküls ergibt. Für die letzte Aussage setzt man Vorlage:Nowrap

Literatur

  • Jacques Dixmier: Les C*-algèbres et leurs représentations. Gauthier-Villars, Paris, 1969.
  • Jacques Dixmier: C*-algebras. Aus dem Französischen von Francis Jellett. North-Holland, Amsterdam/New York/Oxford 1977, ISBN 0-7204-0762-1.
  • Richard V. Kadison, John R. Ringrose: Fundamentals of the Theory of Operator Algebras. Volume 1 Elementary Theory. Academic Press, New York/London 1983, ISBN 0-12-393301-3.
  • Masamichi Takesaki: Theory of Operator Algebras I. Springer, Heidelberg/Berlin, 1979, ISBN 3-540-90391-7.

Einzelnachweise

  1. Referenzfehler: Es ist ein ungültiger <ref>-Tag vorhanden: Für die Referenz namens kaballo wurde kein Text angegeben.