Polynomring

Aus testwiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Wenn R ein kommutativer Ring mit einer 1 ist, dann ist der Polynomring R[X] die Menge aller Polynome mit Koeffizienten aus dem Ring R und der Variablen X zusammen mit der üblichen Addition und Multiplikation von Polynomen. Davon zu unterscheiden sind in der abstrakten Algebra die Polynomfunktionen, nicht zuletzt, weil unterschiedliche Polynome dieselbe Polynomfunktion induzieren können.

Definitionen

Der Polynomring R[X]

Sei R ein Ring mit 1. Dann ist R[X] die Menge

R(0):={(ai)i0aiR,ai=0 fu¨r fast alle i}

der Folgen in R, bei denen fast alle, also alle bis auf endlich viele, Folgenglieder gleich 0 sind.

Die Addition wird komponentenweise durchgeführt:

(ai)i0+(bi)i0:=(ai+bi)i0

und die Faltung der Folgen definiert die Multiplikation

(ai)i0(bi)i0:=(i=0kaibki)k0=(i+j=kaibj)k0.

Durch diese Verknüpfungen wird auf dem Raum der endlichen Folgen eine Ringstruktur definiert, dieser Ring wird als R[X] bezeichnet.

In diesem Ring wird XR(0) definiert als

X=X1:=(0,1,0,0,)

und die 1R(0) ist

1:=X0=(1,0,0,0,) .

Aus der Definition der Multiplikation durch Faltung folgt dann, dass

Xk:=XXXk-mal das X=(0,0,,0k Nullen,1,0,0,)

ist und in der Klammer rechts genau an der (k+1)-ten Stelle eine Eins steht, ansonsten besteht die Folge ausschließlich aus Nullen.

Mit dem Erzeuger X kann nun jedes Element f aus R(0) eindeutig in der geläufigen Polynomschreibweise

f=a0+a1X+a2X2++anXn=i=0naiXi

dargestellt werden. Die einzelnen Folgenglieder ai nennt man die Koeffizienten des Polynoms.

Damit erhält man den Polynomring R[X] über R in der Unbestimmten X.

Der Polynomring in mehreren Veränderlichen

Der Polynomring in mehreren Veränderlichen wird rekursiv definiert durch:

R[X1,,Xn]:=R[X1,,Xn1][Xn]

Man betrachtet hier also Polynome in der Variablen Xn mit Koeffizienten aus dem Polynomring R[X1,,Xn1], wobei dieser wieder genauso definiert ist. Dies kann man solange fortsetzen, bis man bei der Definition des Polynomrings in einer Veränderlichen angekommen ist. In R[X1,,Xn] kann man jedes Element eindeutig als

k=(k1,,kn)0nakX1k1Xnkn

schreiben.

Der Polynomring in beliebig vielen Unbestimmten (mit einer Indexmenge J) kann entweder als der Monoidring über dem freien kommutativen Monoid über J oder als der Kolimes der Polynomringe über endliche Teilmengen von J definiert werden.

Der Quotientenkörper

Ist K ein Körper, so ist K(X) die Bezeichnung für den Quotientenkörper von K[X], den rationalen Funktionenkörper. Analog wird der Quotientenkörper eines Polynomrings K[X1,,Xn] über mehreren Unbestimmten mit K(X1,,Xn) bezeichnet.

Eigenschaften

Gradsatz

Die Funktion

deg:R[X]0{}f{max{k0ak0},wenn f0,wenn f=0

definiert den Grad des Polynoms f in der Unbestimmten X. Hierbei gelten für die üblichen Maßgaben für Vergleich und Addition: Für alle k0 gilt <k und +k=.

Der Koeffizient adeg(f) wird der Leitkoeffizient von f0 genannt.

Es gilt für alle f,gR[X]

  • deg(fg)deg(f)+deg(g).
(Enthält R keine Nullteiler – präziser: sind die Leitkoeffizienten keine Nullteiler –, gilt die Gleichheit.)
  • deg(f+g)max{deg(f),deg(g)}.

Aus diesem Gradsatz folgt insbesondere, dass wenn R ein Körper ist, die Einheiten genau den Polynomen mit Grad null entsprechen, und das sind die Konstanten ungleich null.

Bei einem Körper R wird R[X] durch die Gradfunktion zu einem euklidischen Ring: Es gibt eine Division mit Rest, bei der der Rest einen kleineren Grad als der Divisor hat.

Beispiele
  1. Sei R:= der Ring der ganzen Zahlen. Dann sind f:=1+2X0 und g:=1+3X0 beide vom Grad 1. Das Produkt fg=1+5X+6X2 hat den Grad 2, wie sich auch aus deg(fg)=deg(f)+deg(g) ausrechnet.
  2. Sei R:=/6 der Restklassenring modulo 6 (ein Ring mit den nicht-trivialen Nullteilern 2 und 3) und wie oben f:=1+2X und g:=1+3X. Beide sind ≢0mod6 und auch hier vom Grad 1. Aber fg=1+5X+6X21+5Xmod6 hat den Grad 1 und 1=deg(fg)<deg(f)+deg(g)=2.

Gradsatz für Polynome in mehreren Veränderlichen

Bei einem Monom

ak1,,knX1k1Xnkn

definiert man die Summe der Exponenten

k1++kn

als den Totalgrad des Monoms, falls ak1,,kn0. Der Grad d des nichtverschwindenden Polynoms

k=(k1,,kn)0nakX1k1Xnkn

in mehreren Veränderlichen wird definiert als der maximale Totalgrad der (nichtverschwindenden) Monome. Eine Summe von Monomen von gleichem Totalgrad ist ein homogenes Polynom. Die Summe aller Monome vom Grad d, d. i. das maximale homogene Unterpolynom von maximalem Grad, spielt (bezogen auf alle Veränderliche zusammen) die Rolle des Leitkoeffizienten. (Der Leitkoeffizient einer einzelnen Unbestimmten ist ein Polynom in den anderen Unbestimmten.)

Der Gradsatz gilt auch für Polynome in mehreren Veränderlichen.

Elementare Operationen, Polynomalgebra

In der Polynomschreibweise sehen Addition und Multiplikation für Elemente f=i=0mfiXi und g=i=0ngiXi des Polynomrings R[X] wie folgt aus:

f+g=k=0max(m,n)(fk+gk)Xk,
fg=k=0m+n(i+j=kfigj)Xk

Der Polynomring R[X] ist nicht nur ein kommutativer Ring, sondern auch ein Modul über R, wobei die Skalarmultiplikation gliedweise definiert ist. Damit ist R[X] sogar eine kommutative assoziative Algebra über R.

Homomorphismen

Falls A und B kommutative Ringe mit 1 sind und φ:AB ein Homomorphismus ist, dann ist auch

φ~:A[X]B[X],i=1naiXii=1nφ(ai)Xi ein Homomorphismus.

Falls A und B kommutative Ringe mit 1 sind und φ:AB ein Homomorphismus ist, dann gibt es für jedes bB einen eindeutigen Homomorphismus ϕb:A[X]B, der eingeschränkt auf A gleich φ ist und für den ϕb(X)=b gilt, nämlich ϕb(aiXi)=φ(ai)bi.

Algebraische Eigenschaften

Ist R ein kommutativer Ring mit 1, so gilt:

  • Ist R nullteilerfrei, so auch R[X].
  • Ist R faktoriell, so auch R[X] (Lemma von Gauß).
  • Ist R ein Körper, so ist R[X] euklidisch und daher ein Hauptidealring.
  • Ist R noethersch, so gilt für die Dimension des Polynomrings in einer Variablen über R: dim(R[X])=dim(R)+1
  • Ist R noethersch, so ist der Polynomring R[X1,,Xn] mit Koeffizienten in R noethersch (Hilbertscher Basissatz).
  • Ist R ein Integritätsring und 0fR[X], so hat f maximal deg(f) Nullstellen. Dies ist über Nicht-Integritätsringen im Allgemeinen falsch.
  • Ein Polynom f=anXn++a0R[X] ist genau dann in R[X] invertierbar, wenn a0 invertierbar ist und alle weiteren Koeffizienten nilpotent in R sind. Insbesondere ist ein Polynom fR[X] über einem Integritätsring R genau dann invertierbar, wenn es ein konstantes Polynom a0 ist, wobei a0 eine Einheit in R ist.

Polynomfunktion und Einsetzungshomomorphismus

Vorlage:Hauptartikel

Ist

f=a0+a1X++anXn

ein Polynom aus R[X], so nennt man

fR:RR,xfR(x)=a0+a1x++anxn

die zu f gehörende Polynomfunktion. Allgemeiner definiert f auch für jeden Ringhomomorphismus ϕ:RS (in einen kommutativen Ring S mit 1) eine Polynomfunktion fS:SS, xfS(x). Der Index wird oft weggelassen.

Umgekehrt haben Polynomringe R[X] über einem kommutativen Ring R mit 1 die folgende universelle Eigenschaft:

Gegeben ein Ring S (kommutativ mit 1), ein Ringhomomorphismus ϕ:RS und ein sS, so gibt es genau einen Homomorphismus Φ:R[X]S mit Φ(X)=s, so dass Φ eine Fortsetzung von ϕ ist, also ΦR=ϕ gilt.

Diese Eigenschaft wird „universell“ genannt, weil sie den Polynomring R[X] bis auf Isomorphie eindeutig bestimmt.

Der Homomorphismus

Φ:a0+a1X+a2X2++anXna0+a1s++ansn,

wird der Auswertung(-shomomorphismus) für s oder Einsetzung(-shomomorphismus) von s genannt.

Beispiele

  • Setzen wir S=R[X] und s=X, so ist ΦX:R[X]R[X], ffR[X](X)=f die identische Abbildung; ΦX=IdR[X].
  • Betrachten wir einen Polynomring R[X,X1,X2,,Xn] mit zusätzlichen Unbestimmten X1,X2,,Xn (s. Polynome mit mehreren Veränderlichen) als Erweiterung von R[X], ergibt sich analog zur Konstruktion aus vorigem Beispiel der Einsetzungshomomorphismus ΦX:R[X]R[X,Y], ffR[X,Y](X)=f als Monomorphismus von R[X] in R[X,X1,X2,,Xn].,

Polynomfunktionen

Ist R ein Ring (kommutativ mit 1), dann ist auch die Menge Abb(R,R) der Abbildungen von R in sich ein Ring und nach der universellen Eigenschaft gibt es einen Homomorphismus

Φ:R[X]Abb(R,R)

mit Φ(a)=ca (die konstante Abbildung) für alle aR und Φ(X)=idR (die Identitätsabbildung).

f:=Φ(f)

ist die dem Polynom f zugeordnete Polynomfunktion. Der Homomorphismus

ff

ist nicht notwendig injektiv, zum Beispiel ist für R=/2 und f=X2+XR[X]{0} die zugehörige Polynomfunktion f=0.

Beispiele

Ein Polynom über einem endlichen Körper

Da in dem endlichen Körper 𝔽q die Einheitengruppe zyklisch mit der Ordnung q1 ist, gilt für x𝔽q die Gleichung xq=x. Deswegen ist die Polynomfunktion f𝔽q:𝔽q𝔽q des Polynoms

f=XqX=a𝔽q(Xa)𝔽q[X]

die Nullfunktion, obwohl f nicht das Nullpolynom ist.

Ist q eine Primzahl, dann entspricht dies genau dem kleinen fermatschen Satz.

Polynome mit zwei Veränderlichen

Ist f[X] oder f[X] ein vom Nullpolynom verschiedenes Polynom, so ist die Anzahl der Nullstellen von f endlich. Bei Polynomen mit mehreren Unbestimmten kann die Nullstellenmenge ebenfalls endlich sein:

Das Polynom f=((X2)(X3))2+Y2[X,Y] hat die Nullstellen (2,0) und (3,0) in 2.

Es kann aber ebenso unendliche Nullstellenmengen geben:

Das Polynom f=X2+Y21[X,Y] besitzt als Nullstellenmenge die Einheitskreislinie {(x,y)2:x2+y2=1}, welche eine kompakte Teilmenge von 2 ist. Das Polynom g=YX2[X,Y] besitzt ebenfalls eine unendliche Nullstellenmenge, nämlich den Funktionsgraphen der Normalparabel, welcher nicht kompakt ist.

Das Studium von Nullstellenmengen polynomialer Gleichungen mit mehreren Unbestimmten führte zur Entwicklung des mathematischen Teilgebiets der algebraischen Geometrie.

Polynome im Komplexen

Jedes komplexe Polynom f[X] vom Grad n hat genau n Nullstellen in , wenn man jede Nullstelle gemäß ihrer Vielfachheit zählt. Dabei heißt eine Nullstelle z k-fach, falls (Xz)k ein Teiler von f ist, (Xz)k+1 dagegen nicht mehr.

Insbesondere gilt dieser Fundamentalsatz der Algebra auch für reelle Polynome f[X], wenn man diese als Polynome in [X] auffasst. Zum Beispiel hat das Polynom X2+1 die Nullstellen i und i, da i2=1 und ebenso (i)2=1, also gilt X2+1=(X+i)(Xi).

Literatur