SU(2)

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In der Mathematik ist SU(2) die spezielle unitäre Gruppe der Ordnung 2, d. h. die lineare Gruppe der unitären (2×2)-Matrizen mit Determinante 1. Sie ist (zusammen mit der Drehgruppe SO(3), deren zweifache Überlagerung sie ist) eine einfache nichtabelsche kompakte Lie-Gruppe.

Die Gruppe SU(2) spielt eine wichtige Rolle in der Physik, unter anderem im Standardmodell der Elementarteilchenphysik und in der Quantenmechanik, wo sie auch als komplexe Dreh-Gruppe (Gruppe der „komplexen Drehungen“ des zweidimensionalen komplexen Raumes 2) oder Spin-Gruppe bezeichnet wird. Bündel mit Strukturgruppe SU(2) werden in der Theorie der 4-Mannigfaltigkeiten zur Definition der Donaldson-Invarianten[1] und in der Theorie der 3-Mannigfaltigkeiten zur Definition der Casson-Invariante und der Instanton-Floer-Homologie[2][3] verwendet.

Definition

Die SU(2) ist die Gruppe der unitären (2×2)-Matrizen mit Determinante 1:

SU(2)={AMat(2,):AA¯T=A¯TA=1,det(A)=1}Mat(2,).

Alle Matrizen aus SU(2) sind von der Form

(z1z2z2z1) mit |z1|2+|z2|2=1.

SU(2) ist eine Lie-Gruppe. Sie ist die einfachste nichtabelsche Lie-Gruppe.

Die Lie-Algebra 𝔰𝔲(2) der Lie-Gruppe SU(2) ist die Lie-Algebra der schiefhermiteschen (2×2)-Matrizen

𝔰𝔲(2)={AMat(2,):A+A¯T=0,tr(A)=0}Mat(2,).

Alle Matrizen aus 𝔰𝔲(2) sind von der Form

(iaz¯zia) mit a,z.

Topologie

(z1z2z¯2z¯1)(z1,z2)S32.

SU(2) als Spin-Gruppe

SU(2) ist eine 2-fache Überlagerung der Drehgruppe SO(3), sie realisiert also die Spin-Gruppe Spin(3). Die natürliche Operation von SU(2) auf 2 ist eine sog. Spinordarstellung.

Explizit wird die Überlagerung gegeben durch die adjungierte Darstellung von SU(2) auf ihrer 3-dimensionalen Lie-Algebra 𝔰𝔲(2). Diese lässt die Killing-Form B und damit auch B invariant. Weil B positiv definit ist, ist die Gruppe der B erhaltenden linearen Abbildungen isomorph zu O(3). Man kann zeigen, dass die so definierte Abbildung eine 2-fache Überlagerung SU(2)SO(3) definiert.

Pauli-Matrizen und Komplexe Drehungen

Die Pauli-Matrizen lauten

σ1=(0110),σ2=(0ii0),σ3=(1001).

Die imaginären Vielfachen iσj,j=1,2,3 sind Elemente der Lie-Algebra 𝔰𝔲(2). Es gilt

SU(2)={exp(i2ασ)|α3}

mit reellen Vektorkomponenten α1,α2 und α3, den „Drehwinkeln“  (α3 durchläuft beispielsweise das Intervall [2π,+2π]), und mit den in die drei Pauli-Matrizen umgewandelten Basiselementen der Quaternionen, also dem aus den drei 2x2-Pauli-Matrizen gebildeten formalen Drei-Vektor σ  (in der Sprache der Physik: „dem doppelten(!) [4] Spindrehimpuls-Operator“). Der Punkt bedeutet das formale Skalarprodukt, ασ=α1σ1+α2σ2+α3σ3. Der scheinbar nur physikalisch motivierte Faktor 1/2 hat mathematisch u. a. zur Folge, dass sich die Spinoren im Gegensatz zu Vektoren nicht schon bei Drehungen um 2π  (=360 o), sondern erst bei dem doppelten  Wert reproduzieren. Dagegen erhält man die gewöhnliche Drehgruppe im dreidimensionalen reellen Raum, die SO(3), indem man σ/2 durch den Ortsdrehimpuls-Operator ersetzt (ausgedrückt durch Differentialquotienten, z. B. 3=iφ). Dabei wurde , die reduzierte Plancksche Konstante, wie üblich durch Eins ersetzt, und φ ist der Azimutalwinkel (Drehung um die z-Achse). Jetzt reicht die Drehung um 360 o aus, um eine gewöhnliche Funktion – statt eines Spinors – zu reproduzieren.

In diesem Sinne wird die Gruppe der komplexen Drehungen SU(2) also von den Pauli-Matrizen „erzeugt“, was in der Quantenmechanik speziell in der Theorie des Spindrehimpulses Anwendung findet.

SU(2) als Gruppe der Einheitsquaternionen

Vorlage:Hauptartikel

Jede Quaternion x lässt sich eindeutig in der Form

x0+x1i+x2j+x3k

mit reellen Zahlen x0, x1, x2, x3 schreiben. Der Betrag einer Quaternion ist definiert durch

|x|=x02+x12+x22+x32.

Die Gruppe der Einheitsquaternionen

{x:|x|=1}

ist isomorph zu SU(2), unter dem Isomorphismus entsprechen sich

1(1001),i(i00i),j(0110),k(0ii0).

Endliche Untergruppen der SU(2)

Die endlichen Untergruppen wurden von Felix Klein klassifiziert.

Jede endliche Untergruppe ist isomorph zu einer der folgenden Untergruppen der SU(2):

diag(exp(2πi/𝑛),exp(2πi/𝑛)),
diag(exp(πi/𝑛),exp(πi/𝑛)) und (0ii0),

Diese Untergruppen entsprechen den Dynkindiagrammen An1,Dn+2,E6,E7,E8. Siehe auch Quaternion#Die endlichen Untergruppen.

Differentialgeometrie

Das negative der Killing-Form definiert eine bi-invariante Riemannsche Metrik auf SU(2), ihre Schnittkrümmung ist konstant 1. Die SU(2) ist also isometrisch zur 3-dimensionalen Einheitssphäre.

Darstellungstheorie

Die Lie-Algebra 𝔰𝔲(2) ist eine reelle Form der Lie-Algebra 𝔰𝔩(2,), d. h. 𝔰𝔩(2,) ist die Komplexifizierung von 𝔰𝔲(2). Alle Darstellungen von 𝔰𝔲(2) erhält man also durch Einschränkung von Darstellungen von 𝔰𝔩(2,). Insbesondere folgt aus der Klassifikation der Darstellungen von 𝔰𝔩(2,), dass es zu jeder natürlichen Zahl m eine bis auf Isomorphie eindeutige (m+1)-dimensionale irreduzible Darstellung der 𝔰𝔲(2) gibt.

Nach dem Zweiten Lie’schen Satz entsprechen die Lie-Algebren-Darstellungen von 𝔰𝔲(2) genau den Lie-Gruppen-Darstellungen von SU(2). Es gibt also zu jeder natürlichen Zahl m eine bis auf Isomorphie eindeutige (m+1)-dimensionale irreduzible Darstellung von SU(2). In der Physik wird diese als Spin-m2-Darstellung bezeichnet.

Eine explizite Realisierung der (m+1)-dimensionalen Darstellung von SU(2) geht wie folgt. Es sei Vm der Vektorraum der komplexwertigen homogenen Polynome vom Grad m in zwei Variablen, also der von xm,xm1y,,xym1,ym aufgespannte komplexe Vektorraum. Dann wirkt ASU(2) auf Vm durch (AP)(x,y):=P(A1(x,y)).

Physik

Die Drehimpulsalgebra ist isomorph zur Komplexifizierung der Lie-Algebra der SU(2). Viele physikalische Situationen sind rotations-invariant und lassen sich also als Darstellungen der SO(3) beschreiben, welche in der Regel unendlich-dimensional sind und sich aber in endlich-dimensionale irreduzible Darstellungen zerlegen lassen. Im Falle des Wasserstoffatoms entsprechen die Anzahlen der Zustände gleicher Energie gerade den Dimensionen dieser irreduziblen Darstellungen. Gewisse Effekte lassen sich aber nur erklären, wenn man die Dimensionen verdoppelt, also statt der SO(3)-Darstellungen die durch Tensorieren mit der Standarddarstellung 2 entstehenden SU(2)-Darstellungen betrachtet.

Die schwache Wechselwirkung und damit das Standardmodell der Elementarteilchenphysik ist SU(2)-invariant.[5]

Siehe auch

Literatur

  • Theodor Bröcker, Tammo tom Dieck: Representations of Compact Lie Groups (= Graduate Text im Mathematics. Bd. 98). Springer, New York NY u. a. 1985, ISBN 3-540-13678-9.
  • Walter Pfeifer: The Lie Algebras su(N). An Introduction. Birkhäuser, Basel u. a. 2003, ISBN 3-7643-2418-X.
  • Jean-Marie Normand: A Lie group. Rotations in quantum mechanics. North-Holland Publishing Co., Amsterdam u. a. 1980, ISBN 0-444-86125-4.
  • Max Wagner: Gruppentheoretische Methoden in der Physik. Ein Lehr- und Nachschlagewerk. Friedr. Vieweg & Sohn, Braunschweig 1998, ISBN 3-528-06943-0.

Einzelnachweise

  1. Simon K. Donaldson: Polynomial invariants for smooth four-manifolds. In: Topology. Bd. 29, Nr. 3, 1990, S. 257–315, Vorlage:DOI
  2. Andreas Floer: An instanton-invariant for 3-manifolds. In: Communications in Mathematical Physics. Bd. 118, Nr. 2, 1988, S. 775–813, Vorlage:DOI
  3. Clifford Henry Taubes: Casson's invariant and gauge theory. In: Journal of differential geometry. Bd. 31, Nr. 2, 1990, S. 547–599, online.
  4. Dass nicht σ, sondern σ/2 der Spindrehimpuls-Operator ist, ergibt sich u. a. aus der zugehörigen Lie-Algebra, der Drehimpulsalgebra.
  5. Vorlage:Literatur