Darstellungstheorie der sl(2,C)

Aus testwiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Die Darstellungstheorie der Lie-Algebra 𝔰𝔩(2,) ist von grundlegender Bedeutung in Mathematik und Physik. In der Mathematik ist sie der einfachste Fall in der Klassifikation der Darstellungen halbeinfacher Lie-Algebren, in der Physik spielt sie eine zentrale Rolle in der Quantenmechanik, weil sie die Darstellungen der Drehimpulsalgebra klassifiziert.

Die Lie-Algebra

𝔰𝔩(2,) ist die Lie-Algebra der (2×2)-Matrizen mit Spur 0. Sie wird (als komplexer Vektorraum) aufgespannt von den Matrizen

X=(0100)Y=(0010)H=(1001),

diese genügen den Relationen

[X,Y]=H[H,X]=2X[H,Y]=2Y

In der Quantenmechanik berechnet man Eigenwerte des Drehimpulsoperators L=hix×, wobei x Multiplikation mit den Ortskoordinaten und die Ableitung nach den Ortskoordinaten bezeichnet. Seien Lx,Ly,Lz die drei Komponenten von L und L±=Lx±iLy, dann gilt [Lz,L±]=±hL± und [L+,L]=2hLz. Nach einer passenden Skalierung der Basisvektoren ist die Drehimpulsalgebra also isomorph zu 𝔰𝔩(2,).

Endlich-dimensionale Darstellungen

Wir betrachten im Folgenden -lineare Darstellungen, für die Klassifikation -linearer Darstellungen von 𝔰𝔩(2,), siehe Darstellungstheorie der Lorentz-Gruppe.

Weil 𝔰𝔩(2,) eine halbeinfache Lie-Algebra ist, sind ihre Darstellungen nach dem Satz von Weyl vollständig reduzibel, d. h. jede Darstellung lässt sich als direkte Summe irreduzibler Darstellungen zerlegen. Es genügt deshalb, irreduzible Darstellungen zu klassifizieren.

Irreduzible Darstellungen

Es stellt sich heraus, dass es zu jeder natürlichen Zahl m eine bis auf Isomorphie eindeutige irreduzible (m+1)-dimensionale Darstellung Vm der 𝔰𝔩(2,) gibt. Diese ist bestimmt durch eine Basis {v0,,vm} mit den folgenden Eigenschaften:

  • hvi=(m2i)vi für i=0,,m
  • xv0=0,yvm=0
  • xvi=i(mi+1)vi1 für i=1,,m
  • yvi=vi+1 für i=0,,m1

(Hierbei bezeichnen h,x,y𝔤𝔩(Vm)𝔤𝔩(m+1,) die Bilder von H,X,Y𝔰𝔩(2,) unter der Darstellung.)

Beweis

Man rechnet leicht nach, dass durch obige Eigenschaften eine wohl-definierte Darstellung von 𝔰𝔩(2,) eindeutig festgelegt wird. Wir zeigen jetzt, dass jede irreduzible Darstellung von obiger Form ist.

Es sei V eine irreduzible Darstellung. Weil algebraisch abgeschlossen ist, gibt es einen Eigenvektor v von h, also hv=λv. Aus [h,x]=2x folgt dann hxv=(λ+2)xv, also ist xv ein Eigenvektor von h zum Eigenwert λ+2. Durch Induktion folgt, dass xiv ebenfalls ein Eigenvektor zum Eigenwert λ+2i ist. Weil h nur endlich viele Eigenwerte hat, muss es ein minimales i0 mit xi0v=0 geben. Setze v0=xi01v und vi=yiv0 für i1. Aus [h,y]=2y folgt, dass vi Eigenvektor von h zum Eigenwert λ+2(i0i1) ist. Es gibt also wieder ein minimales m mit vm+1=0 und die Vektoren v0,,vm sind linear unabhängig. Aus Spur(h)=Spur([x,y])=0 folgt n=λ+2(i01) und damit die erste Behauptung. Die dritte Behauptung folgt durch vollständige Induktion:

xvi+1=xyvi=hvi+yxvi=(n2)vi+i(ni+1)vi=(i+1)(ni)vi.

Weil der von v0,,vm aufgespannte Unterraum invariant ist, muss er wegen der Irreduzibilität der Darstellung ganz V sein.

Explizite Beschreibung

Die (m+1)-dimensionale Darstellung von 𝔰𝔩(2,) lässt sich explizit angeben durch

(1001)diag(m,m2,,m),
(0100)diag+(m,m1,,1),
(0010)diag(1,2,,m),

wobei diag+(v) bzw. diag(v) diejenigen Matrizen bezeichnet, deren erste Über- bzw. Unterdiagonale v ist und deren sonstige Einträge Null sind.

Zum Beispiel ist V0 die triviale Darstellung, V1 die kanonische Darstellung von 𝔰𝔩(2,) auf 2 und V2 die adjungierte Darstellung.

Darstellungen der Lie-Gruppe SL(2,C)

Nach dem Zweiten Lie’schen Satz entsprechen die Darstellungen der Lie-Algebra 𝔰𝔩(2,) den Darstellungen der Lie-Gruppe SL(2,).

Eine explizite Beschreibung der (m+1)-dimensionalen Darstellung von SL(2,) geht wie folgt. Es sei Vm der Vektorraum der komplexwertigen homogenen Polynome vom Grad m in zwei Variablen, also der von xm,xm1y,,xym1,ym aufgespannte komplexe Vektorraum. ASL(2,) wirkt auf Vm durch (AP)(x,y):=P(A1(x,y)). Das definiert eine Darstellung

SL(2,)GL(Vm)GL(m+1,),

deren Differential im Einselement die oben konstruierte Darstellung

𝔰𝔩(2,)𝔤𝔩(Vm)𝔤𝔩(m+1,)

ist.

Satz von Clebsch-Gordan

Vorlage:Hauptartikel Das Tensorprodukt zweier Darstellungen ist wieder eine Darstellung von SL(2,), welche sich dann in ihre irreduziblen Summanden zerlegen lässt. Der Satz von Clebsch-Gordan besagt im Fall von SL(2,), dass

VmVnVm+nVm+n2Vmn+2Vmn

für alle natürlichen Zahlen mn gilt.

Die Clebsch-Gordan-Koeffizienten finden ihre Verwendung in der Kopplung quantenmechanischer Drehimpulse. Es handelt sich dabei um Entwicklungskoeffizienten, mit denen man aus der Basis der Einzeldrehimpulse in die Basis des Gesamtdrehimpulses übergeht. Sie werden zur Berechnung der Spin-Bahn-Kopplung sowie im Isospin-Formalismus verwendet.

Höchstes Gewicht

Darstellungen halbeinfacher Lie-Algebren werden durch ihr höchstes Gewicht klassifiziert. Für Darstellungen π von 𝔰𝔩(2,) ist das höchste Gewicht der größte Eigenwert von π(1001). Die (m+1)-dimensionale Spinm2Darstellung hat also höchstes Gewicht m.

Siehe auch

Literatur

  • Serre, Jean-Pierre: Complex semisimple Lie algebras. Translated from the French by G. A. Jones. Reprint of the 1987 edition. Springer Monographs in Mathematics. Springer-Verlag, Berlin, 2001. ISBN 3-540-67827-1
  • Humphreys, James E.: Introduction to Lie algebras and representation theory. Graduate Texts in Mathematics, Vol. 9. Springer-Verlag, New York-Berlin, 1972.
  • Hilgert, Joachim; Neeb, Karl-Hermann: Lie-Gruppen und Lie-Algebren, Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden, 1991
  • Hall, Brian C.: Lie groups, Lie algebras, and representations. An elementary introduction. Graduate Texts in Mathematics, 222. Springer-Verlag, New York, 2003. ISBN 0-387-40122-9
  • Erdmann, Karin; Wildon, Mark J.: Introduction to Lie algebras. Springer Undergraduate Mathematics Series. Springer-Verlag London, Ltd., London, 2006. ISBN 978-1-84628-040-5; 1-84628-040-0
  • Gilmore, Robert: Lie groups, physics, and geometry. An introduction for physicists, engineers and chemists. Cambridge University Press, Cambridge, 2008. ISBN 978-0-521-88400-6
  • Mazorchuk, Volodymyr: Lectures on sl2(C)-modules. Imperial College Press, London, 2010. ISBN 978-1-84816-517-5; 1-84816-517-X
  • Henderson, Anthony: Representations of Lie algebras. An introduction through 𝔤𝔩n. Australian Mathematical Society Lecture Series, 22. Cambridge University Press, Cambridge, 2012. ISBN 978-1-107-65361-0