Halogensilane
Als Halogensilane bezeichnet man chemische Verbindungen aus der Gruppe der Silane, in welchen an das Siliciumatom ein oder mehrere Halogenatome gebunden sind. Enthält das Molekül zusätzlich einen organischen Rest so spricht man von Organohalogensilanen.
Geschichte
Die Darstellung von Tetrafluorsilan SiF4 durch Umsetzung von Kieselerde mit Flusssäure wurde bereits 1811 beschrieben.[1] 1823 berichtete Jöns Jacob Berzelius über die Herstellung von Tetrachlorsilan durch Umsetzung von Silicium mit Chlorgas.[2] Später beschreibt er die Darstellung in seinem Lehrbuch wie folgt:[3] Vorlage:Zitat
1857, im selben Jahr, als er zum ersten Mal Monosilan synthetisierte, stellte Friedrich Wöhler durch Umsetzung von kristallinem Silicium unterhalb der Rotglut mit Chlorwasserstoffgas die ersten teilhalogenierten Silane her.[4] Diesen gab Wöhler zunächst die Formeln Si2X3+2 HX (mit X = Cl, Br, I). Erst später wurden durch Charles Friedel und Albert Ladenburg die Substanzen richtig als Trichlorsilan (Siliciumchloroform), Tribromsilan und Triiodsilan identifiziert.[5][6]
Herstellung
Die Herstellung von Halogensilanen kann durch direkte Umsetzung von Silicium oder Ferrosilicium mit Halogenwasserstoff oder durch Umsetzung von Monosilan mit Halogendonatoren, wie Silber(I)-chlorid oder Halogenwasserstoff erfolgen.[5][7][8][9]
Auch die Reaktion von Phenylsilanen mit Halogenwasserstoffen ist möglich:[10]
Bei höheren Temperaturen lassen sich Halogensilane in Gegenwart von Silicium direkt mit Wasserstoff reduzieren.[10]
Auch die Darstellung aus anderen Halogensilanen z. B. durch Umsetzung mit Antimon(III)-fluorid ist möglich.[11][12]
Die direkte Umsetzung von Monosilan mit Chlor oder Brom bei tiefen Temperaturen ergibt ein Gemisch verschiedener Halogensilane vom Typ SiHnX4−y (mit n = 1, 2, 3); bei Raumtemperatur ist die Reaktion dagegen explosionsartig.[13]
Die Tetrahalogensilane werden, wie bereits durch Berzelius beschrieben, üblicherweise durch die direkte Reaktion von Silicium oder Ferrosilicium mit Halogenen gewonnen:[3] Tetrafluorsilan kann auch ohne den Umweg über elementares Silicium direkt durch Reaktion von Siliciumdioxid mit Fluorwasserstoff hergestellt werden:
Dimere oder polymere Halogensilane sind analog zu den Silanen mit Hilfe einer elektrischen Entladung zugänglich.[10]
Organohalogensilane werden großtechnisch über die Müller-Rochow-Synthese gewonnen:
Struktur und Eigenschaften
Die einkernigen Halogensilane sind Derivate des Monosilans, bei denen ein oder mehrere Wasserstoffatome durch ein Halogenatom ersetzt sind. Analog zu den Silanen und den Halogenalkanen existieren auch bei den Halogensilanen mehrkernige Verbindungen, wie Hexachlordisilan oder Octachlortrisilan. Die Stabilität der Silicium-Halogen-Bindung nimmt von Iod, über Brom und Chlor zum Fluor zu und ist deutlich stärker als die Silicium-Wasserstoff-Bindung. Entsprechend sind gegenüber den Stammverbindungen mehrkernige Silane mit Halogenen deutlich stabiler.[14] Die kurzkettigen Perchlorsilane von Typ SinCl2n+2 wurden bereits früh durch Überleiten von Tetrachlorsilan über Silicium oder Ferrosilicium hergestellt. Die höheren Vertreter werden dagegen durch Thermolyse von Tetrachlorsilan und anschließender Fraktionierung gewonnen. Als höchstes Glied der Kette konnte dabei, neben einem zähen, dehnbaren, hochreaktiven Feststoff mit der Zusammensetzung Si25Cl52, das flüssige Si10Cl22 und, in einer Wasserstoffatmosphäre, ebenfalls flüssiges Si10Cl20H2 isoliert werden.[15][16] Aus letzterem können durch weitere Thermolyse noch höhermolekulare Polymere synthetisiert werden, darunter ein perchloriertes Siliciumanalogon zum Dekalin mit der Formel Si10Cl18 und letztendlich unter Abspaltung von Hexachlordisilan, Octachlortrisilan und Decachlortetrasilan ein polymeres Siliciumchlorid mit der Formel (SiCl)∞.[17][18] Auch cyclische Halogensilane von Typ Si4X8, Si5X10 und Si6X12 (X = Cl, Br) sind bekannt.[19][20]
Physikalische Eigenschaften
Die meisten einkernigen Halogensilane sind bei Raumtemperatur gasförmig oder flüssig, nur Tetraiodsilan liegt als Feststoff vor. Die Schmelz- und Siedepunkte liegen nahe denen der korrespondierenden Kohlenstoff-Homologen.
| Schmelz- und Siedepunkte | |||||
|---|---|---|---|---|---|
| SiH4 | SiH3X | SiH2X2 | SiHX3 | SiX4 | |
| Monosilan −185 °C −112 °C |
Monofluorsilan −98,6 °C (Sublimation) |
Difluorsilan −122 °C −77,8 °C |
Trifluorsilan −131 °C −95 °C |
Tetrafluorsilan −95,2 °C (Sublimation) | |
| Monochlorsilan −118 °C −30 °C |
Dichlorsilan −122,0 °C 8,4 °C |
Trichlorsilan −134 °C 32 °C |
Tetrachlorsilan −70 °C 57 °C | ||
| Monobromsilan −94 °C 1,9 °C |
Dibromsilan −70,1 °C 66 °C |
Tribromsilan −73,5 °C 111,8 °C |
Tetrabromsilan 5 °C 154 °C | ||
| Monoiodsilan −56,4 °C 45,4 °C |
Diiodsilan −1 °C 150 °C |
Triiodsilan 8 °C 220 °C (Zers.) |
Tetraiodsilan 120,5 °C 287,4 °C | ||
Chemische Eigenschaften
Halogensilane sind reaktive, meist entzündbare und hydrolyseempfindliche Substanzen. Viele Halogensilane sind thermisch instabil und zersetzen sich beim Erhitzen in ihre Elemente.[21] Sie sind aber oft stabiler als die korrespondierenden Silane: so zersetzen sich Dichlorsilan bei 1000 – 1150 °C, Trichlorsilan bei >1150 °C und Tribromsilan bei 600 – 800 °C, während Monosilan bereits bei 500 °C zerfällt.[10] In Gegenwart von Feuchtigkeit oder Wasser reagieren Halogensilane mehr oder weniger heftig unter Freisetzung der korrespondierenden Halogenwasserstoffsäuren. Die gebildeten Hydroxysilane (Silanole) sind in der Regel nicht stabil und dimerisieren oder polymerisieren unter Wasserabspaltung. So dimerisiert Hydroxysilan unter Bildung von Disiloxan:[22]
Verwendung
Als Siliciumquelle
Aufgrund ihrer thermischen Instabilität werden Halogensilane als Quelle für hochreines Silicium in der Halbleitertechnik bei der chemischen Gasphasenabscheidung und bei der Solarzellenproduktion genutzt.[23]
Elementares Silicium wird gereinigt, indem es zuerst in Tetrachlorsilan oder andere leicht flüchtige Halogensilane überführt und das Produkt durch Destillation von anderen Verunreinigungen abgetrennt wird. Difluorsilan wird zur Herstellung von Siliciumnitridfilmen eingesetzt.[24] Bei der Verbrennung von Tetrachlorsilan in einer Wasserstoffflamme entsteht Pyrogene Kieselsäure.

Als Vorstufe bei der Siloxan- und Silikonherstellung
Organohalogensilane sind die Vorstufen bei der technischen Herstellung von Siloxanen und Silikonen. So polymerisiert Dimethylsilandiol, welches durch Hydrolyse von Dichlordimethylsilan gewonnen wird, zu Polydimethylsiloxan.
Einzelnachweise
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- ↑ 3,0 3,1 Vorlage:Literatur
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- ↑ 5,0 5,1 Vorlage:Literatur
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- ↑ 10,0 10,1 10,2 10,3 Vorlage:Internetquelle
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- ↑ Vorlage:BibISBN
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- ↑ Akihisa Matsuda, Kiyoshi Yagii, Takao Kaga, Kazunobu Tanaka: Glow-Discharge Deposition of Amorphous Silicon from SiH3F. In: Japanese Journal of Applied Physics. 23, 1984, S. L576, doi:10.1143/JJAP.23.L576.
- ↑ Nobuaki Watanabe, Mamoru Yoshida, Yi-Chao Jiang, Tutomu Nomoto, Ichimatsu Abiko: Preparation of Plasma Chemical Vapor Deposition Silicon Nitride Films from SiH2F2 and NH3 Source Gases. In: Japanese Journal of Applied Physics. 30, 1991, S. L619, doi:10.1143/JJAP.30.L619.