Cardanische Formeln

Aus testwiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Die Cardanische Formel, Cardanische Lösungsformel oder auch Cardanosche Formel ist eine Formel zur Lösung kubischer Gleichungen (Gleichungen dritten Grades), was gleichbedeutend ist mit der Berechnung der Nullstellen eines kubischen Polynoms. Die Formel wurde erstmals 1545 vom italienischen Mathematiker Gerolamo Cardano in seinem Buch Ars magna veröffentlicht, aber in Spezialfällen bereits zuvor von Nicolo Tartaglia und Scipione del Ferro gefunden, ohne dass eine Veröffentlichung erfolgte.

Die Cardanische Formel gab wichtige Impulse für die weitere Entwicklung der Algebra wie die spätere Einführung von negativen und komplexen Zahlen. Heute besitzt die Cardanische Formel allerdings kaum noch eine praktische Bedeutung, da für eine numerische Bestimmung inzwischen universelle und deutlich schnellere Verfahren entwickelt wurden.

Cardanische Formel

Einfachster Fall

Die Cardanische Formel liefert zunächst eine einzelne Lösung von kubischen Gleichungen der Form

x3+px+q=0

mit reellen Koeffizienten p und q. Die Formel für eine Lösung lautet:[1]

x=q2+(q2)2+(p3)33+q2(q2)2+(p3)33

Im Fall, dass der Radikand der Quadratwurzel nicht negativ ist, findet man mit der Formel problemlos eine Lösung. Die Cardanische Formel ähnelt damit der aus der Schulmathematik bekannten p-q-Formel, die zum Auflösen von quadratischen Gleichungen des Typs

x2+px+q=0

verwendet wird.

Allgemein

Allgemein geht man davon aus, dass die Koeffizienten der kubischen Gleichung p und q in einem Körper K liegen. In vielen Anwendungen ist K= (reelle Zahlen) oder K= (komplexe Zahlen).

Ist K ein Körper der Charakteristik ungleich 2 oder 3, mit p,qK, so sind die Lösungen der Gleichung

x3+px+q=0

gegeben durch

x1=u+v,x2=ζ2u+ζv,x3=ζu+ζ2v.

Dabei ist ζ eine beliebige primitive, dritte Einheitswurzel im algebraischen Abschluss K sowie

u=q2+(q2)2+(p3)33,v=q2(q2)2+(p3)33,

wobei die dritten Wurzeln mit der Nebenbedingung uv=13p zu wählen sind.[2] Diese Nebenbedingung ist wichtig, da Wurzeln ansonsten mehrdeutig sind. Ferner gäbe es ohne sie bis zu 9 verschiedene Lösungskandidaten, was bei einer kubischen Gleichung über einem Körper nicht sein kann.[3] Für ζ kann der Ausdruck ζ=12+32K gewählt werden, wobei die Wahl der Quadratwurzel unerheblich ist. Zu beachten ist, dass wegen char(K)=2,3 durch 2 bzw. 3 dividiert werden darf, und bereits 3=0 gilt.

Für die Standardsituation der reellen Zahlen ist zu beachten, dass der algebraische Abschluss in diesem Falle gegeben ist durch die komplexen Zahlen, also =. Es kann in dieser Situation ζ=e2πi3=12+32i gewählt werden. Dabei bezeichnet xex die (komplexe) Exponentialfunktion.

Beispiele

Eine Lösung zur Gleichung

x36x6=0

ist gemäß der Cardanischen Formel

x=23+43=2,847

Analog findet man zur Gleichung

x33x4=0

die Lösung

x=2+33+233=2,196

Die ergänzten Dezimaldarstellungen der Lösungen dienen primär zur leichten Überprüfung. Die Cardanische Formel wird in der Regel nicht verwendet, wenn für eine praktische Anwendung nur eine Dezimaldarstellung gesucht wird, weil für diesen Zweck universelle, iterative Näherungsverfahren wie das Newton-Verfahren besser geeignet sind.

Notwendig ist die Cardanische Formel aber bei der Suche nach dem „exakten“ Wert, das heißt, wenn eine Zurückführung der Lösung auf Gleichungen der Form wna=0 angestrebt wird, wobei bei kubischen Gleichungen n=2 und n=3 ausreicht.

Reduzierung der allgemeinen Gleichung dritten Grades

Die Cardanische Formel eignet sich nur dazu, reduzierte kubische Gleichungen zu lösen, das heißt Gleichungen ohne quadratisches Glied. Jedoch können alle kubischen Gleichungen durch eine lineare Transformation der Variablen in die reduzierte Form gebracht werden: Die allgemeine Gleichung dritten Grades

Ax3+Bx2+Cx+D=0

mit reellen oder komplexen Zahlen A, B, C, D und A0 kann durch Division durch A zunächst in die Normalform

x3+ax2+bx+c=0

gebracht werden.

Die linke Seite der Normalform kann – durch elementares Nachrechnen oder als Taylor-Reihe – umgeformt werden zu

(x+a3)3+p(x+a3)+q=0

mit den Koeffizienten

p=ba23 und q=2a327ab3+c.

Daher kann jede normierte kubische Gleichung mit Hilfe der Unbekannten z=x+a3 auf eine reduzierte kubische Gleichung[4]

z3+pz+q=0

zurückgeführt werden, bei der das quadratische Glied fehlt. Der Vorgang wird oft als Substitution der Variablen bezeichnet. Ist eine Lösung z der reduzierten Gleichung berechnet, kann daraus mittels x=za3 die korrespondierende Lösung der Normalform bestimmt werden.

Geschichte

Titelseite der Ars Magna von Cardano

Die Cardanische Formel wurde, zusammen mit Lösungsformeln für quartische Gleichungen (Gleichungen vierten Grades), erstmals 1545 vom italienischen Mathematiker Gerolamo Cardano in seinem Buch Ars magna veröffentlicht.[5] Entdeckt wurde die Lösungsformel für die reduzierten kubischen Gleichungen von Nicolo Tartaglia; laut Cardano sogar noch früher durch Scipione del Ferro, ohne dass eine Veröffentlichung erfolgte. Von Cardano selbst stammt die Methode zur Reduzierung der allgemeinen Gleichung dritten Grades auf den Spezialfall, dass der Koeffizient beim quadratischen Glied gleich null ist. Zwischen Cardano und Tartaglia entbrannte nach der Veröffentlichung ein heftiger Disput darüber, ob Cardano überhaupt berechtigt gewesen sei, die von Tartaglia gefundene und unter Zusicherung der Verschwiegenheit Cardano mitgeteilte Formel zu publizieren. Cardano verwies zu seiner Verteidigung darauf, dass bereits del Ferro die Formel gefunden habe.[6]

Cardano verwendete noch nicht die uns heute vertraute Formelschreibweise, sondern nur Abkürzungen für mathematische Operationen. Da negative Zahlen noch unbekannt waren, musste er verschiedene Formen von kubischen Gleichungen unterscheiden wie zum Beispiel x3+px=q und x3=px+q, die wir heute mittels negativer Koeffizienten als einen gemeinsamen Fall ansehen. Positive Koeffizienten musste Cardano insbesondere deshalb voraussetzen, weil er teilweise geometrisch argumentierte, wie in al-Chwarizmis Buch Hisab al-dschabr wa-l-muqabala bei quadratischen Gleichungen und in Euklids Elementen bei dazu ähnlichen Sachverhalten.

Seite aus der Ars Magna: Lösung von Gleichungen der Form x3=px+q. Die Graphik zeigt die Zer­legung der Kantenlänge eines Würfels in zwei Teile (in einer nicht per­spek­tivischen Dar­stellung).

Cardanos geometrischer Ausgangspunkt war ein Würfel, dessen Kantenlänge in zwei Teile u und v zerlegt wird, wie es das Faksimile rechts zeigt. Bei dieser Zerlegung ergeben sich zwei Teilwürfel und drei in ihren Abmessungen übereinstimmende Quader, was in heutiger Formelschreibweise der Identität

(u+v)3=3uv(u+v)+(u3+v3)

entspricht. Die in ihrer Form dazu ähnliche kubische Gleichung x3=px+q kann also gelöst werden, wenn man eine entsprechende Zerlegung der Unbekannten x=u+v findet. Dazu müssen die dritten Potenzen u3 und v3 die Bedingung u3v3=(p3)3 und u3+v3=q erfüllen, womit die beiden dritten Potenzen u3 und v3 aufgrund des Satzes von Vieta aus einer quadratischen Gleichung berechnet werden können.

Die Cardanische Formel gab wichtige Impulse für die weitere Entwicklung der Algebra wie die spätere Einführung von negativen und komplexen Zahlen. Dafür ursächlich war insbesondere, dass die Cardanische Formel scheinbar versagt, wenn der Radikand der Quadratwurzel negativ ist, selbst wenn eine Lösung bekannt ist. Cardano selbst gab zum Beispiel in der Ars magna für die Gleichung x3=8x+3 die Lösung 3 an, verzichtete aber darauf, diese Lösung mit seiner Formel herzuleiten, was zur damaligen Zeit auch gar nicht möglich gewesen wäre, weil es sich bei den Zwischenergebnissen um nicht reelle, komplexe Zahlen handelt. Solche kubische Gleichungen, die zu einem negativen Radikanden bei der Quadratwurzel führen, werden als casus irreducibilis (lat.: „nicht zurückführbarer Fall“) bezeichnet. Immerhin experimentierte Cardano in anderen Teilen seines Buches bereits mit negativen und komplexen Zahlen.

Fortschritte bei der Behandlung des casus irreducibilis machten erst später Rafael Bombelli, der 1572 erste Erklärungen auf algebraischer Ebene gab, und Franciscus Vieta, der 1600 eine Lösung des casus irreducibilis mit Hilfe trigonometrischer Funktionen fand.

Cardano löste in seiner Ars magna auch Gleichungen vierten Grades, öfters biquadratisch und manchmal quartisch genannt: Die Lösungsmethode hatte sein Schüler Lodovico Ferrari gefunden, der das Problem mit Hilfe einer kubischen Hilfsgleichung, oft als Resolvente bezeichnet, auf die kubische Gleichung zurückführte.[7] Dieser zweifache Erfolg war der erste große Fortschritt bei algebraischen Methoden seit al-Chwarizmis Begründung der Algebra. In Folge wurden viele Mathematiker dazu inspiriert, Gleichungen höherer Grade auf ihre prinzipiellen Eigenschaften und im Hinblick auf Lösungsformeln zu untersuchen. Die dabei wesentlichen Ergebnisse sind der Fundamentalsatz der Algebra, der Hauptsatz über symmetrische Funktionen und die Galois-Theorie, aus der folgt, dass es keine Auflösungsformel für Gleichungen gibt mit einem Grad von mindestens fünf.[8]

Prinzipielle Eigenschaften von kubischen Gleichungen

Vorlage:Hauptartikel Aus allgemeinen Sätzen, die für Polynome eines beliebigen Grades und ihre Nullstellen gelten, ergeben sich im Fall eines kubischen Polynoms die nachfolgend aufgeführten Aussagen. Die Darlegung beschränkt sich auf kubische Gleichungen mit komplexen Koeffizienten, obwohl auch in anderen Fällen entsprechende Aussagen gelten.

Zerlegung in Linearfaktoren

Nach dem Fundamentalsatz der Algebra zerfällt jedes kubische Polynom mit reellen oder komplexen Koeffizienten in drei bis auf die Reihenfolge eindeutig bestimmte Linearfaktoren. Für eine kubische Gleichung

x3+ax2+bx+c=0

bedeutet dies

x3+ax2+bx+c=(xx1)(xx2)(xx3)

mit drei komplexen Zahlen x1,x2,x3, die damit die Lösungen der kubischen Gleichung sind. Bei einer kubischen Gleichung gibt es demnach immer drei, nicht unbedingt voneinander verschiedene Lösungen. Zusammenfallende Lösungen werden als mehrfache Lösung bezeichnet und bei Aussagen über eine Anzahl von Lösungen mit einer bestimmten Eigenschaft einzeln gezählt. Aus der Zerlegung in Linearfaktoren ergibt sich auch, dass die Gleichungskoeffizienten a,b,c bis auf das Vorzeichen den elementarsymmetrischen Polynomen entsprechen. Zum Beispiel gilt c=x1x2x3.

Im Sonderfall einer reduzierten Gleichung, das heißt bei a=0, ist stets

x1+x2+x3=0.
Zusammenhang zwischen Vorzeichen der Diskriminante Δ und der Anzahl der Nullstellen eines kubischen Polynoms der Form x3+ax2+bx+c mit reellen Koeffizienten

Kubische Gleichungen mit reellen Koeffizienten

Da bei Polynomen mit reellen Koeffizienten unabhängig vom Grad die Nullstellen immer paarweise konjugiert komplex auftreten, hat eine kubische Gleichung mit reellen Koeffizienten entweder eine oder drei reelle Lösungen. Unterschieden werden können die beiden Fälle mittels des Differenzenprodukts

(x1x2)(x1x3)(x2x3),

das bei drei reellen Lösungen einen reellen Wert und bei genau einer reellen Lösung einen rein imaginären Wert annimmt. In Folge erfüllt die sogenannte Diskriminante, die als Quadrat des Differenzenprodukts, das heißt durch

Δ=(x1x2)2(x1x3)2(x2x3)2

definiert ist, die folgenden Eigenschaften: Bei reellen Gleichungskoeffizienten gibt es[9]

  • bei Δ<0 genau eine reelle Lösung,
  • bei Δ>0 drei reelle Lösungen und
  • bei Δ=0 nur reelle Lösungen, darunter eine mehrfache.

Berechnung der Diskriminante aus den Gleichungskoeffizienten

Als symmetrisches Polynom kann die Diskriminante durch einen polynomialen Ausdruck der elementarsymmetrischen Polynome und damit der Gleichungskoeffizienten berechnet werden. Konkret gilt im Fall der reduzierten kubischen Gleichung

Δ=4p327q2,[10]

das ist der (108)-fache Wert des Quadratwurzelradikanden innerhalb der Cardanischen Formel.

Problematik des casus irreducibilis

Wie bereits im Abschnitt Geschichte erwähnt, erkannte schon Cardano, dass die nach ihm benannte Formel im Fall reeller Koeffizienten und eines negativen Quadratwurzelradikanden zu versagen scheint. Der Erste, der eine solche Gleichung lösen konnte, war 1572 Bombelli. In heutiger Notation erhielt er zur Gleichung[11]

x315x4=0

die Lösung

x=2+1213+21213=2+11i3+211i3.

Für das spezielle Beispiel konnte Bombelli wegen (2±i)3=2±11i weiterrechnen:

x=(2+i)+(2i)=4.

Allgemein lassen sich die beiden dritten Wurzeln aus komplexen Zahlen nur mit Hilfe des Moivreschen Satzes, und damit nur mit Hilfe von trigonometrischen Funktionen berechnen, womit allerdings die Methoden der Algebra verlassen werden. Zwar erhält man auf diese Weise die numerischen Werte der drei reellen Lösungen, allerdings gibt es dafür, wie bereits erwähnt, universell einsetzbare und schneller zum numerischen Ergebnis führende Verfahren. Da aus algebraischer Sicht zwischen Quadratwurzeln wie 2 und 2 kein prinzipieller Unterschied besteht, ist eine „Lösung“ des casus irreducibilis algebraisch nicht erforderlich.

Herleitung

Die cardanische Formel liefert die reellen Lösungen (oder die eine reelle Lösung) einer reduzierten Gleichung z3+pz+q=0. Sie lautet

z=q2+(q2)2+(p3)33+q2(q2)2+(p3)33,

und wird im Folgenden hergeleitet.

Die Koeffizienten werden als reell angenommen. Im Unterschied zur quadratischen Lösungsformel kommen bei der kubischen Gleichung auch dann, wenn alle drei Lösungen reell sind, nicht-reelle komplexe Zahlen ins Spiel.

Herleitung der cardanischen Formel

Mit der Substitution z=u+v erhält man

z3=(u+v)3=u3+3uv(u+v)+v3=3uvz+u3+v3.

Im Vergleich mit der reduzierten Gleichung (also mit z3+pz+q=0 bzw. z3=pzq) erkennt man, dass die Unbekannten u und v folgende Nebenbedingungen erfüllen müssen:

3uv=pu3+v3=q

Setzt man t1=u3 und t2=v3, so folgt einerseits

t1t2=u3v3=(uv)3=(p3)3=p327,

andererseits

t1+t2=u3+v3=q.

Nach dem Satz von Vieta sind t1 und t2 die Lösungen der quadratischen Gleichung

t2+qtp327=0.

Das Polynom auf der linken Seite ist die Lagrange-Resolvente. Die Lösungen der Resolventengleichung ergeben sich aus der Lösungsformel für quadratische Gleichungen:

t1,2=q2±q24+p327

Im Folgenden wird die Abkürzung Ω:=(q2)2+(p3)3 verwendet. Ohne Beschränkung der Allgemeinheit sei

t1=q2+Ω,t2=q2Ω.

Wegen u3=t1 und v3=t2 gilt demnach

u=q2+Ω3 und v=q2Ω3.

Allerdings gibt es in im Allgemeinen drei mögliche Werte für eine Kubikwurzel. Die möglichen Werte lassen sich nicht unabhängig voneinander kombinieren. Sie müssen so gewählt werden, dass die Bedingung 3uv=p erfüllt ist. Nach dem Fundamentalsatz der Algebra ist dies immer möglich. Es wird nun angenommen, dass u und v die Bedingung erfüllen.

Die weiteren Werte der beiden Kubikwurzeln sind ζu und ζ2u bzw. ζv und ζ2v, wobei ζ eine primitive dritte Einheitswurzel ist. Wegen ζ3=1 muss ζu mit ζ2v kombiniert werden und ζ2u mit ζv. Auf diese Weise bleibt die Bedingung 3uv=p erfüllt.[12]

Die Lösungen der reduzierten Gleichung z3+pz+q=0 sind also:

z1=u+v,z2=ζu+ζ2v,z3=ζ2u+ζv.

Einzelfallbetrachtung für reelle Koeffizienten

Bei der Lösung einer reduzierten kubischen Gleichung mit reellen Koeffizienten treten im Wesentlichen drei Fälle auf. Zur Unterscheidung der Fälle kann man entweder die Diskriminante Δ verwenden, die als Differenzenquadrat

Δ=(z1z2)2(z1z3)2(z2z3)2

definiert ist, oder den in der Herleitung eingeführten Radikanden

Ω=(q2)2+(p3)3.

Wegen Δ=27q24p3 besteht ein einfacher Zusammenhang:

Δ=108Ω.

Zu beachten ist das entgegengesetzte Vorzeichen von Δ und Ω.

Diskriminante gleich null

Der Fall Δ=0 bzw. Ω=0 untergliedert sich in zwei Teilfälle:

Für p=0 und q=0 gibt es eine dreifache reelle Lösung, nämlich z=0.

Für p0 und q0 folgt aus der Lösungsformel zunächst u=v. Es folgt:

z1=2u=2q23=4q3=q3q243=q3p3273=3qp

Die weiteren Lösungen z2=ζu+ζ2u und z3=ζ2u+ζu stimmen überein. Es handelt sich also um eine zweifache reelle Lösung. Wegen ζ2+ζ+1=0 ergibt sich:

z2,3=u(ζ+ζ2)=u(1)=3q2p

Diskriminante negativ

Für Δ<0 bzw. Ω>0 können in der Lösungsformel u und v reell gewählt werden, sodass auch die Lösung z1=u+v reell ist. Die Lösungen z2,z3 sind dann nicht-reelle, konjugiert komplexe Zahlen.

z1=u+v,z2,3=u+v2±uv2i3

Alternativ zur Lösung durch Kubikwurzeln (also durch Radikale) ist in diesem Fall auch eine hyperbolische Behandlung der Gleichung möglich. Diese steht im Zusammenhang mit der Gleichung zur Flächendrittelung an der Hyperbel.

Diskriminante positiv

Für Δ>0 bzw. Ω<0 sind u und v in der Lösungsformel nicht-reelle komplexe Zahlen („casus irreducibilis“). Trotzdem erhält man drei reelle, voneinander verschiedene Lösungen.

Dritte Wurzeln aus nicht-reellen Zahlen galten zur Zeit Cardanos als sinnlos, da die mathematischen Begriffe zu ihrer Erfassung noch nicht entwickelt waren. Dennoch rechnete Cardano rein formal mit diesen Ausdrücken (also gemäß den üblichen Rechenregeln). So konnte er die drei Lösungen angeben, von denen er wusste, dass sie reell waren. Da dieser Lösungsweg das Terrain der anschaulichen, „reellen“ Zahlen verließ und die Lösung nicht auf reelle Radikale zurückführbar war, wurde dieser Fall casus irreducibilis genannt.[Anm 1]

Eine Möglichkeit, die Lösungen ohne Verwendung nicht-reeller Zahlen zu bestimmen, bietet die trigonometrische Behandlung der Gleichung nach Vieta. Diese steht im Zusammenhang mit der trigonometrischen Gleichung zur Winkeldrittelung.

Anmerkungen

  1. Der Begriff bezieht sich also nicht auf die Eigenschaft der Irreduzibilität von Polynomen, der ja auch erst später geprägt wurde. Dennoch gibt es eine begriffliche Koinzidenz: Wir wissen heute, dass reelle Nullstellen irreduzibler rationaler Polynome grundsätzlich nicht durch reelle Radikale dargestellt werden können – mit Ausnahme quadratischer (und linearer) Polynome; siehe dazu Bartel Leendert van der Waerden: Algebra I, Seite 194.

Literatur

Modern (ab 1900)

Historisch (vor 1900)

Einzelnachweise

  1. Siegfried Bosch: Algebra. Berlin, 2023, S. 3.
  2. Siegfried Bosch: Algebra. Berlin, 2023, S. 374.
  3. Siegfried Bosch: Algebra. Berlin, 2023, S. 4.
  4. Siegfried Bosch: Algebra. Berlin, 2023, S. 371.
  5. Guido Walz (Hrsg.): Lexikon der Mathematik. Band 1. 2. Auflage, Heidelberg 2017, S. 283.
  6. Zu den Details des Disputs und den Quellen dazu: Vorlage:Literatur
  7. Vorlage:Literatur
  8. Siegfried Bosch: Algebra. Berlin, 2023, S. 366.
  9. Jean-Pierre Escofier: Galois Theory. 2000, S. 38.
  10. Vorlage:Literatur
  11. Vorlage:Literatur
  12. Siegfried Bosch: Algebra. Berlin, 2023, S. 373.