Lie-Klammer

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Die Lie-Klammer ist ein Objekt aus der Mathematik, insbesondere aus dem Bereich der Algebra und der Differentialgeometrie. Die Lie-Klammer ist die multiplikative Verknüpfung in einer Lie-Algebra, also eine Art Multiplikation auf einer Menge mit einer besonderen algebraischen Struktur. Beispiele für eine solche Verknüpfung sind die triviale Lie-Klammer, der Matrix-Kommutator, das Kreuzprodukt oder die Poisson-Klammer. Benannt sind die Lie-Klammer und die Lie-Algebra nach dem Mathematiker Sophus Lie.

Definition

Sei V ein Vektorraum über dem Körper K. Eine innere Verknüpfung

[,]:V×VV,(x,y)[x,y],

heißt Lie-Klammer, falls sie die folgenden drei Eigenschaften besitzt:[1]

  • Sie ist bilinear, das heißt linear in beiden Argumenten. Es gilt also
[ax+by,z]=a[x,z]+b[y,z]
und
[z,ax+by]=a[z,x]+b[z,y]
für alle a,bK und alle x,y,zV.
  • Es gilt [x,x]=0 für alle xV.
  • Sie genügt der Jacobi-Identität, das heißt, es gilt
[x,[y,z]]+[y,[z,x]]+[z,[x,y]]=0
für alle x,y,zV.

Ein Vektorraum zusammen mit einer Lie-Klammer wird Lie-Algebra genannt.

Eigenschaften

Antisymmetrie

Aus der ersten und der zweiten Eigenschaft der Definition folgt die Antisymmetrie der Lie-Klammer, das heißt [x,y]=[y,x] für alle x,yV. Hat der Körper K nicht die Charakteristik 2, so kann man aus der Antisymmetrie alleine wieder die Eigenschaft [x,x]=0 herleiten. Dazu setzt man y=x.[1]

Flexibilität

Lie-Klammern sind im Allgemeinen nicht assoziativ, das heißt der Term [[x,y],z] muss nicht gleich dem Term [x,[y,z]] sein. Jedoch erfüllt die Lie-Klammer das Flexibilitätsgesetz, es gilt also [[x,y],x]=[x,[y,x]] für alle Elemente x,yV.

Beispiele

Triviale Lie-Klammer

Ist V ein beliebiger Vektorraum und sind a und b zwei Elemente des Raums, dann kann durch

[a,b]:=0

immer eine Lie-Klammer definiert werden. Vektorräume mit einer trivialen Lie-Klammer werden auch als abelsche Lie-Algebren bezeichnet.

Matrix-Kommutator

Seien A, B und C drei n×n-Matrizen mit Einträgen in einem Körper K (zum Beispiel dem Körper der reellen oder dem Körper der komplexen Zahlen). Der Kommutator [,] für quadratische Matrizen ist definiert durch

[A,B]:=ABBA,

wobei mit die Matrixmultiplikation bezeichnet wird. Für λ,μK gelten für den Kommutator die Rechenregeln

[λA+μB,C]=(λA+μB)CC(λA+μB)=λ(ACCA)+μ(BCCB)=λ[A,C]+μ[B,C],
[A,A]=AAAA=0 und
[A,[B,C]]+[B,[C,A]]+[C,[A,B]]=[A,BCCB]+[B,CAAC]+[C,ABBA]=A(BCCB)(BCCB)A+B(CAAC)(CAAC)B+C(ABBA)(ABBA)C=0.

Daher ist der Kommutator auf dem Raum der n×n-Matrizen eine Lie-Klammer.

Als konkretes Beispiel werden nun noch die Pauli-Matrizen

σ1=(0110),σ2=(0ii0),σ3=(1001).

über dem Körper der komplexen Zahlen betrachtet. Bildet man den Kommutator von σ1 und σ3, so gilt

[σ1,σ3]=σ1σ3σ3σ1=(0110)(1001)(1001)(0110)=(0110)(0110)=2i(0ii0)=2iσ2.

Kreuzprodukt

Vorlage:Hauptartikel

Für a,b3 ist das Kreuzprodukt

a×b=(a1a2a3)×(b1b2b3):=(a2b3a3b2a3b1a1b3a1b2a2b1)

eine Lie-Klammer. Im Vergleich zu den Beispielen zuvor wird diese Multiplikation normalerweise nicht mit Klammern notiert. Die Bilinearität und die Identität a×a=0 können direkt an der Definition abgelesen werden. Um die Jacobi-Identität zu erkennen, muss der Term

a×(b×c)+b×(c×a)+c×(a×b)

komponentenweise ausgerechnet werden.

Lie-Klammer von Vektorfeldern

Vorlage:Hauptartikel

Seien X und Y zwei Vektorfelder auf der n-dimensionalen glatten Mannigfaltigkeit M. Die Lie-Ableitung ist dann definiert durch

(XY)f=X(Y(f))Y(X(f)).

Dieser Operator (X,Y)XY erfüllt die definierenden Eigenschaften einer Lie-Klammer. Daher schreibt man auch [X,Y]:=XY.[2]

Jacobi-Klammer

Seien A ein kommutativer Ring, B eine kommutative Algebra über A und δ1,δ2Der(B) zwei Derivationen von B. Dann ist die durch

[δ1,δ2]:=δ1δ2δ2δ1

definierte Operation eine Lie-Klammer auf dem Raum der Derivationen. Sie wird Jacobi-Klammer genannt. Da die Vektorfelder aus dem vorigen Beispiel spezielle Derivationen sind und ihre Lie-Klammer entsprechend definiert ist, ist diese Lie-Klammer ein konkretes Beispiel für eine Jacobi-Klammer.[3]

Poisson-Klammer

Vorlage:Hauptartikel

Die Poisson-Klammer {,} ist eine zweistellige Operation, die auf der Algebra der glatten Funktionen operiert. Sie erfüllt die definierenden Eigenschaften einer Lie-Klammer und darüber hinaus noch die Produktregel

{fg,h}=f{g,h}+{f,h}g

für alle glatten Funktionen f, g und h. Oftmals werden Poisson-Klammern auf Funktionen angewandt, die von einer glatten Mannigfaltigkeit in die reellen Zahlen abbilden. Solche Mannigfaltigkeiten mit festgelegter Poisson-Klammer werden Poisson-Mannigfaltigkeiten genannt. Beispielsweise kann jede symplektische Mannigfaltigkeit auf natürliche Weise mit einer Poisson-Klammer versehen werden. In lokalen Koordinaten (q1,,qn,p1,,pn) hat die Poisson-Klammer die Darstellung

{f,g}=i=1n(fqigpifpigqi).

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Vorlage:Literatur
  2. R. Abraham, Jerrold E. Marsden, T. Ratiu: Manifolds, tensor analysis, and applications (= Applied mathematical sciences 75). 2. Auflage. Springer, New York NY u. a. 1988, ISBN 0-387-96790-7, S. 278–279.
  3. Vorlage:Literatur