Ergodentheorie

Aus testwiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Die Ergodentheorie ist ein Teilgebiet der Mathematik, das sowohl der Maßtheorie und Stochastik als auch der Theorie dynamischer Systeme zugeordnet wird. Die Ursprünge der Ergodentheorie liegen in der statistischen Physik. Der Name leitet sich von griechischen Vorlage:Lang und Vorlage:Lang ab. Einzelheiten des physikalischen Begriffs siehe Ergodizität.

Vorbereitungen

Beispiel einer (Lebesgue-) maßerhaltenden Abbildung: T:[0,1)[0,1) mit x2xmod1

Man nennt zu einem Wahrscheinlichkeitsraum (Ω,𝒜,P) eine messbare Abbildung T maßerhaltend, falls das Bildmaß von P unter T wieder P ist, d. h. P(T1(A))=P(A) für alle Mengen A aus der σ-Algebra 𝒜. Entsprechend heißt das 4-Tupel (Ω,𝒜,P,T) maßerhaltendes dynamisches System.

Eine Menge A heißt außerdem T-invariant, falls sie mit ihrem Urbild übereinstimmt, wenn also T1(A)=A gilt. Das Mengensystem aller T-invarianten Mengen bildet hierbei eine σ-Algebra. Analog dazu heißt eine Menge B quasi-invariant, falls die symmetrische Differenz der Menge mit ihrem Urbild bezüglich des Wahrscheinlichkeitsmaßes P eine Nullmenge bildet, also wenn gilt P(BT1(B))=0.

Definition

Eine maßerhaltende Transformation heißt nun ergodisch, falls für alle T-invarianten Mengen A gilt, dass P(A){0,1}. Die Mengen bilden also eine P-triviale σ-Algebra. Das 4-Tupel (Ω,𝒜,P,T) bestehend aus Wahrscheinlichkeitsraum (Ω,𝒜,P) und ergodischer maßerhaltender Abbildung T heißt dementsprechend ergodisches dynamisches System.

Neben dieser Definition gibt es eine Reihe äquivalenter Charakterisierungen. Falls (Ω,𝒜,P,T) ein maßerhaltendes dynamisches System ist, dann sind folgende Aussagen äquivalent:

  • (Ω,𝒜,P,T) ist ergodisches maßerhaltendes System.
  • Für jede quasi-invariante Menge A𝒜 gilt entweder P(A)=0 oder P(A)=1.
  • Jede -messbare Funktion f:Ω ist P-fast sicher konstant.
  • Für alle A,B𝒜 gilt: limn1nk=0n1P(ATk(B))=P(A)P(B).

Anwendungen

Mathematisch gesehen stellt der birkhoffsche Ergodensatz für ergodische Maßtransformationen eine Variante des starken Gesetzes der großen Zahlen dar. Dabei können durchaus auch abhängige Zufallsvariablen betrachtet werden. Dasselbe gilt für den Lp-Ergodensatz.

Beispiele ergodischer Abbildungen

Rotation auf dem Einheitskreis

Betrachte das System (Ω,𝒜,P,T) bestehend aus der Menge Ω=/, der Borel-σ-Algebra 𝒜=(Ω), dem Lebesguemaß P=λ und der Abbildung T:ΩΩ,xx+αmod1. Dieses System ist für alle α maßerhaltend. Es ist zudem genau dann ergodisch, wenn α nicht rational ist, sprich wenn gilt α.

Bernoulli-Shift

Auch beim Bernoulli-Shift handelt es sich um eine ergodische Abbildung: Betrachte den Grundraum der 0-1-Folgen Ω={0,1} mit zugehöriger Produkt-σ-Algebra 𝒜 und zugehörigem unendlichen Produktmaß P definiert durch Pi({0})=Pi({1})=12. Bei der Bernoulli-Abbildung T handelt es sich um dem Linksshift auf dem Grundraum Ω, das heißt T ist definiert als

T:{0,1}{0,1},T(x)n:=xn+1

Dann ist das 4-Tupel ({0,1},𝒜,P,T) ein ergodisches dynamisches System.

Gauß-Abbildung

Sei der Grundraum Ω=[0,1] und 𝒜=([0,1]) die entsprechende Borelsche σ-Algebra. Definiere die Gauß-Abbildung T durch

T:[0,1][0,1],T(x):={1xmod1x00x=0

Falls nun als Maß das Gaußmaß v(A):=1ln(2)A11+xdλ(x), A([0,1]), gewählt wird, so handelt es sich bei ([0,1],([0,1]),T,v) um ein ergodisches dynamisches System.

Geschichte

Die heute als Ergodensatz bekannte Übereinstimmung von Zeit- und Raummittel (Proportionalität der Aufenthaltswahrscheinlichkeit zum Volumen eines räumlichen Gebiets) wurde 1877 von Boltzmann formuliert und von Birkhoff 1932 mathematisch bewiesen, wobei man für den mathematischen Beweis eine Nullmenge von Punkten ausschließen muss. Vor Birkhoff hatten bereits von Neumann und Hopf einen L2-Ergodensatz bewiesen. Den ersten Ergodizitätsbeweis in einer speziellen Situation fand 1924 Artin für den geodätischen Fluss auf der Modulfläche. Neben ihrer ursprünglichen Herkunft aus der statistischen Physik hat Ergodentheorie heute Anwendungen in zahlreichen Gebieten der Physik und Mathematik bis hin zu Geometrie und Zahlentheorie.

Siehe auch

Literatur

Historisch

  • G. D. Birkhoff: Proof of the ergodic theorem, (1931), Proc Natl Acad Sci U S A, 17 S. 656–660. Vorlage:DOI Vorlage:JSTOR
  • J. von Neumann: Proof of the Quasi-ergodic Hypothesis, (1932), Proc Natl Acad Sci USA, 18 S. 70–82. Vorlage:DOI Vorlage:JSTOR
  • J. von Neumann: Physical Applications of the Ergodic Hypothesis, (1932), Proc Natl Acad Sci USA, 18 S. 263–266. Vorlage:DOI Vorlage:JSTOR
  • E. Hopf: Statistik der geodätischen Linien in Mannigfaltigkeiten negativer Krümmung, (1939) Leipzig Ber. Verhandl. Sächs. Akad. Wiss. 91, S. 261–304.
  • S. V. Fomin and I. M. Gelfand: Geodesic flows on manifolds of constant negative curvature, (1952) Uspehi Mat. Nauk 7 no. 1. S. 118–137.
  • F. I. Mautner: Geodesic flows on symmetric Riemann spaces, (1957) Ann. of Math. 65 S. 416–431. Vorlage:JSTOR
  • C. C. Moore: Ergodicity of flows on homogeneous spaces, (1966) Amer. J. Math. 88, S. 154–178. Vorlage:JSTOR

Modern