Artin-Schreier-Theorie

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Die Artin-Schreier-Theorie gehört in der Mathematik zur Körpertheorie. Für Körper positiver Charakteristik p beschreibt sie abelsche Galois-Erweiterungen vom Exponenten p und ergänzt damit die Kummer-Theorie. Sie ist benannt nach Emil Artin und Otto Schreier.[1]

Motivation: zyklische Erweiterungen vom Grad p

Sei K ein Körper der Charakteristik p. Der Ausgangspunkt der Artin-Schreier-Theorie ist das Artin-Schreier-Polynom

fa(X)=XpXa

für ein aK. Aus dem kleinen Satz von Fermat oder abstrakter aus den Eigenschaften des Frobeniushomomorphismus folgt: Für c𝔽p=/p ist fa(X+c)=fa(X). Daraus ergibt sich: Ist ω eine Nullstelle von fa(X) in einem Erweiterungskörper von K, dann sind die weiteren Nullstellen ω+1,ω+2,,ω+(p1). Hat fa(X) keine Nullstelle in K, ist es folglich irreduzibel, und der Erweiterungskörper K(ω)/K ist galoissch mit Galois-Gruppe /p, erzeugt von ωω+1.

Sei umgekehrt L/K eine Galois-Erweiterung vom Grad p und σ ein Erzeuger der Galois-Gruppe. Nach dem Normalbasissatz existiert ein xL, sodass x,σx,,σp1x eine Basis von L als K-Vektorraum ist. Nach Konstruktion ist die Spur

SpurL/K(x)=x+σx++σp1x

nicht 0. Setze

ω=1SpurL/K(x)k=1p1kσkx.

Dann ist

σ(ω)=1SpurL/K(x)k=1p1kσk+1x=1SpurL/K(x)(k=0p1(k+1)σk+1xk=0p1σk+1x)=1SpurL/K(x)k=1pkσkx+1=ω+1

und folglich

σ(ωpω)=(σω)pσω=(ω+1)p(ω+1)=ωpω.

Daher ist a=ωpω invariant unter der Galois-Gruppe, liegt also in K.

Das so konstruierte Element aK hängt von der Wahl von x ab, aber in kontrollierter Weise: Ist ω1L ein anderes Element mit σω1=ω1+1, dann ist σ(ωω1)=(ω+1)(ω1+1)=ωω1, also ist ω1=ω+d mit einem Element dK, und

ω1pω1=(ω+d)p(ω+d)=ωp+dpωd=a+(dpd).

Folglich ist die Restklasse von a modulo {dpd:dK} eindeutig bestimmt.

Resultate

Sei K ein Körper der Charakteristik p>0.

  • Sei K={dpd:dK}. Die Abbildung, die einem Element aK den Zerfällungskörper des Polynoms XpXa zuordnet, induziert eine Bijektion von (K/K){0} auf die Menge der Isomorphieklassen von Galois-Erweiterungen von K vom Grad p.

Die allgemeinere Fassung von Ernst Witt lautet:[2]

  • Sei Ksep ein separabler Abschluss von K und :KsepKsep der additive Gruppenhomomorphismus xxpx. Dann gibt es die folgende explizite Bijektion zwischen der Menge der Untergruppen von K/K und der Menge der (nicht notwendigerweise endlichen) abelschen Erweiterungen von K vom Exponenten p (d. h. für jedes Element σ der Galoisgruppe gilt σp=id): Eine Untergruppe von ΔK/K werde mit ihrem Urbild in K identifiziert. Dann ist K(1(Δ))/K die zugehörige abelsche Erweiterung vom Exponenten p. Für endliche Untergruppen ΔK/K ist [K(1(Δ)):K]=|Δ|. Die Umkehrabbildung ordnet einer Erweiterung L/K die Gruppe (KL)/K zu.

Galoiskohomologische Interpretation

Sei weiterhin K ein Körper der Charakteristik p, Ksep ein separabler Abschluss von K und :KsepKsep, xxpx. Sei außerdem GK=Gal(Ksep/K) die absolute Galoisgruppe von K. Das Polynom XpXa ist für jedes aKsep separabel, weil seine Ableitung pXp11=1 ist. Deshalb ist der Homomorphismus :KsepKsep surjektiv. Sein Kern ist 𝔽p=/p. Man erhält also eine kurze exakte Sequenz von GK-Moduln:

0/pKsepKsep0.

Sie induziert in der Galoiskohomologie eine lange exakte Sequenz

0/pKKHom(GK,/p)H1(GK,Ksep)=0.

Dabei wurde verwendet:

  • H0(GK,Ksep)=K.
  • H1(GK,/p)=Hom(GK,/p) (stetige Homomorphismen), weil GK trivial auf /p operiert.
  • H1(GK,Ksep)=0, weil H1(GK,Ksep)=limH1(Gal(L/K),L) über alle endlichen Galois-Erweiterungen von K ist. Mit einer Verallgemeinerung des oben angegebenen Arguments mit dem Normalbasissatz kann man H1(Gal(L/K),L)=0 zeigen.

Für die Betrachtung von Erweiterungen vom Grad p ist die allgemeine Aussage aber nicht erforderlich: Sei L/K eine Galois-Erweiterung vom Grad p. Dann ist Gal(L/K)/p, und durch Verkettung mit der Projektion GKGal(L/K) erhält man einen Homomorphismus h:GK/p. Mit der Einbettung /pKsep erhält man einen 1-Kozykel cH1(GK,Ksep), der aber schon in der Untergruppe H1(Gal(L/K),L) liegt. Das oben konstruierte Element ωL hat die Eigenschaft c(σ)=σωω für alle σGal(L/K), also ist c ein 1-Korand. Die allgemeine gruppenkohomologische Konstruktion zeigt, dass (ω) ein Urbild von h unter dem Verbindungshomomorphismus ist.

Ist umgekehrt aK gegeben, kann man ein Urbild ω1(a) wählen, und der Homomorphismus h:GK/p ist h(σ)=σωω. Der Kern von h und L=K(ω) entsprechen einander unter der Galois-Korrespondenz.

Also ist der sich aus der langen exakten Sequenz ergebende Isomorphismus K/KHom(GK,/p) mit der weiter oben erläuterten expliziten Konstruktion identisch.

Für die allgemeinere Aussage über Untergruppen muss man noch Untergruppen von Hom(GK,/p) mit Erweiterungen vom Exponenten p identifizieren: Einer Untergruppe ΔHom(GK,/p) entspricht der Fixkörper von hΔker(h), einer abelschen Erweiterung L/K vom Exponenten p entspricht die Untergruppe der Homomorphismen, die über den Quotienten GKGal(L/K) faktorisieren.

Artin-Schreier-Symbol und Klassenkörpertheorie

Das Artin-Schreier-Symbol ist eine Ergänzung zum Potenzrestsymbol und dient wie dieses der expliziten Beschreibung der lokalen Reziprozitätsabbildung und führt so zu einer Teilaussage des Existenzsatzes der lokalen Klassenkörpertheorie. Sei K ein lokaler Körper der Charakteristik p>0, d. h. isomorph zu einem formaler Laurentreihenkörper 𝔽q((T)) für eine Potenz q=pe. Das Artin-Schreier-Symbol entsteht aus der kohomologischen Paarung

K/K×GK/p

durch Verkettung mit der Reziprozitätsabbildung (,*/K):K*GKab. Ist aK und ωKsep mit (ω)=a und bK*, dann gilt:

[a,b)=(b,*/K)ωω.

Das Artin-Schreier-Symbol induziert eine nicht ausgeartete Bilinearform

K/K×K*/(K*)p/p.

Weitere Eigenschaften sind:

  • Es gilt [a,b)=0 genau dann, wenn b eine Norm in der Erweiterung K(ω)/K ist.
  • Es gilt [a,a)=0 für alle aK*.

Das Artin-Schreier-Symbol hat die folgende explizite Beschreibung: Sei dT ein Symbol, Ω=𝔽q((T))dT der eindimensionale, von dT aufgespannte Vektorraum sowie

d:𝔽q((T))Ω,  anTn(annTn1)dT

und die Residuenabbildung

res:Ω𝔽q,  (anTn)dTa1.

(Die Konstruktion ist unabhängig vom Isomorphismus K𝔽q((T)).) Für aK und bK* ist dann:[3]

[a,b)=Spur𝔽q/𝔽p res(adbb).

Aus dieser Formel kann man nachweisen, dass das Artin-Schreier-Symbol wie behauptet nicht ausgeartet ist. Daraus folgt, dass ein Element in K*, das für jede Galois-Erweiterung L/K vom Grad p in der Normengruppe NL/KL* liegt, eine p-te Potenz ist. Daraus folgt, dass der Schnitt aller Normengruppen trivial ist, ein wesentlicher Schritt (je nach Zugang) im Beweis des lokalen Existenzsatzes.[4]

Die lokalen Artin-Schreier-Symbole lassen sich auch zu einer globalen Paarung

𝔸K/𝔸K×IK/IKp/p

(dabei 𝔸K der Adelring und IK=𝔸K* die Idelgruppe) zusammensetzen und für den Beweis des globalen Existenzsatzes im Funktionenkörperfall benutzen.[5]

Geometrische Sichtweise

Im Zentrum der geometrischen Betrachtung steht der Artin-Schreier-Morphismus

=F1:𝔾a𝔾a,

der als Lang-Isogenie für die additive Gruppe 𝔾a=𝔸1 aufgefasst werden kann (F ist der relative Frobeniusmorphismus). ist eine (zusammenhängende und mithin nicht triviale) étale Galois-Überlagerung mit Gruppe /p. Die Existenz von zeigt, dass die geometrische étale Fundamentalgruppe der affinen Geraden nicht trivial ist, im Unterschied zur Situation in Charakteristik 0.

Ein Körperelement aK entspricht einem Morphismus a:Spec K𝔾a, und die Faser von über a ist entweder der triviale /p-Torsor oder die durch das Polynom XpXa definierte Artin-Schreier-Erweiterung von K.

Zum Artin-Schreier-Torsor assoziierte Garben sind relevant für die Fourier-Deligne-Transformation.[6]

Artin-Schreier-Witt-Theorie

Die hier skizzierte Theorie verallgemeinert die Artin-Schreier-Theorie auf Erweiterungen, deren Exponent eine Potenz von p ist. Sie ist der Inhalt der Arbeit von Witt, in der er die Wittvektoren einführt.[7] Der erste Teil ist eine allgemeine Aussage über abelsche Erweiterungen von Körpern der Charakteristik p, der zweite Teil eine explizite Beschreibung eines Teils der lokalen Klassenkörpertheorie im Fall von Funktionenkörpern.

Sei wieder K ein Körper der Charakteristik p, Ksep ein separabler Abschluss von K und GK=Gal(Ksep/K) die absolute Galois-Gruppe von K. Sei Wn die Gruppe der p-typischen Wittvektoren der Länge n und F der Frobeniushomomorphismus

(x0,,xn1)(x0p,,xn1p).

Mit

:Wn(Ksep)Wn(Ksep),  xF(x)x

ist

0/pnWn(Ksep)Wn(Ksep)0

eine exakte Sequenz von GK-Moduln, wobei /pnWn(𝔽p) verwendet wurde. Die Galois-Kohomologie H1(GK,Wn) verschwindet, weil die Quotienten bezüglich der V-Filtrierung isomorph zu Ksep sind und H1(GK,Ksep)=0 gilt (siehe oben). Also ist H1(GK,/pn)Wn(K)/Wn(K), und wie oben erhält man daraus eine Korrespondenz zwischen abelschen Erweiterungen, deren Exponent ein Teiler von pn ist, und Untergruppen von Wn(K)/Wn(K).[8]

Sei K𝔽q((T)) ein lokaler Körper (formale Laurentreihen). Zu einem Wittvektor aWn(K) und einem Körperelement bK* definiert Witt eine zentrale einfache Algebra A[a,b), die von u und den kommutierenden Elementen v0,,vn1 mit den Relationen

upn=b, (v)=a, vu=v+1

erzeugt wird. Dabei wird mit v=(v0,,vn1) als einem Wittvektor gerechnet, und vu steht für den Wittvektor (uv0u1,,uvn1u1). Sei ωWn(Ksep) mit (ω)=a und L=K(ω)=K(ω0,,ωn1), außerdem (,L/K) die Reziprozitätsabbildung. Das Artin-Schreier-Witt-Symbol ist definiert als

[a,b)=(b,L/K)(ω)ωWn(𝔽p)1pn//;

es ist eine nichtausgeartete bilineare Paarung

Wn(K)/Wn(K)×K*/(K*)pn/.

Es ist [a,b)=0 genau dann, wenn bNL/K(K*) gilt. Der Wert des Symbols ist gleich der Invariante der zentralen einfachen Algebra: [a,b)=inv(A[a,b)). Witt gibt auch eine Beschreibung der Invariante als ein auf Wittvektoren von Laurentreihen fortgesetztes Residuum.[9]

Literatur

Fußnoten

  1. Die Originalarbeit ist: Vorlage:Literatur
  2. Roquette 2001, Kap. 7.2. Die Originalarbeit ist: Vorlage:Literatur
  3. Formel erstmals angegeben von Hermann Ludwig Schmid, siehe Roquette 2001, Kap. 7.1. Die Originalarbeit ist: Vorlage:Literatur
  4. Serre 1979, XIV §6
  5. Vorlage:Literatur Vorlage:Literatur
  6. Vorlage:Literatur
  7. Vorlage:Literatur
  8. Vorlage:Literatur Vorlage:Literatur
  9. Siehe auch: Vorlage:Literatur