Winkel in der bernoullischen Lemniskate

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Winkel an der Lemniskate von Bernoulli

Auf den Mathematiker Gerhard Christoph Hermann Vechtmann geht eine Winkelbeziehung in der bernoullischen Lemniskate zurück, welche dem italienischen Mathematikhistoriker Gino Loria zufolge als sehr bemerkenswert anzusehen ist. Vechtmann hat diese in seiner Dissertation im Jahre 1843 vorgestellt.[1][2]

Darstellung der Winkelbeziehung

Sie lässt sich angeben wie folgt:[1][2]

Gegeben sei in der euklidischen Ebene eine bernoullische Lemniskate 𝔏 mit den beiden definierenden Brennpunkten F1 und F2 und dem Zentrum O.
Weiter gegeben sei ein Punkt P𝔏, der nicht auf der Verbindungsgeraden g durch F1 und F2 gelegen sei.
Die Normale nP zu 𝔏 im Punkte P schneide g in dem Punkt R.
Dann gilt:
Der beim Punkt R am Dreieck POR anliegende Außenwinkel ist dreimal so groß wie der beim Zentrum O gelegene Innenwinkel.

Anmerkungen

Bild 1: Konstruktion der Tangente t durch Punkt P
Verbinde Punkt P mit O und bestimme 2α mittels beliebigem Kreisbogen um O, gleichem Kreisbogen um P und doppeltem Abstand |AB|. Die Normale n zur Lemniskate 𝔏 schneidet OF2 in R. Die abschließende Tangente t ist eine Senkrechte zu n.
Bild 2: Lemniskate von Bernoulli
Wie das Beispiel zeigt, ist bei gegebener Winkelweite 3α die Winkelweite am Scheitel P ungleich 2α.
  • Die genannte Winkelbeziehung ist nach dem Außenwinkelsatz gleichbedeutend damit, dass der zugehörige Innenwinkel beim Punkt P doppelt so groß ist wie besagter Zentrumswinkel.[2]
  • Laut Gino Loria ist die Winkelbeziehung insofern bemerkenswert (Bild 1), als sie nicht nur eine leichte Konstruktionsmethode für die Normale in einem beliebigen Punkte der Lemniskate liefert (und daher auch für die Tangente), sondern auch beweist, daß das Problem der Dreiteilung des Winkels der Hauptsache nach identisch mit dem ist, an eine Lemniskate eine Normale bzw. eine Tangente von gegebener Richtung zu ziehen.[1]
  • Auch wenn es im ersten Moment den Anschein hat, die bernoullische Lemniskate wäre für die Dreiteilung eines beliebigen Winkels geeignet, dem ist nicht so (Bild 2). Bei einer vorgegebenen Winkelweite 3α ist die Winkelweite am Scheitel P ungleich 2α und damit auch die Richtung des Winkelschenkels PC bestimmt. Dies bedeutet, würde man eine Senkrechte auf den Winkelschenkel PC durch P errichten, würde diese die Lemniskate 𝔏 zweimal schneiden; einmal in P und einmal z. B. in einem Punkt P2. Wie im vorherigen Absatz bereits beschrieben, besteht konstruktiv keine Möglichkeit an eine Lemniskate „...eine Tangente von gegebener Richtung zu ziehen.“ Der Scheitel P mit der Winkelweite 2α ist demzufolge bei einer gegebenen Winkelweite 3α90 nicht darstellbar.

Beweis nach Loria

Der von Loria gegebene Beweis beruht wesentlich auf den beiden Gleichungen der Lemniskate und auf den Additionstheoremen für Vielfachwinkel von Sinus und Kosinus und geht wie folgt:

Es wird die Normalform der Lemniskate als gegeben angenommen, bei der die Gerade g mit der Abszissenachse zusammenfällt und das Zentrum mit dem Koordinatenursprung.

Die definierende Gleichung von 𝔏 in kartesischen Koordinaten lässt sich dann schreiben als

(I) (x2+y2)22a2(x2y2)=0

und die in Polarkoordinaten in der Form

(II) r2=2a2cos(2α)

mit α als Polarwinkel und r=x2+y2 als Abstand zum Koordinatenursprung.

Aus Symmetriegründen genügt es, den Satz für denjenigen Teil der Lemniskate, welcher im ersten Quadranten gelegen ist, also für xy>0 und r>0,0<α<π4 zu zeigen, und es ist weiterhin ausreichend, den Nachweis der behaupteten Gleichung allein zu führen für απ6  , also unter Ausschluss des dortigen Hochpunktes, bei dem die Tangente an die Lemniskate parallel und die zugehörige Normale senkrecht zur Abszissenachse verlaufen. Denn für diesen Ausnahmefall folgt die Gleichung dann aus Stetigkeitsgründen.

Es sei nun besagter Außenwinkel mit ψ bezeichnet.

Indem man in Rechnung stellt, dass einerseits im ersten Quadranten besagter Zentrumswinkel und der Polarwinkel des Punktes bei der Darstellung in Polarkoordinaten zusammenfallen und dass andererseits die reelle Tangensfunktion im punktierten Intervall ]0,π[{π2} injektiv ist, sieht man, dass allein die Gleichung

tan(ψ)=tan(3α)

zu zeigen ist.

Der Beweis dieser Gleichung verläuft nun in mehreren Rechenschritten:

Zunächst erhält man vermöge impliziter Differentiation aus (I)

(x2+y2)(x+yy')a2(xyy')=0

und daraus

y'=a2(x2+y2)a2+(x2+y2)xy  .

Nun ist

tan(ψ)=1y'

und wegen r2=x2+y2 und yx=sinαcosα ergibt sich dann die Gleichung

tan(ψ)=a2+r2a2r2sinαcosα  .

und wegen (II) weiter

tan(ψ)=a2+2a2cos(2α)a22a2cos(2α)sinαcosα=1+2cos(2α)12cos(2α)sinαcosα=1+2cos(2α)2cos(2α)1sinαcosα  .

Da man zugleich cos(2α)=12sin2(α)=2cos2(α)1 hat, folgt weiter

tan(ψ)=34sin2(α)4cos2(α)3sinαcosα=3sinα4sin3(α)4cos3(α)3cosα  .

Schließlich ist dann wegen der erwähnten Vielfachwinkelgleichungen

tan(ψ)=sin(3α)cos(3α)=tan(3α)

und alles ist gezeigt.

Literatur

Einzelnachweise und Fußnoten

  1. 1,0 1,1 1,2 Gino Loria: Spezielle algebraische und transzendente ebene Kurven. Theorie und Geschichte. Leipzig, Druck und Verlag B. G. Teubner 1902. (S. 202, auf archive.org)
  2. 2,0 2,1 2,2 Alexander Ostermann, Gerhard Wanner: Geometry by Its History. Springer, 2012, S. 207-208