Lemniskate von Bernoulli

Aus testwiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Lemniskate mit durch die definierenden Punkte F1 und F2 gelegter Abszisse
Konstruktion einer Lemniskate durch einen Lemniskatenlenker.AC=BD=2a,CD=2a

Die Lemniskate von Bernoulli, benannt nach dem Schweizer Mathematiker Jakob I Bernoulli, ist eine von mehreren als Lemniskate bezeichneten algebraischen Kurven vierter Ordnung und Spezialfall einer Cassinischen Kurve. Ihr Graph hat wie alle Lemniskaten die Form einer geschlossenen Acht. Meist ist mit „Lemniskate“ die von Bernoulli gemeint. Der Anwendung als Lemniskatenlenker liegt auch die Lemniskate von Bernoulli zugrunde.

Definition

Die Lemniskate von Bernoulli wird durch folgende geometrische Eigenschaft definiert:

Gegeben seien eine positive reelle Zahl a und zwei Punkte F1 und F2 im Abstand von 2a voneinander. Die Lemniskate mit den Parametern (a,F1,F2) ist dann der geometrische Ort aller Punkte P, für die gilt[1]
F1PF2P=a2.

Gleichungen

Es sei der Einfachheit halber vorausgesetzt, dass die Punkte F1 und F2 auf der Abszisse liegen und die Mitte zwischen ihnen gerade der Koordinatenursprung ist.

Eigenschaften

Lemniskate als am Kreis gespiegelte Hyperbel
Lemniskate als Fußpunkt-Transformation einer Hyperbel

Die Lemniskate von Bernoulli hat die folgenden Eigenschaften:

  • Sie ist achsensymmetrisch zur Verbindungsgeraden von F1 und F2.
  • Sie ist achsensymmetrisch zur Mittelsenkrechten zwischen F1 und F2
  • Sie ist punktsymmetrisch zum Mittelpunkt zwischen F1 und F2
  • Auf der Verbindungsgeraden von F1 und F2 liegen von allen Punkten der Lemniskate nur der Mittenpunkt zwischen F1 und F2 und die diesem fernsten beiden Kurvenpunkte (±a2|0).
  • Der Mittelpunkt zwischen F1 und F2 ist ein Doppelpunkt der Kurve, er wird also zweimal durchlaufen. Er ist kein Berührungspunkt, sondern ein Schnittpunkt. Die beiden Tangenten in ihm schneiden die Verbindungsgerade von F1 und F2 in einem Winkel von 45°.
  • Ein Kreis um den Ursprung mit Radius a schneidet sie in ihren Extremwerten, die bei (±3a2|±a2) liegen.
  • Die Lemniskate ist die geometrisch am Kreis invertierte Kurve einer gleichseitigen Hyperbel.

Fläche

Quadratur der Lemniskate: A = 2·a²
  • Die beiden von der Lemniskate eingeschlossenen Teilflächen haben jeweils den Flächeninhalt a2.

Bogenlänge

Die Gesamtbogenlänge der Lemniskate ist linear in a und kann unter Verwendung des von Giulio Carlo Fagnano dei Toschi um 1750 untersuchten elliptischen Integrals

F(x)=def0xdt1t4

explizit angegeben werden als

22a11dt1t4=42aF(1)

oder, mit Verwendung der im Jahr 1798 von Carl Friedrich Gauß eingeführten lemniskatischen Konstante

ϖ=def201dt1t4=2,62205755429211981,

als

22aϖ=aΓ(14)2/π,

was ungefähr 7,416a ist.

Die Untersuchungen von Fagnano waren über Leonhard Euler, der sie 1750 aufgriff, als er Fagnanos Werke durchsah für dessen beantragte Aufnahme in die Berliner Akademie, der Ursprung der Theorie Elliptischer Integrale, woraus im 19. Jahrhundert die Theorie Elliptischer Funktionen entstand (Carl Gustav Jacobi, Niels Henrik Abel), da der Abstand r eine elliptische Funktion der Bogenlänge u ist, ebenso wie für a=1 die Funktion Weierstraß-p mit der geeigneten Substitution s(u)=1/r(u)2=(u;4,0)=u.

Das betrachtete Integral in der etwas allgemeineren Form:

dta2t4

wird als Lemniskaten-Integral betrachtet und tauchte schon bei Jakob I Bernoulli 1691 auf (veröffentlicht 1694) im Rahmen der Elastizitätstheorie (curva elastica).[2] Bernoulli kannte auch den Zusammenhang mit der Lemniskate. Carl Friedrich Gauß untersuchte das Lemniskaten-Integral ebenfalls wahrscheinlich unabhängig von Euler und Fagnano und erzielte tiefliegende Resultate über elliptische Integrale und Funktionen (unveröffentlicht), über die zahlentheoretischen Aspekte der Lemniskate (Disquisitiones Arithmeticae und in seinem Tagebuch), was besonders von André Weil herausgestellt wurde, und er fand die Möglichkeit der gleichmäßigen Teilung der Lemniskate mit Zirkel und Lineal in fünf Teile. Allgemeiner ist die Möglichkeit dieser Teilung dieselbe wie am Kreis auch.

Krümmung

Die Krümmung der Lemniskate lässt sich in Polarkoordinaten als κ(φ)=32a2r(φ) angeben, ist also stets proportional zu ihrem Abstand r. In obiger Parameterdarstellung wird diese Kurve jedoch anders durchlaufen. Hier ist κ(t)>0 für t<π und κ(t)<0 für t>π. Ist sie gar in impliziter kartesischer Form gegeben, lässt sich über das Vorzeichen der Krümmung nichts aussagen – da kein Durchlaufsinn gegeben ist –, und somit nur ihr absoluter Betrag bestimmbar ist. Fordert man ein möglichst natürliches Durchlaufen – differentialgeometrisch möglichst glatt, analytisch also Existenz von möglichst hohen Ableitungen nach der Bogenlänge längs des Kurvenweges – werden die beiden Schlaufen der Kurve jeweils andersherum durchlaufen und das Vorzeichen der Krümmung der Lemniskate ändert sich somit beim Durchgang der Kurve durch den Nullpunkt.

Vorkommen

Die Lemniskate tritt als Bewegungskurve im Wattschen Parallelogramm bzw. Wattgestänge auf sowie bei der Lemniskatenanlenkung eines Eisenbahnradsatzes.

Andere Lemniskaten

Die Lemniskate von Gerono ist eine weitere Lemniskate. Sie ist eine spezielle Lissajous-Figur.

Symbolik in der Freimaurerei

Die Freimaurerei kennt die Lemniskate als Symbol für die weltweite Bruderkette. Die Schleife wird mit der Zwölfknotenschnur oder auch beim Vereinigungsband (Liebesseil) gebildet. Man findet sie beispielsweise auf den sogenannten Arbeitsteppichen der kontinentaleuropäischen Johannislogen.

Siehe auch

Literatur

Vorlage:Commonscat Vorlage:Wiktionary

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 Vorlage:Literatur
  2. Raymond Ayoub, The lemniscate and Fagnano’s contributions to elliptic integrals, Arch. Hist. Exact Sci., Band 29, 1984, S. 131–149