Trennung der Veränderlichen

Aus testwiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Proportionale Differentialgleichung Erster Ordnung lösen[1] durch Trennung der Veränderlichen.[2]
Lineare Differentialgleichung lösen[3] durch Trennung der Veränderlichen.[2]

Die Methode der Trennung der Veränderlichen, Trennung der Variablen, Separationsmethode oder Separation der Variablen ist ein Verfahren aus der Theorie der gewöhnlichen Differentialgleichungen. Mit ihr lassen sich separierbare Differentialgleichungen erster Ordnung lösen. Das sind Differentialgleichungen, bei denen die erste Ableitung ein Produkt aus einer nur von x und einer nur von y abhängigen Funktion ist: y=f(y)g(x). Der Begriff „Trennung der Veränderlichen“ geht auf Johann I Bernoulli zurück, der ihn 1694 in einem Brief an Gottfried Wilhelm Leibniz verwendete.[4]

Ein ähnliches Verfahren für bestimmte partielle Differentialgleichungen ist der Separationsansatz. Ein wichtiger Anwendungsfall in Koordinatensystemen, deren Koordinatenflächen konfokale Quadriken sind, ist die Laplace- und die Helmholtz-Gleichung, siehe dort.

Lösung des Anfangswertproblems

Wir untersuchen das Anfangswertproblem

y(x)=f(y(x))g(x) , y(x0)=y0

für stetige (reelle) Funktionen f und g. Falls f(y0)=0, so wird dieses Anfangswertproblem durch die konstante Funktion y(x):=y0 gelöst. Diese Lösung muss unter den angegebenen Bedingungen nicht eindeutig sein.

Formulierung des Satzes

Voraussetzungen

U sei ein offenes Intervall, y0U und f:U eine stetige Funktion mit f(x)0 für alle xU. Dann gilt nach dem Zwischenwertsatz entweder f(x)>0 für alle xU, oder f(x)<0 für alle xU. Also ist die Funktion

Φ:Uyy0y1f(s)ds

streng monoton (das folgt aus dem Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung und dem Mittelwertsatz). Das heißt, Φ ist injektiv und es gibt die Umkehrfunktion Φ1:Φ(U)U.
Ferner sei V ein offenes Intervall, x0V und g:V eine stetige Funktion. Dann ist die Funktion

h:Vxx0xg(s)ds

wohldefiniert und differenzierbar. Wir wollen die Lösungsmenge M des Anfangswertproblems bestimmen:

M:={uC1(V,U):u(x0)=y0 und u=(fu)g}

Der Satz

Unter den oben genannten Voraussetzungen gilt:

M={uC1(V,U):Φu=h}

Das heißt, im Fall h(V)Φ(U) hat das Anfangswertproblem genau eine Lösung – nämlich die Funktion Φ1h – und andernfalls ist M leer.

Beweis

Sei N:={uC1(V,U):Φu=h}. Wir beweisen zuerst MN und dann NM:

1.

Sei uM, dann gilt nach der Substitutions-Regel

h(x)=x0xg(s)ds=x0xu(s)f(u(s))ds=u(x0)u(x)1f(y)dy=y0u(x)1f(y)dy=Φ(u(x))Φ(U)

für alle xV, also Φu=h.

2.

Nun bleibt zu zeigen, dass für den Fall h(V)Φ(U) das einzige Element von N – die Funktion Φ1h – eine Lösung des Anfangswertproblems ist, also Φ1hM gilt: Nach der Kettenregel, der Umkehrregel und dem Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung gilt

(Φ1h)(x)=(Φ1)(h(x))h(x)=1Φ(Φ1(h(x)))h(x)=1Φ(u(x))h(x)=f(u(x))g(x)

für alle xV. Natürlich ist u(x0)=y0.

Bemerkung

D und D seien Teilmengen der reellen Zahlen, f:D und g:D stetige Funktionen, x0 sei ein innerer Punkt von D, y0 ein innerer Punkt von D und f(y0)0. Dann gilt:

Ist f(y0)>0 (f(y0)<0), dann gibt es wegen der Stetigkeit von f ein y0 umfassendes offenes Intervall U mit f(y)>0 (f(y)<0) für alle yU. Weil Φ auf U stetig ist, ist Φ(U) nach dem Zwischenwertsatz ein Intervall und es gilt h(x0)=0=Φ(y0). Deswegen gibt es ein x0 umfassendes offenes Intervall V, sodass die Abbildung

xx0xg(s)ds

für alle xV Werte in Φ(U) hat. Das heißt, die Restriktionen f|U und g|V erfüllen die Bedingungen des oben formulierten Satzes.

Beispiel

Gesucht sei die Lösung y des Anfangswertproblems

y=xy2+x , y(0)=1.

Hierbei handelt es sich um eine Differentialgleichung mit getrennten Variablen:

y=x(y2+1).

Setze also

Φ(y):=1y11+s2ds=arctanyarctan1=arctanyπ4.

Die Umkehrfunktion lautet

Φ1(y)=tan(y+π4).

Also ist die Lösung des Anfangswertproblems gegeben durch

y(x)=tan(0xsds+π4)=tan(x22+π4).

Differentiale als anschauliche Rechenhilfe

Anschaulich besagt der Satz von der Trennung der Veränderlichen, dass das folgende Vorgehen erlaubt ist, d. h. zu richtigen Ergebnissen führt (obwohl die Differentiale dx und dy eigentlich nur Symbole sind, mit denen man streng genommen nicht rechnen kann):

  • Schreibe die Ableitung konsequent als dydx.
  • Bringe alle Terme, in denen ein x vorkommt – einschließlich des dx – auf die rechte, und alle anderen – einschließlich des dy – auf die linke Seite, unter Anwendung gewöhnlicher Bruchrechnung.
  • Es sollte dann links im Zähler ein dy und rechts im Zähler ein dx stehen.
  • Setze einfach vor beide Seiten ein Integralsymbol und integriere.
  • Löse die Gleichung gegebenenfalls nach y auf.
  • Ermittle die Integrationskonstante C mithilfe der Anfangsbedingung.

Die Rechnung für das obige Beispiel würde dann auf folgende Weise ablaufen:

dydx=xy2+xdy1+y2=xdxarctan(y)=x22+Cy=tan(x22+C)

mit 1=y(0)=tan(C), also C=arctan(1)=π4.

Computerprogramm

Die CAS-Software Xcas kann Trennung der Veränderlichen mit folgendem Befehl[5] durchführen: split((x+1)*(y-2),[x,y]) = [x+1,y-2]

Literatur

Einzelnachweise

  1. Vorlage:Internetquelle
  2. 2,0 2,1 Vorlage:Internetquelle
  3. Vorlage:Internetquelle
  4. Harro Heuser: Gewöhnliche Differentialgleichungen. Einführung in Lehre und Gebrauch. 2. Auflage. Teubner, Stuttgart 1991, ISBN 3-519-12227-8, S. 128
  5. Vorlage:Internetquelle