Zwischenwertsatz

Aus testwiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Zwischenwertsatz: Sei f eine auf [a,b] definierte stetige Funktion mit f(a)<s<f(b), dann gibt es mindestens ein x mit f(x)=s

In der reellen Analysis ist der Zwischenwertsatz ein wichtiger Satz über den Wertebereich von stetigen Funktionen.

Der Zwischenwertsatz sagt aus, dass eine reelle Funktion f, die auf einem abgeschlossenen Intervall [a,b] stetig ist, jeden Wert zwischen f(a) und f(b) annimmt. Haben insbesondere f(a) und f(b) verschiedene Vorzeichen, so garantiert der Zwischenwertsatz die Existenz von mindestens einer Nullstelle von f im offenen Intervall (a,b). Dieser Sonderfall ist als Nullstellensatz von Bolzano bekannt und nach Bernard Bolzano benannt. Andererseits kann der Zwischenwertsatz aber auch aus dem Nullstellensatz hergeleitet werden. Die beiden Formulierungen sind also äquivalent.

Satz

Datei:Zwischenwertsatz-lernvideokurs-wa2018.webm Seien a,b mit a<b und f:[a,b] eine stetige Funktion. Dann nimmt f jeden beliebigen Wert u zwischen f(a) und f(b) an mindestens einer Stelle c[a,b] an (d. h. f(c)=u).

Formal heißt das, zu jedem u(f(a),f(b)) (falls f(a)<f(b)) bzw. u(f(b),f(a)) (falls f(b)<f(a)) existiert ein c(a,b) mit f(c)=u. Anders formuliert bedeutet dies [m,M]f([a,b]), worin m:=min{f(a),f(b)} und M:=max{f(a),f(b)}.

Beweis

Der Beweis setzt voraus, dass die Grenzen des betrachteten abgeschlossenen Intervalls [a,b] endlich sind (gleichbedeutend: [a,b] ist auch beschränkt und somit kompakt.). Tatsächlich gilt der Zwischenwertsatz auch für unbeschränkte abgeschlossene Intervalle; die dann zu beweisenden Behauptungen finden sich im Abschnitt Verallgemeinerung dieses Artikels.

Ohne Beschränkung der Allgemeinheit gelte f(a)<f(b), und es sei u[f(a),f(b)]. - Die Funktion

g:[a,b],xg(x)=f(x)u

ist (als Komposition zweier stetiger Funktionen) stetig auf [a,b].

Wegen f(a)u ist g(a)0, wegen uf(b) ist 0g(b), insgesamt also g(a)0g(b).(𝟏)

Zum Beweis der Behauptung ist hinreichend zu zeigen, dass g eine Nullstelle c[a,b] hat, denn g(c)=0f(c)=u.

Zum Nachweis der Existenz von c dient eine Folge von Intervallen ([ak,bk]),k mit folgenden (zu beweisenden) Eigenschaften:

  • Sämtliche Glieder [ak,bk] respektieren die Ungleichungskette (1) (und schließen daher c ein). (𝐢)
  • ([ak,bk]) ist eine Intervallschachtelung (und definiert genau ein c[a,b]). (𝐢𝐢)
  • c ist eine Nullstelle von g(x). (𝐢𝐢𝐢)

Eine Intervallfolge ([ak,bk]),k sei rekursiv definiert mit a1=a,b1=b für das erste Intervall.

ck=ak+bk2 ist der Mittelpunkt des k-ten Intervalls.

Die Grenzen des jeweils folgenden Intervalls [ak+1,bk+1] seien

für g(ck)<0: ak+1=ck,bk+1=bk und
für g(ck)0: ak+1=ak,bk+1=ck.

zu (i): Mit (1) ist g(a1) nicht positiv, g(b1) nicht negativ.

Beim Übergang von [ak,bk] zu [ak+1,bk+1] wird genau eine der Intervallgrenzen ak (bzw. bk) genau dann durch eine neue Grenze ck ersetzt, wenn auch g(ck) nicht positiv (bzw. nicht negativ) ist.
Also[Anm 1] gilt g(ak)0g(bk) für 𝒂𝒍𝒍𝒆 ak bzw. bk, q.e.d.

zu (ii): Im [ak,bk] folgenden Intervall [ak+1,bk+1] ist die ersetzende Grenze ck größer als eine ersetzte untere Grenze ak, aber kleiner als eine ersetzte obere Grenze bk, indem ck der Intervallmittelpunkt von [ak,bk] ist. Da der Übergang von [ak,bk] zu [ak+1,bk+1] den Intervalldurchmesser dk=bkak halbiert, ist der Intervalldurchmesser fast aller Folgeglieder kleiner als ein beliebig vorgegebener. ((dk) ist eine Nullfolge.)

Behauptung: (ak) ist monoton steigend k:ak+1ak.(𝟐).

Beweis: Für ak+1=ak ist nichts zu beweisen. Für ak+1=ck folgt aus bk>ak: ak+1=ak+bk2>ak+ak2=ak.

Behauptung: (bk) ist monoton fallend k:bk+1bk.(𝟑).

Beweis: Für bk+1=bk ist nichts zu beweisen. Für bk+1=ck folgt aus ak<bk: bk+1=ak+bk2<bk+bk2=bk.

Behauptung: (dk), dk=bkak ist eine Nullfolge. (𝟒) - Beweis: Der Durchmesser des Intervalls [ak+1,bk+1] ist

für g(ck)<0: dk+1=bk+1ak+1=bkck=2bk2ak+bk2=bkak2=dk2;
für g(ck)0: dk+1=bk+1ak+1=ckak=ak+bk22ak2=bkak2=dk2.
Insgesamt können alle dk auch dk=d1(12)k1 geschrieben werden, und (dk) ist wegen |12|<1 eine (geometrische) Nullfolge.[Anm 2]

Mit (2), (3) und (4) ist ([ak,bk]) eine Intervallschachtelung, die genau eine Zahl c definiert.

Mit k:[ak,bk][a,b]{c}=k[ak,bk][a,b] liegt c im Intervall der Voraussetzung, q. e. d.

Bemerkung: Endlich viele Intervalle einer wie ([ak,bk]) konstruierten Intervallschachtelung liegen dem numerischen Verfahren Bisektion zugrunde.

zu (iii): c ist gemeinsamer Grenzwert der Folgen (ak) und (bk); wegen Stetigkeit von g(x) ist g(c) gemeinsamer Grenzwert der Folgen (g(ak)) und (g(bk)). Die Beschränktheit der Folgen (g(ak)) und (g(bk)) bewirkt, dass g(c) weder positiv noch negativ ist.

Aus (ii) folgt[Anm 3]

limkak=c=limkbk,

hieraus mit dem Folgenkriterium vermöge der Stetigkeit von g(x) bei x=c:

limkg(ak)=g(c)=limkg(bk).

Mit (i) haben die Folgen (g(ak)) bzw. (g(bk)) eine obere bzw. unterer Schranke, die sich auf den jeweiligen Grenzwert fortsetzt:[Anm 4]

g(ak)0g(c)0, ebenso g(bk)0g(c)0, insgesamt also g(c)=0, q. e. d.

Alternativer Beweis

Es reicht, den Fall f(a)<f(b) zu betrachten. Sei u[f(a),f(b)] beliebig. Für u=f(a) und u=f(b) ist die Behauptung klar. Im Folgenden sei u also o. B. d. A. aus dem offenen Intervall ]f(a),f(b)[. Es ist zu zeigen, dass ein c[a,b] existiert mit f(c)=u. Setze

M={x[a,b]|u<f(x)}.

Es gilt M, da bM. Da M beschränkt ist, ist

c:=infM=inf{x[a,b]|u<f(x)}

eine reelle Zahl.

Behauptung: Es gibt eine Folge (xn)n in M mit limnxn=c.

Hierzu: Da c die größte untere Schranke ist, ist c+1n keine untere Schranke. Mithin gibt es zu jedem n ein xnM mit c+1n>xn. Außerdem ist natürlich xnc, da c eine untere Schranke ist. Die so konstruierte Folge (xn)n konvergiert nach dem Intervallschachtelungsprinzip wie gewünscht gegen c. Dies zeigt die Behauptung.

Aus axnb folgt mit den Grenzwertsätzen auch c[a,b]. Da f stetig ist, gilt limnf(xn)=f(c). Wegen f(xn)>u ist weiter f(c)u. Insbesondere folgt c>a, da f(a)<u.

Wegen c>a ist cn:=c1n[a,b] für alle großen n. Weil cn<c=infM folgt cnM und somit f(cn)u. Zusammen mit der Stetigkeit von f in c ergibt sich durch Grenzübergang f(c)=limnf(cn)u. Insgesamt also f(c)=u. q.e.d.

Beispiel

Die Funktion f nimmt den Wert u mit f(a) < u < f(b) an der Stelle c an.

Die Kosinus-Funktion cos ist im Intervall [0,2] stetig, es ist cos(0)=1 und cos(2)0,4161<0. Der Zwischenwertsatz besagt dann, dass der Kosinus mindestens eine Nullstelle im Intervall (0,2) hat. Tatsächlich gibt es in dem Intervall genau eine Nullstelle, nämlich π2.

Verallgemeinerung

Der Zwischenwertsatz ist ein Spezialfall des folgenden Satzes aus der Topologie: Das Bild einer zusammenhängenden Teilmenge eines topologischen Raumes unter einer stetigen Abbildung ist wieder zusammenhängend.

Daraus ist wieder der Zwischenwertsatz zu erhalten, weil Stetigkeit einer Funktion im topologischen Sinne die im Zwischenwertsatz für reelle Funktionen geforderte einschließt und weil eine Teilmenge der reellen Zahlen genau dann zusammenhängend ist, wenn sie ein Intervall ist. Anders als hier im Abschnitt „Beweis“ braucht das betrachtete Intervall bei diesem Aufbau nicht beschränkt zu sein.

Zwischenwertsatz für Ableitungen (Satz von Darboux)

Eine zum obigen Zwischenwertsatz analoge Aussage gilt für Ableitungsfunktionen:[1][2]

Ist f:[a,b] eine auf dem Intervall [a,b] definierte differenzierbare Funktion mit f(a)f(b), so nimmt die Ableitungsfunktion f jeden Wert zwischen f(a) und f(b) an.

Vorlage:Wikibooks

Literatur

Anmerkungen

  1. Der Gedankengang entspricht einer vollständigen Induktion.
  2. Weiteres zur Konvergenz geometrischer Folgen hier.
  3. wegen der Konvergenz der Grenzfolgen einer Intervallschachtelung
  4. vgl. Aussage zum Grenzwert einer beschränkten konvergenten Folge

Einzelnachweise

  1. Fichtenholz, S. 206
  2. Köhler, S. 196