Satz von Descartes

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Satz von Descartes
Satz von Descartes

In der Geometrie beschreibt der Satz von Descartes (Vier-Kreise-Satz von Descartes), benannt nach René Descartes, eine Beziehung zwischen vier Kreisen, die einander berühren. Der Satz kann dazu verwendet werden, zu drei sich gegenseitig berührenden Kreisen ein Paar der sogenannten vierten Kreise zu finden, welche ebenfalls die drei Kreise berühren. Nach Definition der vorzeichenbehafteten Krümmung ist der (kleinste) Kreis k4 umringt von den drei gegebenen Kreisen (im Bild blau), hingegen sind sie vom (größten) Kreis k4' umschrieben (siehe Abschnitt Satz des Descartes).

Es handelt sich hier um einen Spezialfall des Apollonischen Problems. Berühren sich die gegebenen drei Kreise gegenseitig, sind zwei (ein Paar) apollonische Kreise (rot) möglich. Im Gegensatz dazu gibt es ohne gegenseitiger Berührung bis zu acht (vier Paare) apollonische Kreise.[1]

Geschichte

Über geometrische Probleme im Zusammenhang mit Kreisen, die einander berühren, wurde schon vor mehr als 2000 Jahren nachgedacht. Im antiken Griechenland des 3. Jahrhunderts v. Chr. widmete Apollonios von Perge diesem Thema ein ganzes Buch. Unglücklicherweise ist uns dieses Werk mit dem Titel Über Berührungen nicht erhalten.

René Descartes erwähnte 1643 das Problem (gemäß den damaligen Gepflogenheiten) kurz in einem Brief an die Prinzessin Elisabeth von Böhmen. Er kam im Wesentlichen zu der Lösung, die weiter unten in Gleichung (𝟣) beschrieben ist, auch wenn sein Beweis nicht korrekt war[2]. Daher wird der Vier-Kreise-Satz heute nach Descartes benannt.

Der Satz wurde mehrfach unabhängig wiederentdeckt, unter anderem in einem Spezialfall in japanischen Tempelproblemen, von Jakob Steiner (1826), vom britischen Amateurmathematiker Philip Beecroft (1842)[3] und von Frederick Soddy (1936). Man spricht manchmal von den Soddy-Kreisen, vielleicht weil Soddy seine Version des Satzes in Form eines Gedichts mit dem Titel The Kiss Precise veröffentlichte, das in der Zeitschrift Nature (20. Juni 1936) abgedruckt wurde.[4] Soddy verallgemeinerte auch den Satz von Descartes zu einem Satz über Sphären im 3-dimensionalen Raum und Thorold Gosset auf n-Dimensionen.

Allan Wilks und Colin Mallows von den Bell Laboratories entdeckten Ende der 1990er Jahre, dass eine komplexe Version des Satzes von Descartes auch die Orte der Kreise festlegt. Näheres hierzu enthält der Abschnitt Komplexer Satz von Descartes.

Setzt man die Konstruktion fort, erhält man eine fraktale Struktur mit immer kleineren sich berührenden Kreisen. Während die ersten vier Krümmungen nach dem Satz von Descartes durch eine quadratische Gleichung verbunden sind, gilt für die folgenden Kreise eine lineare Gleichung. Startet man mit vier ganzzahligen Krümmungen, so haben auch die folgenden Krümmungen der Kreise in der Konstruktion ganzzahlige Werte. Die zahlentheoretischen Aspekte des Problems wurden insbesondere von Wilks, Jeffrey Lagarias, Ronald Graham, Peter Sarnak, Alex Kontorovich und Hee Oh weiter verfolgt.

Definition der vorzeichenbehafteten Krümmung

Der Satz von Descartes lässt sich am einfachsten durch den Begriff der Krümmung ausdrücken. Die vorzeichenbehaftete Krümmung eines Kreises wird definiert durch k=±1/r, wobei r den Radius bezeichnet. Je größer der Kreis ist, desto kleiner ist der Betrag seiner Krümmung und umgekehrt.

Das Minuszeichen in k=±1/r gilt für einen Kreis, der die anderen drei Kreise einschließend berührt. Andernfalls ist das Pluszeichen zu setzen.

Betrachtet man eine Gerade als entarteten Kreis mit Krümmung k=0, so lässt sich der Satz von Descartes auch anwenden, wenn eine Gerade und zwei Kreise gegeben sind, die einander berühren, und ein dritter Kreis gesucht ist, der die Gerade und die gegebenen Kreise berührt.

Satz von Descartes

Gegeben seien vier einander berührende Kreise mit den Radien r1, r2, r3 und r4. Definiert man wie oben für jeden dieser Kreise die vorzeichenbehaftete Krümmung ki (für i=1,,4), so ist folgende Gleichung erfüllt:[5]

(𝟣)(k1+k2+k3+k4)2=2(k12+k22+k32+k42)

Auflösen dieser Gleichung nach k4 ermöglicht es, den Radius des vierten Kreises zu bestimmen:

(𝟤)k4=k1+k2+k3±2k1k2+k2k3+k3k1.

Das Plus-Minus-Symbol drückt aus, dass es im Allgemeinen zwei Lösungen gibt.

Beispiel

Gegeben seien drei Kreise mit den Radien r1=1/2, r2=1/6 und r3=1/3. Dementsprechend hat die vorzeichenbehaftete Krümmung die Werte k1=2, k2=6 und k3=3. Die Verbindung der Mittelpunkte dieser drei Kreise (blau) erzeugt ein rechtwinkliges Dreieck (hellgrün). Aus Gleichung (𝟤) ergeben sich nun die beiden Lösungen k4=23 und k4'=1. Der winzige Kreis (rot) zwischen den gegebenen Kreisen hat daher den Radius r4=1/23. Der große Kreis (ebenfalls rot), der die gegebenen Kreise einschließt, hat den Radius r4'=1. Da die Mittelpunkte der gegebenen Kreise k1,k2 und k3 auf den Eckpunkten eines rechtwinkligen Dreiecks liegen, ermöglicht dies die Festlegung der Kreise k4 und k4' in einer einfachen Konstruktion (siehe Abschnitt Konstruktion mit Zirkel und Lineal). Alternativ kann, wie im Folgenden beschrieben, die exakte Position des Mittelpunktes des Kreises k4 mithilfe eines kartesischen Koordinatensystems algebraisch bestimmt werden.

Aus den gegebenen Kreisradien erhält man die Koordinaten der (nicht bezeichneten) Mittelpunkte (M): Kreis k1 mit Mk1=(0,0), k2 mit Mk2=(23,0) und k3 mit Mk3=(23,12). Der Mittelpunkt des Kreises k4 ist der Schnittpunkt zweier (nicht eingezeichneter) Hilfskreise Hk1 und Hk2. Für den Hilfskreis Hk1 um den Mittelpunkt des Kreises k1 ergibt sich der Radius rHk1=(12+123)=2546 und für Hk2 der Radius rHk2=(16+123)=29138. Mit den nun bekannten Hilfskreisen Hk1 und Hk2 sind die Koordinaten des Mittelpunktes vom Kreis k4 mit dem Ansatz Schnittpunkte zweier Kreise bestimmbar. Die nebenstehende Abbildung zeigt: Der Kreis k1 hat den Nullpunkt als Mittelpunkt und der Kreis k2 liegt auf der x-Achse. Für diesen Sonderfall gilt:

x0=r12r22+x222x2=(2546)2(29138)2+(23)243=1223,
y0=r12x02=(2546)2(1223)2=746.

Somit hat der Mittelpunkt des kleinsten Kreises k4 die Koordinaten Mk4=(1223,746) und jener der die drei gegebenen Kreise einschließt k4' die Koordinaten Mk4'=(0,12).

Spezialfälle

Wird beispielsweise der dritte der drei gegebenen Kreise durch eine Gerade ersetzt, so wird die vorzeichenbehaftete Krümmung k3 gleich 0 und fällt aus Gleichung (𝟣) heraus. Gleichung (𝟤) wird in diesem Fall wesentlich einfacher:

(𝟥)k4=k1+k2±2k1k2.

Beispiel

Gegeben seien zwei Kreise mit den Radien r1=1/4 und r2=1/9 sowie eine Gerade, die als Kreis mit unendlichem Radius aufgefasst wird. Die entsprechenden Werte für die vorzeichenbehaftete Krümmung sind k1=4, k2=9 und k3=0. Durch Anwendung von Gleichung (𝟥) erhält man wieder zwei mögliche Werte, nämlich k4=25 und k4'=1. Für die Radien der beiden rot gezeichneten Kreise ergibt sich folglich r4=1/25 beziehungsweise r4'=1.

Der Satz von Descartes lässt sich nicht anwenden, wenn zwei oder sogar alle drei gegebenen Kreise durch Geraden ersetzt werden. Der Satz gilt auch dann nicht, wenn es mehr als einen einschließend berührenden Kreis gibt, also im Fall von drei ineinander gelegenen Kreisen mit gemeinsamem Berührpunkt.

Komplexer Satz von Descartes

Um einen Kreis vollständig zu bestimmen, nicht nur seinen Radius (oder seine Krümmung), muss man auch seinen Mittelpunkt kennen. Die Gleichung dafür lässt sich am einfachsten ausdrücken, wenn man die Koordinaten des Mittelpunkts (xy) als komplexe Zahl z=x+iy interpretiert. Die Gleichung für z1,z2,z3,z4 ist dem Satz von Descartes sehr ähnlich und wird daher als komplexer Satz von Descartes bezeichnet.

Gegeben seien vier Kreise mit den Mittelpunkten z1,z2,z3,z4 und den vorzeichenbehafteten Krümmungen k1,k2,k3,k4 (siehe oben), die einander berühren. Dann gilt zusätzlich zu (1) die Beziehung

(𝟦)(k1z1+k2z2+k3z3+k4z4)2=2(k12z12+k22z22+k32z32+k42z42).

Durch die Substitution qi=kizi ergibt sich:

(𝟧)(q1+q2+q3+q4)2=2(q12+q22+q32+q42)

Diese Gleichung ist analog zu (𝟣) und hat die Lösung:

(𝟨)q4=q1+q2+q3±2q1q2+q2q3+q3q1.

Auch hier ergeben sich im Allgemeinen zwei Lösungen.

Hat man k4 aus Gleichung (𝟤) ermittelt, so erhält man z4 durch z4=q4/k4

Konstruktion mit Zirkel und Lineal

Allgemeiner Fall

Allgemeiner Fall, Lösung nach Eppstein,
Animation in 18 Bildern
Satz von Descartes, allgemeiner Fall,
Lösung nach Eppstein

Im allgemeinen Fall ergibt sich beim Verbinden der drei Mittelpunkte ein allgemeines Dreieck. Gegeben seien drei beliebige Kreise die zueinander tangential angeordnet sind. Gesucht sind die beiden Apollonios-Kreise mit ihren Mittelpunkten, genannt isoperimetrische Punkt bzw. Punkt des gleichen Umwegs. Apollonios von Perge zeigte erstmals, wie eine Lösung allein mit Zirkel und Lineal möglich ist.[6] Das nebenstehende Bild zeigt eine Lösung nach Eppstein.[7]

Es beginnt mit der Verbindung der Kreismittelpunkte. Das dabei entstehende allgemeine Dreieck ABC bestimmt die drei Tangentenpunkte, auch Berührungspunkte (dunkelblau) genannt. Auf jede Dreiecksseite wird nun eine Senkrechte errichtet, die durch die gegenüberliegende Dreiecksecke (Kreismittelpunkt) und durch den Kreis verläuft. Dabei schneidet die Senkrechte den Kreis in zwei Punkten (hellgrün). Zieht man nun eine Gerade durch jeden dieser Schnittpunkte (hellgrün) und durch den Berührungspunkt (dunkelblau) der beiden anderen Kreise, liefert die Gerade zusätzlich zwei Berührungspunkte (rot), insgesamt bezeichnet mit D,E,F und G,H,I. Der isoperimetrische Punkt Pa sowie der Punkt des gleichen Umwegs Pi werden mittels – nicht eingezeichneter – Mittelsenkrechten der Abstände |EF| und |FD| bzw. |GH| und |HI| bestimmt. Jetzt zieht man den Apollonios-Kreis mit den Berührungspunkten DFE mit Radius |PaD| um Pa und schließlich den mit den Berührungspunkten GIH mit Radius |PiG| um Pi.[7][8]

Kreismittelpunkte im rechtwinkligen Dreieck

Kreismittelpunkte im rechtwinkligen Dreieck

Für die folgende Lösung sind zwei Gegebenheiten vorstellbar. Entweder die drei gegebenen Radien der Apollonios-Kreise entsprechen einem Pythagoreischen Tripel wie z. B. 3,4 und 5, dann liegen die drei Kreismittelpunkte bekanntlich in einem rechtwinkligen Dreieck oder es wird ein rechtwinkliges Dreieck mit beliebigen Seitenlängen – wie im Folgenden erläutert – gewählt.

Nach dem Einzeichnen des rechtwinkligen Dreiecks ABC in beliebiger Lage und mit beliebigen Seitenlängen werden die Winkelhalbierenden wh1 des Winkels CBA sowie wh2 des Winkels BAC bestimmt. Sie schneiden sich im Mittelpunkt des Inkreises. Fällt man nun das Lot vom Inkreismittelpunkt beispielsweise auf die Dreiecksseite c, ergibt sich darauf der Berührungspunkt (dunkelblau) für die Kreise K1 und K2. Das Eintragen des Kreises K1 liefert den Berührungspunkt (dunkelblau) für den Kreis K3 und ermöglicht somit auch das Ziehen der Kreise K3 und K2. Es folgt eine Gerade durch die Dreiecksecke A parallel zur Dreiecksseite a, eine zweite durch die Dreiecksecke B parallel zur Dreiecksseite b sowie die Verlängerung der Dreiecksseite b bis zum Kreis K2. Schnittpunkte sind der isoperimetrische Punkt Pa, die Berührungspunkte D, E auf K1 bzw. K2, Schnittpunkt F sowie der hellgrüne Schnittpunkt auf K2 aus der Verlängerung der Dreiecksseite b. Jetzt wird der Apollonios-Kreis um Pa mit Radius |PaD| eingetragen.

Um den Punkt des gleichen Umwegs Pi sowie einen Berührungspunkt für den zweiten und letzten Apollonios-Kreis zu bestimmen, bedarf es zunächst einer Geraden. Sie geht durch den Schnittpunkt (hellgrün) des Kreises K2 und durch den Berührungspunkt (dunkelblau) der Kreise K1 und K3. Dabei schneidet sie im gesuchten Berührungspunkt G den Kreis K2. Demzufolge ähnlich wie es bereits oben der allgemeine Fall verlangt. Weiters zieht man eine Halbgerade ab Pa durch den Inkreismittelpunkt und eine zweite ab der Dreiecksecke A durch den Berührungspunkt G bis sich beide Halbgeraden im Punkt des gleichen Umwegs Pi schneiden. Abschließend kann man den Apollonios-Kreis um Pi mit Radius |PiG| eintragen.

Verschiedenes

Die primitiven ganzzahligen Lösungen der vier Radien sind genau die Diagonalprodukte und Zeilenprodukte der beiden zwei-parametrigen Darstellungen der primitiven pythagoräischen Tripel, bspw. liefert das primitive pythagoräische Tripel (5,12,13) mit den (als Spalten geschriebenen) Parameter-Darstellungen (2,3)T und (1=32,5=3+2)T die Diagonalprodukte 3,10 und die Zeilenprodukte 2,15, welche als Radien aufgefasst dem Satz von Descartes genügen.[9][10]

Einzelnachweise