Satz von Cameron-Martin

Aus testwiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Der Satz von Cameron-Martin ist ein Resultat aus der Stochastik und Maßtheorie über die absolute Stetigkeit von gaußschen Maßen. Der Satz nennt eine notwendige Bedingung dafür, dass ein durch eine Translation erzeugtes gaußsches Maß absolut stetig zu seinem ursprünglichen gaußschen Maß ist. Dies ist genau dann der Fall, wenn die Translation durch ein Element aus einem spezifischen Hilbertraum geschieht, welcher heute als Cameron-Martin-Raum bezeichnet wird. Der Cameron-Martin-Raum ist ein kern-reproduzierender Hilbertraum und der reproduzierende Kern ist die Varianz eines gaußschen Maßes. Die Formel für die Radon-Nikodým-Dichte wird Cameron-Martin-Formel genannt.

Die ursprüngliche Version des Satzes wurde 1943 von den amerikanischen Mathematikern Robert Horton Cameron und William Ted Martin bewiesen. Sie befasste sich mit der absoluten Stetigkeit von Translationen in Funktionen unter dem Integral über dem klassischen Wiener-Raum, dem sogenannten Wiener-Integral. Die moderneren Varianten des Satzes werden aber auf allgemeineren topologischen Räumen formuliert.

In der Literatur existieren einige verwandte Sätze, welche manchmal auch als Satz von Cameron-Martin bezeichnet werden. Diese befassen sich im Kern mit nichtlinearen Transformationen von gaußschen Maßen. Es existiert zum Beispiel eine abstrakte Version des Satzes von Girsanow für abstrakte Wiener-Räume, welche sich mit zufälligen Translationen beschäftigt und eine Verallgemeinerung des Satzes in diesem Kontext darstellt.

Der Satz hat eine wichtige Bedeutung in vielen Gebieten der modernen Stochastik, darunter der Malliavin-Kalkül, die White-Noise-Analysis und die Theorie der stochastischen partiellen Differentialgleichungen.

Satz von Cameron-Martin

Sei E ist ein hausdorffscher, lokalkonvexer Vektorraum über . E sei sein topologischer Dualraum und ,:E×E sei die duale Paarung.

Mit (E,E) bezeichnet man die zylindrische σ-Algebra. Ein Wahrscheinlichkeitsmaß γ auf (E,(E,E)) heißt gaußsches Maß, falls für jedes fE das Bildmaß unter f ein gaußsches Maß auf (,()) ist. Für ein Maß γ bezeichnet man die Translation um ein Element hE durch γh(A)=γ(Ah). Die Notation γhγ bedeutet, dass γh äquivalent zu γ ist. Im Artikel wird durchgehend diese Notation verwendet.

Geschichte und die ursprüngliche Variante des Satzes

1943 veröffentlichten Cameron und Martin den Satz von Cameron-Martin über die Transformation von Wiener-Integralen, im Sinne des Integrals über den klassischen Wiener-Raum C. Die ursprüngliche Variante befasste sich mit der Transformation des Integrals unter der Translation

F[g]F[g+h],

wobei F:C. Der ursprüngliche Satz lautet:

Die Translation gg+h erzeugt genau dann ein absolut stetiges Maß bezüglich des Wiener-Maßes γ, wenn h absolut stetig ist und für die Ableitung h gilt hL2([0,1],dx).[1]

Der Satz gibt dem Raum der absolut stetigen Funktionen mit quadratintegrierbar Ableitung bezüglich des Lebesgue-Maßes

Hγ={hC:h absolut stetig,hL2([0,1],dx)}

eine zentrale Bedeutung für das Wiener-Maß. Es handelt es sich um den Cameron-Martin-Raum von γ in C.

Reproduzierende Operatoren und ihre Hilberträume

Sei (H,,H) ein in E eingebetteter Hilbertraum, das heißt es existiert eine stetige und injektive Abbildung t:HE. Nach dem Darstellungssatz von Fréchet-Riesz gilt HH und der Riesz-Isomorphismus i:HH ist stetig.

Für ein fE definiert man die Restriktion fH:H durch fH(h):=f(h) für hH. Da fHH ist, kann die adjungierte Abbildung t*:EH durch t*(f):=i1(fH) für ein fE definiert werden, welche wiederum auch stetig ist.

Für fE und hH gilt die folgende Beziehung

h,t*fH=th,f.

Die Komposition der beiden Abbildungen R:=tt* ist eine Abbildung der Form R:EE und man nennt sie reproduzierender Operator weil er die reproduzierende Eigenschaft

Rg,f=t*g,t*fH

für fE und gE erfüllt.

Der Operator R ist symmetrisch und positiv, er induziert eine symmetrische Bilinearform auf E×E durch

R(g,f):=Rg,f,

welche reproduzierender Kern genannt wird.[2][3] Der Hilbertraum H zu einem reproduzierender Operator R wird kern-reproduzierender Hilbertraum genannt. Laurent Schwartz bewies, dass eine Bijektion zwischen den reproduzierenden Operatoren und deren Hilberträume existiert.[4][5]

Kovarianzoperatoren

Es sei angenommen, dass EL2(γ) gilt, damit nachfolgende Operatoren auch immer existieren. Der Erwartungswert von fE bezüglich γ ist definiert als

Eγ[f]:=Ef(x)γ(dx)

und eine Abbildung der Form Eγ[f]:E(E)*.

Der Kovarianzoperator Rγ:E(E)* ist ein reproduzierender Operator definiert durch

Rγ(f)(g):=E(f(x)𝔼γ[f])(g(x)𝔼γ[g])γ(dx)

für fE und fixes gE.

Das bedeutet Rγ(f) ist ein Element des Bidualraums (E)*, das heißt ein Funktional auf E, und es gilt

Rγ(g),f=Rγ(f),g=Rγ(f)(g).

Die Kovarianz oder der Kovarianzkern ist die bilineare Variante des Operators Covγ:E×E(E)* definiert durch

Covγ(f,g):=Rγ(f)(g).

Entsprechend ist für ein gE der Operator Rγ(g) ein lineares Funktional Covγ(,g).[6][7]

Der Kovarianzoperator ist die Linearform des L2(γ)-Skalarprodukt

Rγ(f)(g)=f(x)𝔼γ[f],g(x)𝔼γ[g]L2(γ).

Insbesondere wenn 𝔼γ[f]=0, dann gilt für die Varianz Rγ(f)(f)=fL2(γ)2.

Der Cameron-Martin-Raum

Für ein Element hE definiere die Norm

hHγ:=sup{f(h):fE,Rγ(f)(f)1}.

Der Cameron-Martin-Raum Hγ von γ in E ist der Hilbertraum[8]

Hγ={hE:hHγ<}.

Betrachte nun die Folgen von zentrierten Variablen (fn𝔼γ[fn])n für fnE. Der Abschluss der Folgen bezüglich der L2(γ)-Norm notieren wir mit Eaγ. Das bedeutet, wenn

lim\limits nfn𝔼γ[fn]gL2(γ)=0

für ein Grenzwert gL2(γ), dann ist gEaγ. Der Raum EaγL2(γ) ist ein Hilbertraum und jedes Element gEaγ ist eine zentrierte gaußsche Zufallsvariable mit Varianz gL2(γ).

Der Kovarianzoperator lässt sich nun auf Eaγ fortsetzen. Man definiert den Kovarianzoperator Rγ:Eaγ(E)* durch

Rγ(f)(g):=Ef(x)(g(x)𝔼γ[g])γ(dx).

für fEaγ und gE. Es gilt also

Rγ(f)(g)=f,g𝔼γ[g]L2(γ).

Die Elemente des Cameron-Martin-Raums Hγ lassen sich durch den Darstellungssatz von Fréchet-Riesz charakterisieren, welcher sagt, für jedes fE existiert ein gEaγ, so dass

f(h)=f𝔼γ[f],gL2(γ).

Ein hE ist also genau dann auch ein Element von Hγ, wenn ein fEaγ existiert, so dass h=Rγ(f) gilt. In diesem Fall gilt

hHγ=gL2(γ).[9]

Wenn γ zusätzlich ein Radonmaß ist, dann gilt sogar Rγ(Eaγ)=Hγ.

Formulierung des Satzes

Der Satz von Cameron-Martin lautet in seiner allgemeinen Form:[10]

Sei E ein lokalkonvexer Vektorraum, γ ein gaußsches Maß darauf und Hγ der Cameron-Martin-Raum von γ in E. Falls für ein hE ein gEaγ existiert, so dass h=Rγ(g), dann ist hHγ. In diesem Fall gilt hHγ=gL2(γ) und γhγ und die Radon-Nikodým-Dichte ist
dγhdγ=exp(g(x)12hHγ2).
Falls h∉Hγ, dann sind die beiden Maße singulär.

In einer etwas kompakteren und einfacheren Form:

Sei E ein lokalkonvexer Vektorraum, γ ein gaußsches Maß darauf und Hγ der Cameron-Martin-Raum von γ. Falls hHγ dann gilt γhγ. Falls h∉Hγ, dann sind die beiden Maße singulär.

Literatur

Einzelnachweise