Radon-Nikodym-Eigenschaft

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Die Radon-Nikodym-Eigenschaft, benannt nach Johann Radon und Otton Marcin Nikodým, ist eine im mathematischen Teilgebiet der Funktionalanalysis betrachtete Eigenschaft von Banachräumen bzw. vektoriellen Maßen. Ein Banachraum X hat die Radon-Nikodym-Eigenschaft, oft mit RNP (nach der englischen Bezeichnung "Radon-Nikodym property") abgekürzt, wenn für vektorielle Maße mit Werten in X eine zum klassischen Satz von Radon-Nikodym analoge Aussage gilt.

Definitionen

Es seien X ein Banachraum, (Ω,𝒜) ein messbarer Raum und μ:𝒜X ein vektorielles Maß. Man sagt, μ habe die Radon-Nikodym-Eigenschaft, falls folgendes gilt:

  1. μ ist von beschränkter Variation.
  2. Ist λ:𝒜 ein endliches, positives Maß mit μλ, so gibt es eine bzgl. λ Bochner-integrierbare Funktion f:ΩX mit μ(A)=Afdλ für alle A𝒜.

Die Schreibweise μλ bedeutet wie üblich, dass μ absolut stetig bzgl. λ ist, das heißt, dass für alle A𝒜 aus λ(A)=0 bereits μ(A)=0 folgt. In obiger Definition erfüllen die beiden Maße also eine vektorwertige Variante des klassischen Satzes von Radon-Nikodym.

Schließlich definiert man, ein Banachraum X habe die Radon-Nikodym-Eigenschaft, wenn jedes vektorielle Maß von beschränkter Variation mit Werten in X die Radon-Nikodym-Eigenschaft hat.[1][2]

Beispiele

Eigenschaften

  • Abgeschlossene Unterräume von Räumen mit Radon-Nikodym-Eigenschaft haben wieder die Radon-Nikodym-Eigenschaft.[9]
  • Die Radon-Nikodym-Eigenschaft vererbt sich nicht auf Quotientenräume. Der Raum c0 ist Quotient von 1, denn jeder separable Banachraum ist Quotient von 1, und dieser hat die Radon-Nikodym-Eigenschaft, jener aber nicht.
  • Der Satz von Davis-Huff-Maynard-Phelps ist eine geometrische Charakterisierung der Radon-Nikodym-Eigenschaft. Ein Banachraum X hat genau dann die Radon-Nikodym-Eigenschaft, wenn es zu jeder beschränkten Menge BX und zu jedem ε>0 ein xB gibt, das nicht in der abgeschlossenen konvexen Hülle von BKε(x) liegt. Dabei bezeichnet Kε(x) die ε-Kugel um x.[10]
  • Der Satz von Lewis-Stegall[11] charakterisiert Räume mit der Radon-Nikodym-Eigenschaft mittels Operatoren: Ein Banachraum X hat genau die Radon-Nikodym-Eigenschaft, wenn für jeden Maßraum (Ω,𝒜,λ) mit positivem, endlichen Maß λ jeder stetige, lineare Operator L1(Ω,𝒜,λ)X über 1 faktorisiert. Letzteres bedeutet, dass es zu jedem stetigen, linearen Operator T:L1(Ω,𝒜,λ)X stetige, lineare Operatoren R:L1(Ω,𝒜,λ)1 und S:1X gibt mit T=SR.
  • Ein Resultat von Srishti Dhar Chatterji lautet, dass die Existenz der meisten Konvergenzarten für Banach-wertige Martingale Mn (d. h. M existiert unter entsprechenden Voraussetzungen) äquivalent zur Radon-Nikodym-Eigenschaft des darunterliegenden Raumes ist.[12]

Die Krein-Milman-Eigenschaft

Motiviert durch den Satz von Krein-Milman sagt man, ein Banachraum habe die Krein-Milman-Eigenschaft, wenn jede abgeschlossene, beschränkte, konvexe Menge gleich dem Abschluss der konvexen Hülle ihrer Extremalpunkte ist. Beachte, dass hier keine Kompaktheitsforderung gestellt wird. Dies wird nach der englischen Bezeichnung "Krein-Milman property" oft als KMP abgekürzt.

Nach einem Satz von Lindenstrauss hat jeder Raum mit der Radon-Nikodym-Eigenschaft auch die Krein-Milman-Eigenschaft.[13] Die Umkehrung dieser Aussage ist ein offenes mathematisches Problem[14], sie ist allerdings für Dualräume bekannt, genauer sind folgende Aussagen über einen Banachraum X äquivalent:[15]

  • X (der Dualraum von X) hat die Radon-Nikodym-Eigenschaft.
  • X hat die Krein-Milman-Eigenschaft.
  • Ist YX ein separabler Unterraum von X, so ist Y separabel.

Einzelnachweise

  1. Raymond A. Ryan: Introduction to Tensor Products of Banach Spaces, Springer-Verlag 2002, ISBN 1-85233-437-1, Seite 106
  2. Joseph Diestel: Geometry of Banach Spaces – Selected Topics, Springer-Verlag 1975, ISBN 3-540-07402-3, Kapitel 6, §3, Seite 213
  3. Raymond A. Ryan: Introduction to Tensor Products of Banach Spaces, Springer-Verlag 2002, ISBN 1-85233-437-1, Korollar 5.45
  4. Raymond A. Ryan: Introduction to Tensor Products of Banach Spaces, Springer-Verlag 2002, ISBN 1-85233-437-1, Korollar 5.42
  5. Joseph Diestel: Geometry of Banach Spaces – Selected Topics, Springer-Verlag 1975, ISBN 3-540-07402-3, Kapitel 6, §4: The Dunford-Pettis Theorem
  6. Joseph Diestel: Geometry of Banach Spaces – Selected Topics, Springer-Verlag 1975, ISBN 3-540-07402-3, Kapitel 6, §4, Theorem 2
  7. Joseph Diestel: Geometry of Banach Spaces – Selected Topics, Springer-Verlag 1975, ISBN 3-540-07402-3, Kapitel 6, §4, Korollar 4
  8. Raymond A. Ryan: Introduction to Tensor Products of Banach Spaces, Springer-Verlag 2002, ISBN 1-85233-437-1, (5.13)+(5.15)
  9. Raymond A. Ryan: Introduction to Tensor Products of Banach Spaces, Springer-Verlag 2002, ISBN 1-85233-437-1, Satz 5.49
  10. Joseph Diestel: Geometry of Banach Spaces – Selected Topics, Springer-Verlag 1975, ISBN 3-540-07402-3, Kapitel 6, §3: The Davis-Huff-Maynard-Phelps Theorem
  11. Raymond A. Ryan: Introduction to Tensor Products of Banach Spaces, Springer-Verlag 2002, ISBN 1-85233-437-1, Theorem 5.36
  12. Vorlage:Literatur
  13. Joseph Diestel: Geometry of Banach Spaces – Selected Topics, Springer-Verlag 1975, ISBN 3-540-07402-3, Kapitel 6, §5, Theorem 1
  14. F. Albiac, N.J. Kalton: Topics in Banach Space Theory: Springer-Verlag (2006), ISBN 978-0-387-28142-1, Seite 118
  15. Joseph Diestel: Geometry of Banach Spaces – Selected Topics, Springer-Verlag 1975, ISBN 3-540-07402-3, Kapitel 6, §6, Korollar 1