Nernst-Gleichung

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Die Nernst-Gleichung ist eine fundamentale Gleichung der Elektrochemie,[1] die die Abhängigkeit des Elektrodenpotentials eines Redox-Paares Ox+ze e Red von den Konzentrationen der beteiligten Substanzen und der Temperatur beschreibt.[2] Nach dem deutschen Chemie-Nobelpreisträger Walther Nernst benannt, lautet ihre ausführliche Form, in der der Quotient aOx/aRed vielfach auch als Reaktionsquotient Qr bezeichnet wird:

E=E0+RTzeFlnaOxaRed=E0+RTzeFlnQr
E Elektrodenpotential
E0 Standardelektrodenpotential
R Universelle oder molare Gaskonstante: R=8,31447 Jmol1K1=8,31447 CVmol1K1
T absolute Temperatur (= Temperatur in Kelvin)
ze Anzahl der übertragenen Elektronen (auch Äquivalentzahl)
F Faraday-Konstante: F=96485 Cmol1=96485 JV1mol1
a Aktivität des betreffenden Redox-Partners (für verdünnte Lösungen kann auch die Stoffmengenkonzentration c eingesetzt werden)

Nimmt man an, dass eine Temperatur von T=298,15K, θ=25C vorliegt, kann man die Nernst-Gleichung vereinfachen zu:

E=E0+59 mVzelgaOxaRed=E0+59 mVzelnQr

Man beachte, dass in dieser Form der Nernst-Gleichung der dekadische Logarithmus lg und nicht der natürliche Logarithmus ln steht.

Herleitung der vereinfachten Nernst-Gleichung  

Die Nernst-Gleichung in allgemeiner Form

E=E0+RTzeFlnaOxaRed

kann für vorgegebene Temperaturen weitgehend ausgerechnet werden. Setzt man nun die allgemeine Gaskonstante R
und die Faraday-Konstante F ein und nimmt eine Temperatur von T=25 C=298,15 K an, erhält man:

E=E0+8,314 JmolK298,15Kze 96485 CmollnaOxaRed

Nun soll der natürliche Logarithmus in einen dekadischen Logarithmus umgeformt werden.
Hierfür ist folgende Basisumformung notwendig:[1]

lgaRedaOx=lnaRedaOxln10  lnaRedaOx=lgaRedaOxln10

Durch Zusammenfassen der Konstanten erhält man:

8,314 JmolK298,15 Kln1096485 Cmol=59,15...mV59mV

Somit erhält man die Nernst-Gleichung in vereinfachter Form:

E=E0+59 mVzelgaOxaRed
Anmerkung zu verschiedenen in der Literatur zu findenden Schreibweisen der Nernst-Gleichung  

Für alle a,b>0 gilt: +logab=logba

Somit gilt: E=E0+RTzeF lnaOxaRedE=E0RTzeF lnaRedaOx

Und auch: E=E0+59 mVze lgaOxaRedE=E059 mVze lgaRedaOx

Interpretation und Bedeutung

Galvanische Zelle

Jede Kombination von zwei Elektroden nennt man Galvanische Zelle (z. B. Batterien, Akkus oder auch biologische Zellen). Ihre Leerlaufspannung U0 (historisch: Elektromotorische Kraft) ist gleich der Potentialdifferenz ΔE der Elektroden, die bei Anwendung der Nernst-Gleichung auf die Halbzellen als U0 = ΔE = EAkzeptorEDonator berechnet werden kann. Analog erlaubt sie die Berechnung der sich einstellenden Gleichgewichtsaktivitäten, wenn an die Halbzellen eine Spannung angelegt wird.

Die Nernst-Gleichung besitzt zentrale Bedeutung in der Elektrochemie, Galvanik und Elektroanalytik, weil sie die elektrische Größe Spannung (bzw. Elektrodenpotential) mit der chemischen Größe Konzentration verbindet. Sie ist streng genommen nur gültig für Zellen ohne Überführung und stromlose Vorgänge, bietet aber einen Ausgangspunkt für die Herleitung von Gleichungen in stromdurchflossenen elektrochemischen Systemen. Das Nernstpotential U0 multipliziert mit der Ladung z·F für einen molaren Stoffumsatz z·F·U0 ergibt die Gibbsenergie. ∆G = −z·F·U0. Das Nernstpotential gibt demnach die chemische Energie der elektrochemischen Reaktion, geteilt durch die beteiligte Ladung an.

Alternative Formulierungen

Die Bezeichnung Nernst-Gleichung wird je nach Anwendung für verschiedene abgeleitete oder erweiterte Gleichungen benutzt.

Spezielle (historische) Nernst-Gleichung

Die ursprüngliche Form leitete der deutsche Physiker und Chemiker Walther Nernst im Jahr 1889 unter Verwendung der Konzentrationen c  ab:

E=E0+RTzeF lncOxcRed

Der Faktor RTzeF wird Nernst-Faktor oder Elektrodensteilheit genannt. Eine Tabelle dieses Faktors für verschiedene Temperaturen befindet sich in diesem Artikel.

Schreibweise

Es hat sich die Schreibweise von Nernst eingebürgert. Wenn man aber R=kBNA, F=eNA und zee=q  (Angabe der Ladungsträger absolut in Coulomb statt als Vielfaches der Elementarladung) einsetzt, erhält man

E=E0+kBTq lncOxcRed.

Es entfällt die Gaskonstante R und der Ausdruck enthält die wohlbekannte Temperaturspannung für Ladungsträger der Ladung q  UT(q)=kBTq aus der Festkörper- und Halbleiterphysik.

E=E0+UT(q) lncOxcRed.

Allgemeine Nernst-Gleichung (Herleitung)

Für die Änderung der Gibbs-Energie (Freien Enthalpie) ΔRG einer chemischen Reaktion, an der k Stoffe A1,,Ak gemäß

ν1A1+ν2A2++νk1Ak1+νkAk

beteiligt sind, gilt

ΔRG=ΔRG0+RTlni=1kaiνi
ai auf die Standardaktivität bezogene Aktivität des Stoffes i
νi stöchiometrischer Koeffizient des Stoffes i in der Reaktionsgleichung (negativ für Edukte)

Der Zusammenhang zwischen ΔRG und dem Logarithmus ist plausibel, da einerseits ΔRG proportional zur Teilchenzahl (oder der Schreibweise der chemischen Gleichung) ist, andererseits in den Aktivitätsquotienten die einzelnen Aktivitäten mit der Potenz der stöchiometrischen Koeffizienten eingehen. Der Logarithmus wandelt den Exponenten in einen Faktor um.

2H2+O22H2O ergibt pro H2O dasselbe (elektro-)chemische Potential wie H2+12 O2H2O.

ΔRG ist die bei konstantem Druck und konstanter Temperatur aus der Reaktion maximal gewinnbare Arbeit, die vollständig in nutzbare elektrische Arbeit umgewandelt werden kann. Aufgrund des Energieerhaltungssatzes gilt

ΔRG=zeFΔE

was in der allgemeinen Nernst-Gleichung resultiert

ΔE=ΔE0RTzeFlni=1kaiνi

Die allgemeine Nernst-Gleichung erlaubt für die betrachtete Reaktion die Berechnung der Gleichgewichtskonstanten (für ΔE=0), Richtung (freiwillig für ΔE>0, erzwungen für ΔE<0) und Spannung ΔE, die die Reaktion liefert, wenn man ihre Redox-Teilreaktionen in getrennten Halbzellen ablaufen lässt.

siehe auch: chemisches Potential, elektrochemisches Potential

Anwendung

Die Nernst-Gleichung findet in der potentiometrischen Titration Verwendung. Beispielsweise wird eine Messelektrode in eine Probelösung eingetaucht und muss auf das zu bestimmende Ion reagieren, das heißt, das Potential dieser Elektrode muss abhängig von der Konzentration des zu bestimmenden Ions sein. Diese Abhängigkeit wird durch die Nernst-Gleichung beschrieben. Bei dem Versuch ist darauf zu achten, dass die Messung stromlos erfolgt, da sich sonst durch Elektrolyse die Potentiale verfälschen würden. Man verwendete daher zur Messung eine Spannungs-Kompensationsschaltung.

Reduktion

Für die Reduktion

Ox+𝑧𝑒eRed

geht die allgemeine Form unmittelbar in die erstgenannte Gleichung über. Diese Identität hat zwei praktische Bedeutungen:

  • Die elektrochemische Spannungsreihe listet prinzipiell Reduktionen.
  • Da man jede chemische Reaktion in Oxidations- und Reduktionsteilreaktionen von Redox-Paaren zerlegen kann, ist ΔE die Summe der mit den zugehörigen stöchiometrischen Koeffizienten multiplizierten Nernst-Gleichungen für die Teilreaktionen. Dabei gehen die Oxidationsteilreaktionen mit negativem stöchiometrischen Koeffizienten ein.

Knallgasreaktion

Die Teilreaktionen der so genannten Knallgasreaktion

2 H2+O22 H2O

laufen als Oxidation

2 H24 H++4 e

bzw. Reduktion

O2+4 e2 O2

räumlich getrennt in Wasserstoff-Sauerstoff-Brennstoffzellen ab. Die damit erzielbare Spannung kann mit der Nernst-Gleichung berechnet werden und beträgt unter Standardbedingungen ΔE0 = 1,23 V.

Konzentrationselemente

Kupfer-Konzentrationselement

Ein Konzentrationselement besteht aus zwei Halbzellen, die Elektrolyte mit den gleichen Bestandteilen enthalten, aber mit unterschiedlicher Ionenkonzentration. Es eignet sich daher besonders zur Demonstration der Nernst-Gleichung.

Ein Beispiel ist ein Kupfer-Konzentrationselement aus zwei Kupferelektroden und zwei Kupfersulfatlösungen, die sich nur in der Konzentration unterscheiden. Bei Stromfluss gleichen sich dann die Konzentrationen in den Zellen an, denn es laufen dann folgende Reaktionen ab:

Die Reduktion in der Halbzelle mit der größeren Kupferionenkonzentration cg:

Cu2+(𝑐g)+2 eCu

Die Oxidation in der Halbzelle mit der kleineren Kupferionenkonzentration ck:

CuCu2+(𝑐k)+2 e

Anhand der Nernst-Gleichungen für die Teilreaktionen oder mit der allgemeinen Nernst-Gleichung der Gesamtreaktion erhält man für die Spannung ΔE des Kupfer-Konzentrationselements:

ΔE=RT2Flncg(Cu2+)1RT2Flnck(Cu2+)1=RT2Flncg(Cu2+)ck(Cu2+)

Allgemein gilt damit für die Spannung eines Konzentrationselements

ΔE=RTzeFlnagak.

bzw. im Temperaturbereich von 22 bis 26 °C noch einmal vereinfacht:

ΔE=59 mVzelgagak.

Konzentrationselemente mit verschiedenen Elementen

Konzentrationselemente mit unterschiedlichen Elementen und Konzentrationen, die von den Normalbedingungen abweichen, werden durch folgende Formel beschrieben, deren abschließender Quotient (cox)a/(cred)b dabei in selber Weise formuliert wird wie es beim MWG üblich ist, stöchiometrische Koeffizienten der einzelnen Reaktionspartner (nachfolgend Vorfaktoren genannt) also zu Exponenten werden und die Aktivitäten bzw. Konzentrationen von Reaktanten, die als Gas oder Feststoff (z.  als ungelöstes Salz oder metallische Elektrode (s. o.)) vorliegen, gleich 1 gesetzt werden und damit praktisch aus der Rechnung verschwinden:[3]

E=E0+59 mVzelg(cox)a(cred)b .
  • a:  Vorfaktor der Oxidationsseite  (Beispiel:  4H+)
  • b:  Vorfaktor der Reduktionsseite (Beispiel:  2H2O)

pH-Wert

Betrachten wir H+-Konzentrations-Elemente (ze=1), dann geht die Nernst-Gleichung bei Raumtemperatur (T = 298,15 K ≙ 25 °C), Umwandlung des natürlichen Logarithmus in den dekadischen Logarithmus (lg a(H+) = ln a(H+) / ln 10) und unter Beachtung der Definition des pH-Wertes (pH = −lg a(H+)) in die Form

ΔE=59mV(pH1pH2)

über. Glaselektroden zur pH-Messung stellen im Prinzip solche H+-Konzentrations-Elemente dar. In ihnen befindet sich eine Lösung mit bekanntem pH-Wert. Wird Kontakt zu einer Lösung mit unbekanntem pH-Wert hergestellt, misst das zugehörige Messgerät eine Spannung, die mit dem Faktor 59 mV direkt in einen pH-Wert umgerechnet und angezeigt wird. Der Faktor kann herstellungsbedingt variieren und muss vor der Verwendung kalibriert werden, liegt jedoch immer nahe 59 mV.

Lambdasonden

Bei einer Lambdasonde, deren Sensorelement für Sauerstoffionen leitfähig ist, stellt sich aufgrund des Konzentrationsgefälles des Sauerstoffes zwischen Luft und Abgas eine Spannung ein, die benutzt wird, um mit der Lambdaregelung ein gewünschtes Gemisch einzustellen.

Nernst-Gleichung in der Biologie und Physiologie

In biologischen Systemen trennen Zellmembranen Bereiche unterschiedlicher Ionenkonzentrationen ab. Ist die Membran für ein bestimmtes Ion selektiv permeabel, wird es entlang des Konzentrationsgradienten diffundieren, gleichzeitig entsteht aber, da das Ion geladen ist, eine Spannung (Ruhemembranpotential). Mit der Nernst-Gleichung lässt sich die Gleichgewichtslage dieses Vorgangs beschreiben.

Gebräuchlich ist eine vereinfachte Form der Gleichung, bei der R, F und T (310 K) sowie der Umrechnungsfaktor zum dekadischen Logarithmus in eine Konstante gefasst werden:

E=61,51mVzelgcaussencinnen

Siehe auch: Goldman-Gleichung

Siehe auch

Literatur

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Vorlage:Literatur
  2. Vorlage:Literatur
  3. Hollemann-Wiberg; Lehrbuch der anorganischen Chemie, Berlin 1956, S. 170–171.