Lie-Produktformel

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Die Lie-Produktformel oder liesche Produktformel, benannt nach Sophus Lie, ist eine Formel zur Berechnung des Wertes der Exponentialfunktion von einer Summe zweier quadratischer Matrizen. Wegen späterer Verallgemeinerungen durch Hale Trotter spricht man auch von der Trotter-Produktformel oder Lie-Trotter-Produktformel.

Die Produktformel

Seien A und B zwei quadratische Matrizen gleicher Größe über oder , etwa n×n-Matrizen. Dann kann man ihre Summe A+B bilden. Ferner kann man die Exponentialfunktion von quadratischen Matrizen durch Einsetzen in die Exponentialreihe definieren, das heißt

eA:=k=0Akk!.

Dabei wird der Grenzwert der Reihe im Raum der n×n-Matrizen gebildet, das heißt komponentenweise. Mit diesen Daten gilt die Lie-Produktformel:[1][2][3]

eA+B=limN(eA/NeB/N)N.

Bemerkung

Die aus der Analysis bekannte Formel für die Exponentialfunktion einer Summe gilt nur eingeschränkt:

eA+B=eAeB   falls   AB=BA,

denn falls die Matrizen A und B vertauschen, kann man den aus der Analysis bekannten Beweis der Formel

ex+y=exey   für alle   x,y𝕂 (𝕂 steht für oder )

einfach kopieren. Die Lie-Produktformel verallgemeinert diese Situation, denn wenn A und B vertauschen, so vertauschen auch eA/N und eB/N und man erhält

(eA/NeB/N)N=(eA/N)N(eB/N)N=eAeB.

Anwendung

Ist G eine abgeschlossene Untergruppe der allgemeinen linearen Gruppe GL(n,𝕂), so definiert man die zugeordnete Lie-Algebra durch

L(G):={AMn(𝕂)etAG für alle t}.

Bei dieser Definition ist nicht einmal klar, dass die so definierte Menge L(G) überhaupt ein Vektorraum ist. Offensichtlich ist nur, dass mit a{0} und AL(G) auch aAL(G) ist, denn es ist etAG für alle t genau dann, wenn etaAG für alle t. Um zu zeigen, dass L(G) auch bzgl. der Addition abgeschlossen ist, verwendet man obige Lie-Produktformel wie folgt.[4]

Seien A,BL(G). Dann ist definitionsgemäß etA/N,etB/NG für alle t,N. Da G eine Gruppe ist, folgt auch (etA/NetB/N)NG für alle t,N. Da G abgeschlossen ist, enthält G auch den Grenzwert für N, und das führt nach der Lie-Produktformel zu etA+tBG und damit auch et(A+B)G für alle t. Aber das bedeutet definitionsgemäß A+BL(G).

Verallgemeinerungen

Die Lie-Produktformel gilt allgemeiner in beliebigen Banachalgebren mit Einselement. Die Exponentialfunktion eines Elements der Banachalgebra kann wieder über die Exponentialreihe definiert werden. Sind A und B Elemente einer solchen Banachalgebra, so gilt:[5]

eA+B=limN(eA/NeB/N)N

Insbesondere gilt die Formel für alle beschränkten Operatoren auf einem Hilbertraum.[6] Auf unendlichdimensionalen Hilberträumen sind aber auch gewisse unbeschränkte Operatoren, die dicht-definierten, selbstadjungierten Operatoren A mit Definitionsbereich D(A) von besonderem Interesse. Für diese können mittels des Spektralsatzes die unitären Operatoren eitA,t gebildet werden. Dann gilt folgende auf Hale Trotter zurückgehende Verallgemeinerung, die man die Trotter-Produktformel oder Lie-Trotter-Produktformel nennt:

Seien A und B zwei selbstadjungierte Operatoren mit Definitionsbereichen D(A) bzw. D(B) in einem komplexen Hilbertraum, so dass A+B auf D(A)D(B) wesentlich selbstadjungiert ist. Dann gilt[7]
eit(A+B)=slimN(eitA/NeitB/N)N.

Dabei bedeutet slim Konvergenz bzgl. der starken Operatortopologie, das heißt, wendet man beide Seiten der Formel auf einen festen Vektor des Hilbertraums an, so liegt Normkonvergenz vor.

Da die eitA unitär sind und daher als beschränkte Operatoren die Norm 1 haben, handelt es sich um den Prototyp einer kontraktiven, stark stetigen Halbgruppe auf einem Banachraum. Die Lie-Trotter-Produktformel lässt sich auf diese Situation wie folgt verallgemeinern, wobei etA den t-ten Halbgruppenoperator zum Erzeuger A bezeichnet:[8][9]

Seien A, B und C Erzeuger kontraktiver, stetiger Halbgruppen auf einem Banachraum X, und es sei Cx=Ax+Bx für alle x aus einem wesentlichen Bereich von C. Dann gilt
etC=slimN(etA/NetB/N)N   für alle    t0,
das heißt
etCx=limN(etA/NetB/N)Nx   für alle    xX und t0

Einzelnachweise

  1. Brian C. Hall: Lie Groups, Lie Algebras, and Representations, Springer-Verlag 2003, ISBN 0-387-40122-9, Theorem 2.10
  2. Rajemdra Bathia: Matrix Analysis, Springer-Verlag 1997, ISBN 0-387-94846-5, Theorem IX.1.3
  3. Joachim Hilgert, Karl-Hermann Neeb: Lie-Gruppen und Lie-Algebren, Vieweg, 1999, ISBN 3-528-06432-3, Lemma I.2.13
  4. Joachim Hilgert, Karl-Hermann Neeb: Lie-Gruppen und Lie-Algebren, Vieweg, 1999, ISBN 3-528-06432-3, Beweis zu Proposition I.3.1
  5. C. Touré, F. Schulz, R. Brits: Some character generating functions on Banach algebras, Theorem 1.6
  6. Piotr Soltan: A Primer on Hilbert Space Operators, Birkhäuser-Verlag, ISBN 978-3-319-92060-3, Theorem 4.17
  7. Barry Simon: Functional Integration and Quantum Physics, Academic Press Inc 1979, ISBN 0-12-644250-9, Theorem 1.1.
  8. E. B. Davies: One Parameter Semigroups, Academic Press 1980, ISBN 0-12-206280-9, Theorem 3.30
  9. H. F. Trotter: On the product of semi-groups of operators, Proc. Amer. Math. Soc. (1959), Band 10, Seiten 545–551