Spektralsatz

Aus testwiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Unter dem Begriff Spektralsatz versteht man verschiedene miteinander verwandte mathematische Aussagen aus der Linearen Algebra und der Funktionalanalysis. Die einfachste Variante macht eine Aussage über die Diagonalisierbarkeit einer bestimmten Klasse von Matrizen. Die weiteren hier betrachteten Spektralsätze übertragen dieses Prinzip auf Operatoren zwischen unendlichdimensionalen Räumen. Der Name leitet sich vom „Spektrum“ der Eigenwerte her.

Spektralsatz für Endomorphismen endlichdimensionaler Vektorräume

Aussage

Für einen endlichdimensionalen unitären 𝕂-Vektorraum (z. B. 𝕂= oder 𝕂=) existiert genau dann eine Orthonormalbasis von Eigenvektoren eines Endomorphismus, wenn dieser normal ist und alle Eigenwerte zu 𝕂 gehören.

In Matrixsprechweise bedeutet dies, dass eine Matrix genau dann unitär diagonalisierbar ist, wenn sie normal ist und nur Eigenwerte aus 𝕂 hat. Eine weitere gebräuchliche Formulierung ist, dass eine Matrix A genau dann normal ist, wenn sie unitär diagonalisierbar ist, also eine unitäre Matrix U (gleicher Dimension) existiert, so dass

U*AU=D

mit D:=diag(λ1,,λn), eine Diagonalmatrix mit den Eigenwerten λ1,,λn von A auf der Hauptdiagonalen, ist.

Bemerkungen

  • Ein selbstadjungierter Endomorphismus bzw. eine hermitesche Matrix hat nur reelle Eigenwerte. Der Spektralsatz besagt also, dass alle hermiteschen Matrizen diagonalisierbar sind und ein Endomorphismus genau dann selbstadjungiert ist, wenn es eine Orthonormalbasis von Eigenvektoren gibt und alle Eigenwerte reell sind. Insbesondere sind reelle symmetrische Matrizen stets diagonalisierbar.

Spektralsatz für kompakte Operatoren

Aussage

Sei H ein 𝕂-Hilbertraum und T:HH ein linearer kompakter Operator, der im Fall 𝕂= normal beziehungsweise im Fall 𝕂= selbstadjungiert ist. Dann existiert ein (eventuell endliches) Orthonormalsystem e1,e2, sowie eine Nullfolge (λk)k in 𝕂{0}, so dass

H=ker(T)span({e1,e2,})

sowie

Tx=k=1λkek,xek

für alle xH gilt. Die λk sind für alle k Eigenwerte von T und ek ist ein Eigenvektor zu λk. Außerdem gilt T=supk|λk|, wobei die Operatornorm ist.

Projektionsversion des Spektralsatzes

Man kann den Spektralsatz für kompakte Operatoren mit Hilfe von Orthogonalprojektionen umformulieren. Sei H wieder ein 𝕂-Hilbertraum und T:HH ein linearer kompakter Operator, der im Fall 𝕂= normal beziehungsweise im Fall 𝕂= selbstadjungiert ist. Mit Ek wird die Orthogonalprojektion auf den zu λk gehörenden Eigenraum ker(λkidHT) bezeichnet. Der Operator Ek hat also die Darstellung Ekx=i=1dkeik,xeik, wobei dk die Dimension des Eigenraums ker(λkidHT) und {e1k,,edkk} eine Orthonormalbasis des Eigenraums ist. Dann kann der Spektralsatz umformuliert werden: Es existiert eine Nullfolge von Eigenwerten (λk)k in 𝕂{0}, sodass

Tx=k=1λkEkx

für alle xH gilt. Diese Reihe konvergiert nicht nur punktweise, sondern auch bezüglich der Operatornorm.

Spektralsatz für beschränkte Operatoren

Aussage

Sei H ein Hilbertraum und T:HH ein selbstadjungierter stetiger linearer Operator. Dann existiert ein eindeutig bestimmtes Spektralmaß E:ΣL(H,H) mit kompaktem Träger in mit

T=σ(T)λdEλ.

Dabei bezeichnet Σ die borelsche σ-Algebra von , L(H,H) die Menge der beschränkten Operatoren auf H und σ(T) das Spektrum von T.

Zusammenhang zu den vorigen Spektralsätzen

  • Ist H endlichdimensional, gilt also Hn, so besitzt der selbstadjungierte Operator T die paarweise verschiedenen Eigenwerte μ1,,μm und es gilt wie im Artikel schon dargestellt
    T=i=1mμiE{μi},
    wobei E{μi} die Orthogonalprojektion auf den Eigenraum ker(μiT) von μi ist. Das Spektralmaß von T ist dann für alle AΣ durch
    EA={i:μiA}E{μi}
    gegeben. Daher reduziert sich der Spektralsatz für beschränkte Operatoren mit T=i=1mμiE{μi} auf den Spektralsatz aus der linearen Algebra.
  • Sei T:HH ein linearer kompakter Operator, so wurde im Artikel ebenfalls dargestellt, dass für solche Operatoren ein Spektralsatz existiert. Sei (μi)i die Folge der Eigenwerte von T und wählt man wieder EA={i:μiA}E{μi} als Spektralmaß, wobei die Summe dann im Allgemeinen abzählbar viele Summanden hat und punktweise, aber nicht bezüglich der Operatornorm, konvergiert, dann vereinfacht sich der Spektralsatz für beschränkte Operatoren zu
    T=i=1μiE{μi}.
    Daher umfasst der Spektralsatz für beschränkte Operatoren auch den Spektralsatz für kompakte Operatoren.

Beispiel

Der Operator T:L2([0,1])L2([0,1]) definiert durch T(x)(t)=tx(t) ist selbstadjungiert mit σ(T)[0,1] und besitzt keine Eigenwerte. Das Spektralmaß EAx=χA[0,1]x mit AΣ ist ein Spektralmaß mit kompaktem Träger. Es stellt T dar, denn es gilt

λdEλx,y=[0,1]λx(λ)y(λ)dλ=Tx,yL2([0,1]).

Messbarer Funktionalkalkül

Vorlage:Hauptartikel Sei TL(H,H) ein selbstadjungierter Operator. Der messbare Funktionalkalkül ist ein eindeutig bestimmter, stetiger, involutiver Algebrenhomomorphismus Φ^:(σ(T))L(H,H). Mit Hilfe der Spektralzerlegung erhält man eine einfache Darstellung dieser Abbildung. Es gilt nämlich

Φ^(f)=f(T)=σ(T)f(λ)dEλ.

Spektralsatz für unbeschränkte Operatoren

Ist A ein dicht definierter normaler Operator auf einem komplexen Hilbertraum H, so existiert ein eindeutig bestimmtes Spektralmaß E auf den Borel-Mengen von , so dass folgendes gilt (σ(A) sei das Spektrum von A):

  • A=σ(A)zdE(z)
  • Für eine Menge M mit Mσ(A)= gilt E(M)=0.
  • Für eine offene Menge M mit Mσ(A) gilt E(M)0.

Ein selbstadjungierter Operator ist normal mit reellem Spektrum; man kann das obige Integral also auf reelle Zahlen beschränken.

Der Definitionsbereich ist gegeben durch

D(A)={xH|σ(A)|λ|2dEλx,x<}

und der quadratische Formenbereich durch

Q(A)={xH|σ(A)|λ|dEλx,x<}.

Letzterer ist offensichtlich der maximale Definitionsbereich für die zugehörige quadratische Form Ax,x, die in der Quantenmechanik besonders wichtig ist.

Eine äquivalente Formulierung des Spektralsatzes lautet, dass A unitär äquivalent zu einem Multiplikationsoperator über einem Raum L2(Ω) (für einen Maßraum Ω) mit einer komplexwertigen messbaren Funktion f:Ω ist; ist A selbstadjungiert, so ist f reellwertig.

Ein normaler Operator im Komplexen kann in der Regel als Summe zweier mit der reellen bzw. der imaginären Einheit multiplizierter, miteinander vertauschbarer selbstadjungierter Operatoren geschrieben werden („Realteil“ + i„Imaginärteil“), A=W^1+iW^2,W^iW^i,W^1W^2=W^2W^1. Ferner gilt – wegen der Vertauschbarkeit der W^i –, dass der Operator W^2 und der Operator W^1 dieselben Eigenvektoren haben (trotz ggf. verschiedener Eigenwerte). So könnte W2 eine Funktion des selbstadjungierten Operators W^1 sein, W^2f2(W^1), mit geeignetem f2. Dann käme es letztlich nur auf eine einzige (reelle!) Spektraldarstellung an, etwa die von W^1(=A+A2), und es würde zum Beispiel gelten, dass
W^1=xσ(W^1)xdE(x)   und   W^2(=AA2i)=xσ(W^1)f2(x)dE(x) ist.

Rolle in der Quantenmechanik

In der Quantenmechanik hat der Spektralsatz („Entwicklungssatz“) eine zentrale Bedeutung, da messbare physikalische Größen, sogenannte „Observablen“, durch selbstadjungierte Operatoren auf einem Hilbertraum dargestellt werden.

Die möglichen Einzelmesswerte einer Observablen entsprechen ihrem Spektrum, welches in Punktspektrum (oder „diskretes Spektrum“) und kontinuierliches Spektrum zerfällt. Die Elemente des Punktspektrums werden auch Eigenwerte genannt. Für eine diskrete Observable, d. h. eine Observable ohne kontinuierliches Spektrum, wird der Spekralsatz meist in der Form

T=kλkEk

geschrieben, wobei die Ek die Projektionsoperatoren auf die zu den Eigenwerten λk gehörenden Unterräumen sind.

Geschichte

Der Spektralsatz für kompakte selbstadjungierte Operatoren und der für beschränkte selbstadjungierte Operatoren gehen insbesondere auf Arbeiten von David Hilbert zurück. Er veröffentlichte 1906 in seiner 4. Mitteilung einen Beweis für diese Aussagen. Hilberts Darstellung der Sätze unterscheidet sich freilich stark von der heutigen Darstellung. Anstatt des Spektralmaßes verwendete er das Stieltjes-Integral, das Thomas Jean Stieltjes erst 1894 zur Untersuchung von Kettenbrüchen eingeführt hatte. Nach Hilbert wurden für den Spektralsatz für beschränkte und unbeschränkte Operatoren Beweise unter anderem von Riesz (1930–1932) und Lengyel und Stone (1936) und für den unbeschränkten Fall auch von Leinfelder (1979) gefunden.[1]

Siehe auch

Literatur

  • Gerd Fischer: Lineare Algebra, Vieweg-Verlag, ISBN 3-528-03217-0
  • John B. Conway: A Course in Functional Analysis (Springer, 2. Aufl. 1990)
  • Michael Reed, Barry Simon: Methods of Modern Mathematical Physics, 4 Bände, Academic Press 1978, 1980
  • Dirk Werner: Funktionalanalysis, Springer-Verlag, Berlin, 2007, ISBN 978-3-540-72533-6
  • Gerald Teschl: Mathematical Methods in Quantum Mechanics; With Applications to Schrödinger Operators, American Mathematical Society, 2009 (Freie Online-Version)

Einzelnachweise

  1. Dirk Werner: Funktionalanalysis, Springer-Verlag, Berlin, 2007, ISBN 978-3-540-72533-6, Kapitel VII.6