Harmonische Reihe

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Die harmonische Reihe ist in der Mathematik die Reihe, die durch Summation der Glieder 1,12,13,14,15, der harmonischen Folge entsteht. Ihre Partialsummen werden auch harmonische Zahlen genannt. Diese finden beispielsweise Anwendung in Fragestellungen der Kombinatorik und stehen in enger Beziehung zur Euler-Mascheroni-Konstante γ. Obwohl die harmonische Folge eine Nullfolge ist, ist die harmonische Reihe divergent.

Definition

Die n-te Partialsumme Hn der harmonischen Reihe heißt die n-te harmonische Zahl:

Hn:=k=1n1k=1+12+13+14++1n

Die harmonische Reihe ist ein Spezialfall der allgemeinen harmonischen Reihe mit den Summanden 1/kα, wobei hier α=1, siehe unten.

Der Name harmonische Reihe wurde gewählt, da jedes Glied ak=1k das harmonische Mittel MH der beiden benachbarten Glieder ist:

MH(ak1,ak+1)=21ak1+1ak+1=2k1+k+1=1k=ak

Eigenschaften

Werte der ersten Partialsummen

H1=1H2=32=1,5H3=116=1,83H4=2512=2,083H5=13760=2,283H6=4920=2,45H7=363140=2,59285714H8=761280=2,717857142H9=71292520=2,828968253H10=73812520=2,928968253

Der Nenner von Hn ist durch jede Primzahlpotenz pk mit n/2<pkn teilbar, also auch durch 2k mit 2kn und für n>2 nach dem Bertrandschen Postulat durch mindestens eine ungerade Primzahl. Insbesondere ist Hn für n>1 keine ganze Zahl (Theisinger 1915).[1] Allgemeiner gilt, dass keine Differenz HmHn für mn eine ganze Zahl ist (Kürschák 1918),[2] dies ist wiederum ein Spezialfall eines Satzes von Nagell 1923.[3]

Ist p5 eine Primzahl, so ist der Zähler von Hp1 nach dem Satz von Wolstenholme durch p2 teilbar, ist p eine Wolstenholme-Primzahl, dann sogar durch p3.

Nikolaus von Oresme

Divergenz

Die harmonische Reihe divergiert gegen unendlich, wie zuerst Nikolaus von Oresme (14. Jh.) bewies. Man sieht dies durch Vergleich mit einer Reihe, die in jedem Glied kleiner oder gleich ist (Minorantenkriterium):

Hn= 1 + 1/2+(1/3+1/4)+(1/5+1/6+1/7+1/8)+  + 1/n 1 + 1/2+(1/4+1/4)+(1/8+1/8+1/8+1/8)+  + 1/n= 1 + 1/2+1/2+1/2+  + 1/n

Die Summe der letzten Zeile übersteigt jeden Wert, wenn n genügend groß ist. Genauer erhält man die Abschätzung

H21+/2   für   =0,1,2,

Asymptotische Entwicklung

Es gilt die asymptotische Entwicklung:

Hn=k=1n1k=lnn+γ+12n112n2+1120n41252n6+1240n81132n10+𝒪(1n12)=lnn+γ+𝒪(1n),n

Hierbei bezeichnet lnn den natürlichen Logarithmus, und das Landau-Symbol 𝒪 beschreibt das Verhalten des Restterms der Entwicklung für n. Die mathematische Konstante γ (gamma) heißt Euler-Mascheroni-Konstante und ihr numerischer Wert beträgt 0,5772156649…

Partialsummen der harmonischen Reihe mit Näherung ln n + γ und Abschätzung ln n + 1

Des Weiteren gilt Hn<lnn+1, falls n2.

Vergleich einiger Partialsummen mit Werten der Näherungsformel Hn ≈ ln n + γ
n Hn
(gerundet)
Näherung
(gerundet)
Genauigkeit
(gerundet)
5 2,28 2,19 95,77 %
10 2,93 2,88 98,32 %
20 3,60 3,57 99,31 %
50 4,50 4,49 99,78 %
100 5,19 5,18 99,90 %
500 6,79 6,79 1 − 1·10−4
1000 7,49 7,48 1 − 7·10−5
10000 9,79 9,79 1 − 5·10−6

Harmonische Reihe als kontinuierliche Funktion

Integraldarstellung

Für alle natürlichen Zahlen n gilt diese Formel:

011yn1ydy=01(1+y++yn1) dy=1+12++1n=Hn

Diese Darstellung verallgemeinert die n-te harmonische Zahl auf komplexe Werte für n mit Re(n)>1 und bildet somit die harmonische Reihenfunktion:

H(x)=Hx

Dieser Begriff ist nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen harmonischen Funktion mit Laplace-Operator Null.

Für alle reellen Zahlen x > −1 konvergiert diese Integralformel:

H(x)(x>1)=011yx1ydy

Eine Definition der harmonischen Reihenfunktion für alle reellen Zahlen x ist über folgende Summe möglich:

H(x)=n=1(1n1n+x)

Identisch mit dieser Formel sind folgende Definitionsformeln:

Π(x)=Γ(x+1)
Π(x)=exp(γx)n=1(1+xn)1exp(x/n)
H(x)=γ+1Π(x)ddxΠ(x)

Beziehung zur Digamma-Funktion

Die n-te harmonische Zahl lässt sich durch die Digamma-Funktion ψ ausdrücken und auf komplexe Werte für n fortsetzen (falls n keine negative ganze Zahl ist):

Hn=ψ(n+1)ψ(1)=Γ(n)Γ(n)+1n+γ.

Dabei bezeichnet Γ die Gammafunktion, Γ ihre Ableitung und γ die Euler-Mascheroni-Konstante.

Ableitung und Integral der harmonischen Reihenfunktion

Ableitung

Die Ableitung der Harmonischen Reihenfunktion kann mit der Trigammafunktion dargestellt werden:

ddxH(x)=ψ1(x+1)=n=11(x+n)2

Die erste Ableitung der harmonischen Reihenfunktion hat an der Stelle x = 0 und somit am Koordinatenursprung den Zetafunktionswert ζ(2):

ddxH(x)(x=0)=ddx011yx1ydy(x=0)=01ddx1yx1ydy(x=0)=01ln(y)yx1ydy(x=0)=
=01ln(y)11ydy=[Li2(1y)]y=0y=1=Li2(1)=ζ(2)=π26

Integration von Null bis Eins

Die Harmonische Reihenfunktion kann mit den genannten Definitionen integriert werden:

H(x)=n=1(1n1n+x)
01H(x)dx=01n=1(1n1n+x)dx=n=101(1n1n+x)dx=
=n=1[xnln(n+x)]x=0x=1dx=n=1[1nln(n+1n)]=γ
H(x)=γ+1Π(x)ddxΠ(x)
01H(x)dx={γx+ln[Π(x)]}x=0x=1=γ

Vergleichsrechnung über die zuvor genannte Integraldefinition:

01H(x)dx=01011yx1ydydx=01011yx1ydxdy=
=0111y+1ln(y)dy=γ

Exponentieller Stammfunktionsausdruck

Folgender Exponentialfunktionsausdruck kann für die Ursprungsstammfunktion der harmonischen Reihenfunktion aufgestellt werden:

Gegeben ist diese Gleichung:

H(x)=01exp(xy)exp(y)1dy

Folgende Gleichung kommt durch Bildung der Ursprungsstammfunktion bezüglich x bei der soeben genannten Formel hervor:

γx+ln[Γ(x+1)]=0exp(xy)+xy1y[exp(y)1]dy

Werteliste

Besondere Werte der verallgemeinerten harmonischen Zahlen sind beispielsweise:

H(12)=H1/2=22ln2
H(13)=H1/3=3π2332ln3
H(14)=H1/4=4π23ln2
H(16)=H1/6=6π3232ln32ln2

Summenreihen mit der harmonischen Reihe

Erzeugende Funktion

Entwickelt man die Funktion 11xln11x um den Entwicklungspunkt 0 in eine Taylorreihe, so erhält man die harmonischen Zahlen als Koeffizienten:

11xln11x=n=1Hnxn,|x|<1

Dies sieht man leicht ein, indem man das Cauchy-Produkt der für |x|<1 absolut konvergenten Reihen von folgenden beiden Funktionen bildet:

11x=1+x+x2+x3+
ln11x=x+x22+x33+

Wenn bei der Summe der genannten erzeugenden Funktion die Summanden noch durch die betroffenen Indices geteilt werden, dann wird die Reihe für die Summe aus Dilogarithmus und Hälfte vom Quadrat des Monologarithmus hervorgebracht:

n=1Hnnxn=Li2(x)+12ln(11x)2=Li2(x)+12Li1(x)2,|x|<1

Das nun genannte Resultat entsteht dadurch, dass die genannte erzeugende Funktion durch x geteilt wird und daraus dann die Ursprungsstammfunktion aufgestellt wird. Diese Integrationskette kann mit dem zuvor gezeigten Muster noch weitergeführt werden. Dann entsteht eine Summe, die den Trilogarithmus enthält:

n=1Hnn2xn=2Li3(x)+Li3(xx1)ln(1x)Li2(x)16ln(1x)3=
=2Li3(x)+Li3(xx1)+Li1(x)Li2(x)+16Li1(x)3|x|<1

Reihen über harmonische Zahlen

Es gilt für die harmonischen Zahlen:[4]

n=1Hnn2=2ζ(3)
n=1Hnn3=π472
n=1Hnn4=3ζ(5)π26ζ(3)
n=1Hnn5=π654012ζ(3)2
n=1Hnn6=4ζ(7)π26ζ(5)π490ζ(3)

Hierbei bezeichnet ζ(s) die Riemannsche Zetafunktion.

Anwendungsbeispiele

Oben freitragender Ausleger, unten Schemazeichnung

Kraftvektoren

Gleichartige Klötze sollen so gestapelt werden, dass der oberste Klotz möglichst weit über den untersten ragt.

Das Bild zeigt eine Anwendung der harmonischen Reihe. Werden die horizontalen Abstände der Klötze – von oben nach unten vorgehend – gemäß der harmonischen Reihe gewählt, so ist der Stapel gerade noch stabil. Auf diese Weise bekommt der Abstand zwischen dem obersten und untersten Klotz den größtmöglichen Wert. Die Klötze haben eine Länge l0. Der oberste Baustein liegt mit seinem Schwerpunkt auf dem zweiten Stein an der Position 1/2l0=1/21l0. Der gemeinsame Schwerpunkt von Stein 1 und Stein 2 liegt bei 1/21/2l0, der von Stein 1, Stein 2 und Stein 3 bei 1/21/3l0, der des n-ten Steins bei 1/21/nl0. Die Gesamtlänge L des Auslegers beträgt somit:

L=l02k=1n1k

Jeder zusätzliche Stein entspricht einem weiteren Summanden in der harmonischen Reihe. Da die harmonische Reihe beliebig große Werte annehmen kann, wenn man sie nur weit genug fortführt, gibt es keine prinzipielle Grenze, wie weit der oberste Stein überhängen kann. Die Zahl der nötigen Steine steigt allerdings sehr rasch mit dem angestrebten Überhang. Für einen Überhang in 2,5-facher Steinlänge werden etwa 100 Steine benötigt werden. Bei einem realen Aufbau würde dies bereits hohe Anforderungen an die Maßhaltigkeit der Steine stellen.

Weitere Beispiele für die Anwendung der harmonischen Reihe sind das Sammler-Problem und das Problem der 100 Gefangenen.

Summenreihen

Im nun folgenden werden zwei Beispiele genannt, bei denen die betroffenen Summenformeln anschließend mit der harmonischen Reihenfunktion ausgedrückt werden sollen. Danach wird ein Allgemeinfall für diese beiden Beispiele präsentiert:

m=11m2+3m+1=155[H(32+125)H(32125)]
m=11m2+4m+2=142[H(2+2)H(22)]

Und so lautet der Allgemeinfall:

m=11am2+bm+c=1b24ac[H(b+b24ac2a)H(bb24ac2a)]

Verwandte Reihen

Alternierende harmonische Reihe

Die Partialsummen der alternierenden harmonischen Reihe

Die alternierende harmonische Reihe konvergiert:

k=1(1)k+1k=112+1314±=ln2=0,69314 71805 59945 30941

Die Konvergenz folgt aus dem Leibnizkriterium, der Grenzwert lässt sich mit der Taylor-Entwicklung des natürlichen Logarithmus und dem Abelschen Grenzwertsatz berechnen. Es ist nämlich ln(1+x)=k=1(1)k+1xkk, und wenn man x=1 setzt, erhält man in der Reihenentwicklung die alternierende harmonische Reihe. Die Konvergenz der Reihe ist nicht absolut, also lediglich bedingt.

Allgemeine harmonische Reihe

Als allgemeine harmonische Reihe bezeichnet man

S=k=11kα ,

sie divergiert für α1 und konvergiert für α>1 (siehe Cauchysches Verdichtungskriterium). Deren n-te Partialsummen werden auch als Hn(α) oder H(α)(n) bezeichnet.

Beispiel für α=2 (siehe Basler Problem):

S=k=11k2=1+122+132+142+=π26=1,64493 40668 48226 43647

Beispiel für α=4:

S=k=11k4=1+124+134+144+=π490=1,08232 32337 11138 19151 

Beispiel für α=2n:

S=k=11k2n=1+122n+132n+142n+=(1)n1(2π)2n2(2n)!B2n=ζ(2n),

wobei B2n die 2n-te Bernoulli-Zahl bezeichnet.

Lässt man für α auch komplexe Zahlen zu, gelangt man zur riemannschen Zetafunktion.

Subharmonische Reihen

Subharmonische Reihen entstehen dadurch, dass man bestimmte Summanden bei der Reihenbildung der harmonischen Reihe weglässt, etwa nur die Kehrwerte aller Primzahlen summiert:

S=k prim1k

Diese Summe divergiert ebenfalls (Satz von Euler).

Eine konvergente Reihe entsteht, wenn man nur noch über die Primzahlzwillinge (oder gar Primzahldrillinge oder Primzahlvierlinge usw.) summiert; allerdings ist nicht bekannt, ob es sich dabei um unendliche Reihen handelt. Die Grenzwerte werden Brunsche Konstanten genannt.

Weitere subharmonische Reihen sind die ebenfalls konvergenten Kempner-Reihen.

Literatur

  • Harro Heuser: Lehrbuch der Analysis. Teil 1. 5. Auflage. Teubner-Verlag, 1988, ISBN 3-519-42221-2.

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Einzelnachweise

  1. Leopold Theisinger: Bemerkung über die harmonische Reihe. Monatshefte für Mathematik und Physik 26, 1915, S. 132–134.
  2. József Kürschák: A harmonikus sorról (Über die harmonische Reihe). Mathematikai és physikai lapok 27, 1918, S. 299–300 (ungarisch).
  3. Trygve Nagell: Eine Eigenschaft gewisser Summen. Videnskapsselskapet Skrifter. I. Matematisk-Naturvidenskabelig Klasse 13, 1923, S. 10–15.
  4. D. Borwein, J. M. Borwein: On an Intriguing Integral and Some Series Related to zeta(4). Proc. Amer. Math. Soc. 123, 1191–1198, 1995.