Geordnete abelsche Gruppe

Aus testwiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Eine geordnete abelsche Gruppe ist eine mathematische Struktur. Es handelt sich um eine abelsche Gruppe, auf der zusätzlich eine mit der Gruppenstruktur verträgliche Ordnungsrelation gegeben ist, die man üblicherweise mit bezeichnet (man liest kleiner-gleich). Dadurch ist es möglich, die Elemente einer Gruppe der Größe nach zu vergleichen.

Viele Begriffsbildungen aus der Theorie der geordneten Vektorräume lassen sich auf abelsche Gruppen übertragen, indem man die Skalarmultiplikation durch die -Modul-Struktur ersetzt, allerdings entfallen geometrische Betrachtungen wie Konvexitätsargumente.

Jede geordnete abelsche Gruppe ist torsionsfrei. Umgekehrt lässt sich eine abelsche Gruppe genau dann mit einer Ordnung versehen, sodass man eine geordnete abelsche Gruppe erhält, wenn die Gruppe torsionsfrei ist.[1]

Geordnete abelsche Gruppen sind ein Spezialfall des allgemeiner angelegten Begriffs der angeordneten Gruppe.

Definition

Eine geordnete abelsche Gruppe ist ein Tripel (G,+,) bestehend aus einer abelschen Gruppe (G,+) und einer Relation , so dass folgendes gilt:

  1. Für alle xG gilt xx, das heißt ist reflexiv.
  2. Aus xy und yz folgt xz für alle x,y,zG, das heißt ist transitiv.
  3. Aus xy folgt x+zy+z für alle x,y,zG, das heißt ist mit der Gruppenstruktur verträglich.[2]

Positive Menge

Die Menge G+:={xG;x0} heißt die positive Menge und ist eine Unter-Halbgruppe, die das neutrale Element 0 enthält. Dabei steht x0 natürlich für 0x.

Ist umgekehrt in einer abelschen Gruppe (G,+) eine Unterhalbgruppe U, die das neutrale Element enthält, gegeben und definiert man xy durch yxU, so ist (G,+,) eine geordnete abelsche Gruppe, für die G+=U gilt. Demnach kann man eine geordnete abelsche Gruppe auch als abelsche Gruppe, in der eine Unterhalbgruppe ausgezeichnet ist, definieren. Viele Eigenschaften geordneter abelscher Gruppen lassen sich sowohl mittels der Ordnungsrelation als auch mittels Eigenschaften der Unterhalbgruppe G+ beschreiben.

Ist xG+ von endlicher Ordnung n, so ist auch x=(n1)xG+. Wenn alle Elemente der Gruppe endliche Ordnung haben, so ist daher G+ eine Untergruppe und die Ordnung nichts weiter als eine Äquivalenzrelation. Substantielle Anwendungen der Ordnungstheorie wird man daher nur für Gruppen mit Elementen unendlicher Ordnung erwarten, insbesondere sind die in der Theorie auftretenden Gruppen unendlich.

Positive Abbildungen

Seien (G,+,) und (H,+,) zwei geordnete abelsche Gruppen, Verknüpfung und Ordnungsrelation sind hier mit denselben Symbolen bezeichnet.

Eine Abbildung f:GH heißt positiv oder monoton, falls aus xy stets f(x)f(y) folgt für alle x,yG.

Ein Gruppenhomomorphismus f:GH ist genau dann positiv, wenn f(G+)H+.

In der Kategorie der geordneten abelschen Gruppen sind die Morphismen die positiven Gruppenhomomorphismen.

Weitere Begriffsbildungen

Sei (G,+,) eine geordnete abelsche Gruppe.

Antisymmetrische Ordnung

Die Ordnung auf G heißt antisymmetrisch, falls aus xy und yx stets x=y folgt. Die Ordnung ist genau dann antisymmetrisch, wenn G+(G+)={0}.

Manche Autoren nehmen die Antisymmetrie mit in die Definition auf und sprechen bei fehlender Antisymmetrie von einer Präordnung bzw. von einer prägeordneten Gruppe, so zum Beispiel in [3]. Eine antisymmetrische Ordnung wird auch strikte Ordnung genannt.

Gerichtete Ordnung

Die Ordnung auf G heißt gerichtet, falls es zu je zwei Elementen x,yG stets ein zG gibt mit xz und yz. Die Ordnung ist genau dann gerichtet, wenn G=G+G+.

Ordnungseinheiten

Ein Element eG heißt eine Ordnungseinheit, falls es zu jedem xG ein n gibt mit nexne.

Im Beispiel (,+,) mit der natürlichen Ordnung ist jedes Element aus {0} eine Ordnungseinheit. Der Folgenraum c0, als geordnete abelsche Gruppe aufgefasst, hat keine Ordnungseinheiten.

Skalierte, geordnete abelsche Gruppen

Eine Skala in G ist eine Teilmenge SG+ mit folgenden Eigenschaften[4]:

  • Aus 0xsS folgt xS
  • S ist gerichtet, das heißt zu je zwei Elementen s1,s2S gibt es ein sS mit s1s und s2s.
  • S ist erzeugend, das heißt jedes xG+ ist endliche Summe von Elementen aus S.

Das Paar (G,S) heißt dann skalierte, geordnete abelsche Gruppe. Oft wird eine solche Skala durch eine Ordnungseinheit e definiert, es ist dann S={xG;0xe} und man schreibt (G,e) an Stelle von (G,S). In der Kategorie der skalierten, geordneten abelschen Gruppen betrachtet man als Morphismen zwischen (G,SG) und (H,SH) diejenigen positiven Gruppenhomomorphismen f:GH, für die f(SG)SH gilt.

Archimedische Ordnung

In Analogie zum archimedischen Axiom nennt man die Ordnung auf G

  • archimedisch, falls aus nxy für alle n stets x0 folgt.
  • fast archimedisch, falls aus ynxy für alle n stets x=0 folgt.

Ist die Ordnung antisymmetrisch, so sind archimedische Ordnungen fast archimedisch.

Unperforierte Ordnung

Folgt aus nx0 für ein n,n>0 stets x0, so heißt die Ordnung unperforiert.

Unperforierte und antisymmetrische Gruppen müssen torsionsfrei sein, denn aus nx=0 für ein n,n>0 folgt wegen der Unperforiertheit x0 und x0, also x=0 wegen der Antisymmetrie.

Archimedische, gerichtete Gruppen sind unperforiert.[5]

Rieszsche Interpolationseigenschaft

Wie auch in der Theorie der geordneten Vektorräume betrachtet man weitere Eigenschaften der Ordnung, etwa die nach Frigyes Riesz benannte Rieszsche Interpolationseigenschaft das heißt[6]:

  • Sind A,BG endliche Teilmengen mit ab für alle aA,bB, so gibt es ein xG mit axb für alle aA,bB. (Es genügt, zweielementige Mengen A,BG zu betrachten.)

Eine geordnete abelsche Gruppe (G,+,) mit antisymmetrischer Ordnung heißt Verband oder genauer verbandsgeordnete Gruppe, wenn es zu je zwei Elementen x,yG ein Supremum gibt. Dies ist ein Element zG mit xz und yz, das kleinste Element mit dieser Eigenschaft ist, das heißt für jedes wG mit xw und yw folgt zw. Man zeigt, dass z eindeutig durch x und y bestimmt ist. Man spricht daher von dem Supremum von x und y und schreibt dafür xy. Ganz analog existiert dann auch zu je zwei Elementen x und y das Infimum xy=((x)(y)).

Offenbar haben verbandsgeordnete Gruppen die Rieszsche Interpolationseigenschaft, die Umkehrung gilt im Allgemeinen nicht. Es stellt sich heraus, dass verbandsgeordnete Gruppen stets distributive Verbände sind.[7]

Beispiele

  • Das bekannteste Beispiel einer geordneten abelschen Gruppe ist die Gruppe (,+,) der ganzen Zahlen mit der üblichen Ordnungsrelation. Diese Ordnung ist strikt und es ist +=0. Die Gruppenhomomorphismen auf sind genau die Abbildungen fn:,xnx, wobei n. Die positiven Gruppenhomomorphismen sind genau die Abbildungen fn, wobei n0.
  • Analog zum ersten Beispiel sind auch (,+,) und (,+,) Beispiele geordneter abelscher Gruppen.
  • Auf (2,+) definiere (x1,x2)(y1,y2) genau dann, wenn x1y1 und x2y2. Dann ist (2,+,) eine geordnete abelsche Gruppe mit (2)+=(0)2.
  • Auf (2,+) definiere (x1,x2)(y1,y2) genau dann, wenn x1<y1 oder x1=y1 und x2y2; das ist die sogenannte lexikographische Ordnung. Auch (2,+,) ist eine geordnete abelsche Gruppe, die positive Menge ist {0}×0({0})×.
  • Betrachtet man zu einer abelschen Gruppe die Unterhalbgruppe {0}, so ist die zugehörige Ordnungsrelation die Gleichheit.
  • Ist H eine Halbgruppe und G=𝒢(H) die zugehörige Grothendieck-Gruppe, so definiert das Bild von H in G eine Halbgruppe und somit eine Ordnung auf G. Die in der K-Theorie betrachtete K0-Gruppe eines Ringes ist eine solche Grothendieck-Gruppe und daher in natürlicher Weise eine geordnete abelsche Gruppe.
  • Jeder geordnete Vektorraum ist eine geordnete abelsche Gruppe, wenn man die skalare Multiplikation vergisst und den Vektorraum nur als abelsche Gruppe betrachtet.

Anwendungen

  • Die abzählbaren, unperforierten geordneten abelschen Gruppen mit der Rieszschen Interpolationseigenschaft sind genau diejenigen Gruppen, die als K0-Gruppe einer AF-C*-Algebra auftreten.
  • In der Bewertungstheorie definiert man zu einem Bewertungsring A mit Quotientenkörper K die Faktorgruppe K*/A* der Einheitengruppen mit der Ordnung [x][y] genau dann, wenn yx1A. Die positive Halbgruppe ist durch die Restklassen der Elemente aus A gegeben.

Einzelnachweise

  1. Nicolas Bourbaki: Éléments de Mathématique. Algèbre. Chapitres 1 à 3. Springer, Berlin u. a. 2007, ISBN 978-3-540-33849-9, Kapitel 2, S. 172.
  2. Graham Jameson: Ordered Linear Spaces (= Lecture Notes in Mathematics. Bd. 141, Vorlage:ISSN). Springer, Berlin u. a. 1970, 1.1.
  3. Kenneth R. Goodearl: Partially Ordered Abelian Groups with Interpolation (= Mathematical Surveys and Monographs. Bd. 20). American Mathematical Society, Providence RI 2010, ISBN 0-8218-1520-2, chapter 1, Basic Notions.
  4. Kenneth R. Davidson: C*-Algebras by Example (= Fields Institute Monographs. Bd. 6). American Mathematical Society, Providence RI 1996, ISBN 0-8218-0599-1, IV.3 Dimension Groups.
  5. Kenneth R. Goodearl: Partially Ordered Abelian Groups with Interpolation (= Mathematical Surveys and Monographs. Bd. 20). American Mathematical Society, Providence RI 2010, ISBN 0-8218-1520-2, Satz 1.24.
  6. Kenneth R. Goodearl: Partially Ordered Abelian Groups with Interpolation (= Mathematical Surveys and Monographs. Bd. 20). American Mathematical Society, Providence RI 2010, ISBN 0-8218-1520-2, chapter 2, Interpolation.
  7. Graham Jameson: Ordered Linear Spaces (= Lecture Notes in Mathematics. Bd. 141, Vorlage:ISSN). Springer, Berlin u. a. 1970, Satz 2.2.7.