Dispersionsrelation

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In der Physik beschreibt die Dispersionsrelation (lat. dispergere ‚verteilen', ‚ausbreiten', ‚zerstreuen') den Zusammenhang zwischen dem Ablauf eines physikalischen Prozesses (Frequenz, Energie) und den Eigenschaften der ihn beschreibenden Größen (Wellenzahl, Brechungsindex, Ausbreitungsgeschwindigkeit, Impuls).

Mathematisch ist die Dispersionsrelation die Beziehung zwischen der Kreisfrequenz ω und der Kreiswellenzahl k. Sie wird aus der linearen Wellengleichung durch eine Fouriertransformation in Raum und Zeit gewonnen und hat die Form[1]

ω=Ω(k).

Im einfachsten Fall sind Kreisfrequenz und Kreiswellenzahl stets proportional[2]

ω=vPhasek,

mit der konstanten Phasengeschwindigkeit vPhase=ωk. In diesem Fall gibt es keine Dispersion.

Die Geschwindigkeit eines Wellenpakets ist dagegen die Gruppengeschwindigkeit vGruppe=dΩdk oder im dreidimensionalen Fall[3] vGruppe=dΩdk.

Ein Wellenpaket besteht aus Wellen verschiedener Frequenzen, die unterschiedliche Phasengeschwindigkeiten haben können. Daher läuft ein Wellenpaket im Allgemeinen auseinander. Wellenpakete, die aufgrund nichtlinearer Effekte trotz Dispersion nicht auseinanderlaufen, werden als Solitonen bezeichnet[4].

Optik

Bandstruktur eines eindimensionalen photonischen Kristalls. Die Dispersionsrelation ω(kz) lässt sich direkt an der Steigung der Bänder ablesen

Die Dispersionsrelation der Optik als Ausbreitung elektromagnetischer Wellen in nichtleitenden Medien[5] lautet:

ω=1μεk=Ω(k)

mit der Permittivität ε und der Permeabilität μ. Die Phasengeschwindigkeit von Licht in einem Medium beträgt

vPhase=ωk=1με=cn(ω)=cM

mit der der Vakuumlichtgeschwindigkeit c. Der (komplexe) Brechungsindex n tritt in Abhängigkeit der Kreisfrequenz ω auf:

n(ω)=μμ0εε0und c=1μ0ε0

mit der elektrischen Feldkonstante ε0 und der magnetischen Feldkonstante μ0. Die Gruppengeschwindigkeit[6]

vGruppe=dΩdk=cn(ω)+ωdndω

kann je nach Vorzeichen von dndω deutlich von der Phasengeschwindigkeit abweichen. Normale Dispersion liegt für dndω>0 vor und anomale Dispersion für dndω<0.

Teilchenphysik und Materiewellen

Da die Frequenz immer in Zusammenhang mit der Energie steht

ω=E

und die Wellenzahl (bzw. der Wellenvektor) mit dem Impuls[7] p

k=p,

bezeichnet man die Energie-Impuls-Beziehungen der Teilchenphysik auch als Dispersionsrelation (oder Dispersionsbeziehung) der Materiewelle, z. B. bei freien Elektronen im nicht-relativistischen Grenzfall:

E=p22mω=2k22mω=2mk2=Ω(k),

wobei das reduzierte Plancksche Wirkungsquantum und m die Masse des Teilchens bezeichnet[8]. Die Phasengeschwindigkeit der Materiewelle eines freien Teilchens beträgt[9]

vPhase=ωk=k2m

und die Gruppengeschwindigkeit[10]:

vGruppe=dΩdk=km=2vPhase

Das Ergebnis erlaubt die klassische Beschreibung des freien Teilchens mit der Geschwindigkeit vGruppe=v=p/m in Fällen, in denen diese gültig ist. Die Heisenbergsche Unschärferelation der Genauigkeit von Ort und Impuls kennt z. B. für ein Staubkorn keine beobachtbare Grenze.

Festkörperphysik

In der Festkörperphysik wird die Dispersion als Zusammenhang zwischen Energie bzw. Kreisfrequenz und Wellenzahl eines Teilchens oder Quasiteilchens angegeben. In Festkörpern wird dabei einerseits den Phononen (Gitterschwingungen des Atomgitters) eine Phononen-Dispersionsrelation zugeordnet[11], andererseits kann den Elektronen eine Elektronen-Dispersionsrelation zugeordnet werden, die mit Hilfe der Bandstruktur beschrieben wird[12][13].

Beispiele von Dispersionsrelationen

Elektronen im Festkörper (Bandstruktur)

In einem Kristall mit periodischer Gitterstruktur kann die Dispersionsrelation für Elektronen durch eine Bandstruktur beschrieben werden[14]:

E(𝐤)=E0+2k22m*=ωbzw. ω=ω0+k22m*

wobei m* die effektive Masse des Elektrons ist.

Plasmonen (Kollektive Schwingungen in einem Plasma)

Für longitudinale Plasmaschwingungen ist die Dispersionsrelation[15]:

ω=ωp2+c2k2

wobei c die Lichtgeschwindigkeit und ωp=4πNe2/me die Plasmafrequenz ist, gebildet aus der Elektronendichte N, der Elektronenladung e und der Elektronenmasse me.

Schwerewellen auf einem Meer endlicher Tiefe

Für Meereswellen als Schwerewellen lautet die Dispersionsrelation nach[16]

ω=Ω(k)=gktanh(kh)mit tanh(kh)=12ekhekhekh+ekh

mit der Schwerebeschleunigung g und der Wassertiefe h. Die Funktion

Tiefwasserwellen

Für Tiefwasserwellen gilt kh1 und damit tanh(kh)1. Für diese Wellen nähert sich die Dispersionsrelation zu[17]

ω=gk

mit der Schwerebeschleunigung g und der Wellenzahl k.

Seichtwasserwellen

Für Seichtwasserwellen der Tiefe h gilt kh1 und damit tanh(kh)(kh). Für diese Oberflächenwellen beträgt die Dispersionsrelation[17]

ω=gktanh(kh)gkkh=ghk

mit der Schwerebeschleunigung g und der Wellenzahl k. Damit sind sowohl die Phasengeschwindigkeit vΩ und die Gruppengeschwindigkeit vg konstant:

vΩ=ωk=ghundvg=dωdk=gh

Im Gegensatz zu Sturmwellen, bei denen die Wasserschichten ab einer Tiefe von etwa 200 m unbewegt bleiben, wird bei einem Tsunami das gesamte Wasservolumen vom Meeresboden bis zur Oberfläche in Bewegung gesetzt. Auf dem offenen Meer können Tsunamis Wellenlängen von 100 bis 300 km erreichen, in seltenen Fällen sogar bis zu 500 km. Die Wellenzahlen k=2π/λ reichen dabei von 6,3105 m1 bis 105 m1. Selbst in Ozeanen mit einer Tiefe von etwa h=5.000m ist das Produkt kh maximal kh0,3<1. Tsunamis sind also vom Verhalten her Seichtwasserwellen, die Geschwindigkeiten von

vg=dωdk=gh=9,815.000m/s=220m/s=800km/h.

erreichen – fast die Geschwindigkeit eines Jumbo-Jets!

Schwerewellen unter dem Einfluss von Oberflächenspannung

Berücksichtigt man bei den Meereswellen zusätzlich die Kapillarwellen, so erweitert sich die Dispersionsrelation zu[18]

ω=Ω(k)=gk+σk3ρ

Dabei ist σ die Oberflächenspannung und ρ die Dichte des Wassers.

Schwerewellen unter dem Einfluss von Oberflächenspannung und Tiefe

Betrachtet man Meereswellen als Schwerewellen unter dem Einfluss von Oberflächenspannung und Tiefe, so ergänzt sich die Dispersionsrelation zu[19]

ω=(gk+σk3ρ)tanh(kh)

Dabei ist σ die Oberflächenspannung und ρ die Dichte des Wassers.

Elastische Wellen in isotropen Medien

In isotropen Festkörpern existieren zwei Arten von elastischen Wellen mit ihren entsprechenden Dispersionsrelationen:

ω=cLk,cL=λ+2μρ=K+43μρ
ω=cTk,cT=μρ

Hierbei sind λ und μ die Lamé-Konstanten und K=λ+23μ der Kompressionsmodul.

Biegewellen in Stäben

Für Schwingungen transversal in Richtung x für Biegewellen, die sich in einem dünnen Stab in Richtung z ausbreiten, gilt[22]:

ω=β k2,mitβ=EIyρA

wobei:

E der Elastizitätsmodul ist,
Iy das axiale Flächenträgheitsmoment ist,
A die Querschnittsfläche ist.

Die Frequenz oder Dispersionsrelation ist also proportional zum Quadrat des Wellenvektors. In einem unbegrenzten Medium hängt sie linear vom Wellenvektor ab.

Querwellen in Drähten (Saiten)

Die Dispersionsrelation für Torsionswellen in einem zylindrischen Stab lautet[23]:

ω=kσρ

wobei σ die Spannung des Drahtes ist.

Torsionsschwingungen eines Stabes

Torsionswellen in einem zylindrischen Stab folgen der Dispersionsrelation[24]:

ω=kGρ=kμρ

wobei G der Schubmodul ist, bzw. μ die zweite Lamé-Konstante.

Hörbare Schallwellen

Hörbare Schallwellen sind ein weiteres Beispiel für dispersionsfreie Wellen, da die Dispersionsrelation linear vom Wellenvektor abhängt[25]:

ω=kγpρ

bei einem Gasdruck p mit der Dichte ρ und dem Adiabatenexponent γ.

Literatur

Einzelnachweise