Chern-Simons-Funktional

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Das Chern-Simons-Funktional ist in Differentialgeometrie, Topologie und mathematischer Physik von Bedeutung. In der Mathematik wird es zur Definition der Chern-Simons-Invariante von Zusammenhängen auf Prinzipalbündeln über 3-Mannigfaltigkeiten verwendet. Ursprünglich von Chern und Simons in der Theorie der sekundären charakteristischen Klassen eingeführt, hatte es mindestens zwei unerwartete Anwendungen, nämlich zum einen Wittens Einordnung in die Quantenfeldtheorie mit einer physikalisch-geometrischen Interpretation des Jones-Polynoms (Topologische Quantenfeldtheorie)[1][2] und zum anderen die Interpretation der Chern-Simons-Invariante flacher Bündel als komplexwertige Version des hyperbolischen Volumens.

Definition

Sei G eine einfach zusammenhängende Lie-Gruppe und M eine 3-dimensionale, geschlossene, orientierbare Mannigfaltigkeit. Unter diesen Voraussetzungen ist jedes G-Prinzipalbündel π:EM trivialisierbar, hat also einen Schnitt s:ME.

Für einen Zusammenhang

ωΩ1(E,𝔤)

wird sein Chern-Simons-Wirkungsfunktional definiert durch

CS(ω,s)=MTr(s*(ωdω+23ωωω)).

Diese Definition hängt a priori von der Wahl eines Schnittes s:ME ab, für eine Eichtransformation

g𝒢=C(M,G)

gilt aber

CS(ω,gs)CS(ω,s)=16Mg*ωMC[ωMC,ωMC],

wobei ωMC die Maurer-Cartan-Form ist.

Man erhält also einen modulo wohldefinierten Wert

CS(ω)/.

Eigenschaften

Sei M eine geschlossene, orientierbare 3-Mannigfaltigkeit und π1G=0. Wir bezeichnen mit 𝒞M die (unendlich-dimensionale) Mannigfaltigkeit aller Zusammenhänge auf G-Prinzipalbündeln über M.

Dann ist CS:𝒞M/ glatt und hat die folgenden Eigenschaften:

  • (Funktorialität)
Wenn ϕ:P1P2 eine Bündelabbildung über einem orientierungserhaltenden Diffeomorphismus ψ:M1M2 ist, dann gilt
CS(ϕ*ω)=CS(ω)
für jeden Zusammenhang ω.
  • (Additivität)
Wenn M=M1M2 eine disjunkte Vereinigung ist und ω ein Zusammenhang auf M, dann gilt
CS(ω)=CS(ωM1)+CS(ωM2).
  • (Erweiterung der Strukturgruppe)
Wenn G1G2 eine Inklusion einfach zusammenhängender, kompakter Lie-Gruppen, ω1 ein Zusammenhang auf einem G1-Bündel E1M und ω2 die Erweiterung von ω1 auf ein G2-Bündel E2M ist, dann gilt
CS(ω1)=CS(ω2).

Flache Zusammenhänge

Es gilt

δCSδω=12πΩ,

wobei Ω die Krümmungsform des Zusammenhangs ω bezeichnet. Die kritischen Punkte des Chern-Simons-Funktionals sind also gerade die flachen Zusammenhänge. Insbesondere ist das Chern-Simons-Funktional konstant auf den Zusammenhangskomponenten des Modulraums flacher Zusammenhänge auf M×G.

Satz von Yoshida

Es sei M eine geschlossene, orientierbare hyperbolische 3-Mannigfaltigkeit und ρ:π1MPSL(2,) ihre Holonomiedarstellung. Dann gilt für das assoziierte flache Bündel Eρ

CS(Eρ)=cs(M)+i2π2vol(M)/,

wobei cs(M) die Riemannsche Chern-Simons-Invariante des Levi-Civita-Zusammenhangs bezeichnet.[3]

Das Bild der Fundamentalklasse unter der Darstellung ρ definiert eine Homologieklasse

(Bρ)*[M]H3(PSL(2,)δ;)B^()

in der erweiterten Bloch-Gruppe und der Rogers-Dilogarithmus

R:B^()/2π2

bildet (Bρ)*[M] auf CS(Eρ) ab. Das liefert eine explizite Formel für die Chern-Simons-Invariante und einen alternativen Beweis des Satzes von Yoshida.[4][5][6]

Algorithmus für flache Bündel

Es sei Eρ ein flaches Bündel über einer geschlossenen, orientierbaren 3-Mannigfaltigkeit M mit Holonomie ρ:π1MSL(n,). Dann bildet der Rogers-Dilogarithmus λ((Bρ)*[M]) auf CS(Eρ) ab, wobei λ:H3(SL(n,);)B^() den kanonischen Homomorphismus bezeichnet.[7] Der Wert von CS(Eρ) kann aus den ptolemäischen Koordinaten der Darstellung ρ zu einer Triangulierung von M berechnet werden. (Dieser Ansatz funktioniert auch für 3-Mannigfaltigkeiten mit Rand M, solange die Einschränkung von ρ auf die Fundamentalgruppen des Randes unipotent ist.) Implementiert ist dieser Algorithmus im Ptolemy Module als Teil der Software SnapPy.

Verallgemeinerung

Vorlage:Hauptartikel In beliebigen Dimensionen kann man Chern-Simons-Formen zur Definition sekundärer charakteristischer Klassen verwenden.

Siehe auch

Literatur

  • Freed, Daniel S.: Classical Chern-Simons theory. I.: Adv. Math. 113, no. 2, 237–303 (1995). pdf II.: Houston J. Math. 28, no. 2, 293–310 (2002). pdf

Einzelnachweise

  1. Witten, Edward: Quantum field theory and the Jones polynomial. Commun. Math. Phys. 121, No. 3, 351-399 (1989).pdf
  2. Bar-Natan, Dror: Perturbative Chern-Simons theory. J. Knot Theory Ramifications 4 (1995), no. 4, 503–547. pdf
  3. Yoshida, Tomoyoshi: The η-invariant of hyperbolic 3-manifolds. Invent. Math. 81, 473-514 (1985). pdf
  4. Neumann, Walter D.: Extended Bloch group and the Cheeger-Chern-Simons class. Geom. Topol. 8, 413-474 (2004). pdf
  5. Goette, Sebastian; Zickert, Christian K.: The extended Bloch group and the Cheeger-Chern-Simons class. Geom. Topol. 11, 1623-1635 (2007). pdf
  6. Marché, Julien: Geometric interpretation of simplicial formulas for the Chern-Simons invariant. Algebr. Geom. Topol. 12, No. 2, 805-827 (2012).
  7. S. Garoufalidis, D. Thurston, C. Zickert: The complex volume of SL(n,C)-representations of 3-manifolds. pdf