Algebra (Mengensystem)

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In der Mathematik ist (Mengen-)Algebra ein Grundbegriff der Maßtheorie. Er beschreibt ein nicht-leeres Mengensystem, das vereinigungs- und komplementstabil ist.

Auch das Teilgebiet der Mathematik, das vom Rechnen mit Mengen handelt, wird als Mengenalgebra bezeichnet. Ähnlich doppeldeutig ist auch der Begriff Algebra, der für ein Teilgebiet der Mathematik und auch für eine spezielle algebraische Struktur benutzt wird. Der hier verwendete Begriff der Mengenalgebra steht aber in einem engen Zusammenhang mit dem der booleschen Algebra, also einer anderen speziellen algebraischen Struktur.

Definition

Sei Ω eine beliebige Menge. Ein System 𝒜 von Teilmengen von Ω heißt eine Mengenalgebra oder Algebra über Ω, wenn folgende Eigenschaften erfüllt sind:

  1. 𝒜   (𝒜 ist nicht leer).
  2. A,B𝒜AB𝒜   (Stabilität/Abgeschlossenheit bezüglich Vereinigung).
  3. A𝒜Ac𝒜   (Stabilität/Abgeschlossenheit bezüglich Komplementbildung Ac=ΩA).

Beispiele

  • Für jede beliebige Menge Ω ist {,Ω} die kleinste und die Potenzmenge 𝒫(Ω) die größte mögliche Mengenalgebra.
  • Jede σ-Algebra ist eine Mengenalgebra.
  • Für jede Menge Ω ist das Mengensystem 𝒜={AΩA endlich oder A𝖼 endlich} eine Mengenalgebra. Wenn Ω unendlich ist, dann ist 𝒜 keine σ-Algebra.

Eigenschaften

  • Jede Mengenalgebra 𝒜 über Ω enthält immer Ω und auch die leere Menge , denn 𝒜 enthält mindestens ein Element A und damit sind Ω=A(ΩA)=AAc𝒜 sowie =ΩΩ=Ωc𝒜.
  • Das 6-Tupel (𝒜,,,,Ω,c) mit der Mengenalgebra 𝒜𝒫(Ω) ist eine boolesche Algebra im Sinne der Verbandstheorie, wobei AB=(AcBc)c𝒜 für alle A,B𝒜 (Stabilität/Abgeschlossenheit bezüglich Durchschnitt). Die leere Menge entspricht dabei dem Nullelement und Ω dem Einselement.
Ist umgekehrt 𝒜𝒫(Ω) ein Mengensystem, so dass (𝒜,,,,Ω,c) eine boolesche Algebra ist, dann ist 𝒜 offensichtlich auch eine Mengenalgebra.
  • Aus der Vereinigungs- sowie Durchschnittsstabilität folgt jeweils induktiv, dass auch jede endliche Vereinigung und jeder endliche Durchschnitt von Elementen der Mengenalgebra 𝒜 in ihr enthalten ist, das heißt für alle n gilt:
A1,,An𝒜A1An𝒜 und A1An𝒜.
Außerdem gilt =𝒜.

Äquivalente Definitionen

Wenn 𝒜 ein System von Teilmengen von Ω ist und wenn A,B Mengen sind, dann sind wegen AB=A(AB) und AB=A(AB) folgende zwei Aussagen äquivalent:

  • A,B𝒜AB𝒜.
  • A,B𝒜AB𝒜 und falls BA auch AB𝒜.

Bezeichnet darüber hinaus AB=(AB)(BA) die symmetrische Differenz von A und B, so sind wegen AB=ABc und AB=A(AB) sowie AB=(AcBc)c äquivalent:

  • 𝒜 ist eine Mengenalgebra.
  • 𝒜 ist ein Mengenverband und es gilt: A𝒜Ac𝒜.
  • (𝒜,,,,Ω,c) ist eine boolesche Algebra.
  • 𝒜 ist ein Mengenring und Ω𝒜.
  • 𝒜 ist ein Mengenhalbring mit Ω𝒜, und es gilt: A,B𝒜AB𝒜.
  • (𝒜,,,Ω) ist ein unitärer Ring im Sinne der Algebra mit Addition , Multiplikation und Eins Ω.
  • (𝒜,,,Ω) ist ein boolescher Ring.
  • (𝒜,,,,Ω) mit der Skalarmultiplikation :𝔽2×𝒜𝒜,(0,A),(1,A)A, ist eine unitäre Algebra im Sinne der Algebra über dem Körper 𝔽2.
  • Ω𝒜 und es gilt: A,B𝒜AB𝒜.
  • 𝒜 und es gilt: A,B𝒜AB𝒜 und Ac𝒜.
  • 𝒜 und es gilt: A,B𝒜AB𝒜 und Ac𝒜.

Operationen mit Algebren

Schnitte von Algebren

Schnitte von zwei Algebren 𝒜1 und 𝒜2, also das Mengensystem

𝒜1𝒜2={AΩ|A𝒜1 und A𝒜2}

sind stets wieder eine Algebra. Denn ist exemplarisch A𝒜1𝒜2, so ist

  • ΩA in 𝒜1, da A auch in 𝒜1 ist.
  • ΩA in 𝒜2, da A auch in 𝒜2 ist.

Somit ist ΩA auch in 𝒜1𝒜2, der Schnitt der Mengensysteme ist also komplementstabil. Die Stabilität bezüglich der anderen Mengenoperationen folgt analog.

Die Aussage gilt ebenso für den Schnitt einer beliebigen Anzahl von Algebren, da sich die obige Argumentation dann auf alle dieser Algebren ausweiten lässt. Somit gilt: ist I eine beliebige Indexmenge und sind 𝒜i Algebren, die alle auf derselben Grundmenge Ω definiert sind, so ist der Schnitt aller dieser Algebren wieder eine Algebra 𝒜I:

AI:=iI𝒜i.

Vereinigungen von Algebren

Die Vereinigung zweier Algebren 𝒜1 und 𝒜2, also das Mengensystem

𝒜1𝒜2={AΩ|A𝒜1 oder A𝒜2}

ist im Allgemeinen keine Algebra mehr. Betrachtet man beispielsweise die beiden Algebren

𝒜1={,{1,2,3},{1},{2,3}}

sowie

𝒜2={,{1,2,3},{3},{1,2}},

auf Ω={1,2,3}, so ist

𝒜1𝒜2={,{1,2,3},{1,2},{2,3},{1},{3}}.

Dieses Mengensystem ist aber nicht vereinigungsstabil, da es {1}{3}={1,3} nicht enthält, und somit auch keine Algebra.

Produkte von Algebren

Vorlage:Belege Sind 1 und 2 Mengensysteme auf Ω1 und Ω2 und wird das Produkt von 1 und 2 definiert als

12:={A×BΩ1×Ω2|A1,B2},

so ist das Produkt von zwei Algebren im Allgemeinen keine Algebra (auf Ω1×Ω2) mehr, sondern lediglich ein Halbring. Denn betrachtet man die Algebra

𝒜={,{1},{2},{1,2}},

über Ω={1,2}, so enthält das Mengensystem 𝒜𝒜 sowohl die Mengen

M1={1,2}×{1,2}={(1,1),(1,2),(2,1),(2,2)} als auch M2={2}×{2}={(2,2)}.

Die Menge

M1M2=M2c={(1,1),(1,2),(2,1)}

ist jedoch nicht in enthalten, da sie sich nicht als kartesisches Produkt zweier Mengen aus 𝒜 darstellen lässt. Somit ist das Produkt der Mengensysteme nicht komplementstabil, kann folglich auch keine Algebra sein.

Definiert man das Produkt von zwei Mengensystemen jedoch als

12:={i=1nAi×Bi|Ai1,Bi2},

so ist das Produkt zweier Algebren wieder eine Algebra. Sie wird unter anderem auch dazu verwendet, die Produkt-σ-Algebra zu definieren.

Zu beachten ist, dass 12 hier nicht das gewöhnliche kartesische Produkt 1×2={(A,B)A1,B2}, sondern ein Mengensystem kartesischer Produkte A×B bezeichnet.

In der Maß- und Wahrscheinlichkeitstheorie wird die vom Mengensystem 12 erzeugte σ-Algebra σ(12) benötigt, die meistens mit 12 bezeichnet wird und Produkt-σ-Algebra genannt wird.[1][2][3]

Abweichende Notationen

Abweichend von dieser Notation, wird die Produkt-σ-Algebra 12 auch mit 1×2 bezeichnet.[4][5][6] Auch wird manchmal das Mengensystem 12 in abweichender Notation mit 1×2 bezeichnet.[7] In diesen beiden Fällen besteht eine Verwechselungsmöglichkeit mit dem gewöhnlichen kartesischen Produkt.

Spur einer Algebra

Die Spur einer Algebra 𝒜 bezüglich einer Menge U, also das Mengensystem

𝒜|U:={AU|A𝒜}

ist immer eine Algebra, unabhängig von der Wahl von U.

Die erzeugte Algebra

Da beliebige Schnitte von Algebren wieder Algebren sind lässt sich der Hüllenoperator

𝒜():=𝒜i𝒜i Algebra𝒜i

definieren. Sie ist per Definition die (bezüglich Mengeninklusion) kleinste Algebra, die das Mengensystem enthält und wird die von erzeugte Algebra genannt.[8]

Beziehung zu verwandten Strukturen

Hierarchie der in der Maßtheorie verwendeten Mengensysteme
  • Die Mengenalgebren sind genau die Mengenringe, die die Grundmenge Ω enthalten. Fasst man Mengenringe als Ring im Sinne der Algebra mit der symmetrischen Differenz als Addition und dem Durchschnitt als Multiplikation auf, so sind die Mengenalgebren gerade die unitären Ringe (d. h. mit Eins-Element) dieser Gestalt.
  • Da Mengenalgebren Ringe sind, sind sie automatisch auch Mengenverbände und Halbringe
  • Wenn eine Mengenalgebra sogar bezüglich der Vereinigung abzählbar unendlich vieler ihrer Elemente abgeschlossen ist, dann erhält man eine σ-(Mengen-)Algebra.
  • Die von einer Algebra erzeugte monotone Klasse entspricht der von der Algebra erzeugten σ-Algebra
  • Jede Algebra ist eine Semialgebra sowohl im engeren als auch im weiteren Sinn.+

Prämaße

Ein fundamentales Resultat ist der Maßerweiterungssatz von Carathéodory, welcher sich mit Prämaßen auf Algebren und deren Fortsetzung als Maße auf σ-Algebren befasst. Sei eine A Algebra und P ein Prämaß auf A, dann lässt sich P auf der σ-Algebra σ(A) fortsetzen.

Literatur

Einzelnachweise