Laguerre-Polynome

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Laguerre-Polynome (benannt nach Edmond Laguerre) sind spezielle Polynome, die auf dem Intervall [0,] ein orthogonales Funktionensystem bilden. Sie sind die Lösungen der laguerreschen Differentialgleichung. Eine wichtige Rolle spielen die Laguerre-Polynome in der theoretischen Physik, insbesondere in der Quantenmechanik.

Differentialgleichung und Polynome

Laguerresche Differentialgleichung

Die laguerresche Differentialgleichung

xy(x)+(1x)y(x)+ny(x)=0,

ist eine gewöhnliche lineare Differentialgleichung zweiter Ordnung für x>0 und n=0,1,2,

Sie ist ein Spezialfall der Sturm-Liouville-Differentialgleichung

exddx(xexdydx)=ny

Erste Polynome

Die ersten fünf Laguerre-Polynome

Die ersten fünf Laguerre-Polynome lauten

L0(x)=1L1(x)=x+1L2(x)=12(x24x+2)L3(x)=16(x3+9x218x+6)L4(x)=124(x416x3+72x296x+24)

In der Physik wird üblicherweise eine Definition verwendet, nach der die Laguerre-Polynome um einen Faktor n! größer sind.

Eigenschaften

Rekursionsformeln

Das Laguerre-Polynom Ln+1(x) lässt sich mit den ersten beiden Polynomen

L0(x)=1
L1(x)=1x

über die folgende Rekursionsformel berechnen

(n+1)Ln+1(x)=((2n+1x)Ln(x)nLn1(x)).

Des Weiteren gelten folgende Rekursionsformeln:

Ln(x)=Ln1(x)Ln1(x),
(xn1)Ln(x)=(n+1)Ln+1(x)(2n+2x)Ln(x)+(n+1)Ln+1(x),
xLn(x)=nLn(x)nLn1(x).

Eine explizite Formel für die Laguerre-Polynome lautet

Ln(x)=k=0n(nk)(1)kk!xk.
Beispiel

Es wird das Polynom L3(x) für n=2 berechnet. Also

L3(x)=13((4+1x)L2(x)2L1(x)).

Um dieses Polynom zu erhalten, ist es notwendig, das Polynom L2(x) für n=1 zu bestimmen. Es ergibt sich

L2(x)=12((2+1x)L1(x)1L0(x))=12((3x)(1x)1)=12(34x+x21)=12(24x+x2)

Somit lautet das Polynom L3(x)

L3(x)=13((4+1x)12(24x+x2)2(1x))=16((5x)(24x+x2)4+4x)=16(1020x+5x22x+4x2x34+4x)=16(618x+9x2x3).

Rodrigues-Formel

Das n-te Laguerre-Polynom lässt sich mit der Rodrigues-Formel wie folgt darstellen

Ln(x)=exn!dndxn(xnex)

und

Ln(x)=1n!(ddx1)nxn.

Aus der ersten Gleichung berechnet sich das Laguerre-Polynom mit der Produktregel für höhere Ableitungen und den Identitäten dndxn(exxn)=(exxn)(n), (ex)(k)=(1)kex sowie (xn)(nk)=n!k!xk gemäß

Ln(x)=exn!dndxn(exxn)=exn!(exxn)(n)=exn!k=0n(nk)(ex)(k)(xn)(nk)=exn!k=0n(nk)(1)kexn!k!xk=k=0n(nk)(1)kk!xk.

Aus der zweiten Gleichung ergibt sich das Laguerre-Polynom mit dem binomischen Lehrsatz und der Identität (ddx)(nk)xn=(xn)(nk)=n!k!xk wie folgt

Ln(x)=1n!(ddx1)nxn=1n!(1+ddx)nxn=1n!k=0n(nk)(1)k(ddx)(nk)xn=1n!k=0n(nk)(1)k(xn)(nk)=1n!k=0n(nk)(1)kn!k!xk=k=0n(nk)(1)kk!xk.

Orthogonale Polynome

Da die Laguerre-Polynome für n und/oder x divergent sind, bilden sie keinen Prähilbertraum und keinen Hilbertraum. Deshalb wird eine Gewichtsfunktion eingeführt, welche die Lösung der Differentialgleichung ungeändert lässt und welche dafür sorgt, dass die Laguerre-Polynome quadratintegrierbar werden. Unter diesen Voraussetzungen bilden die Eigenfunktionen Ln eine Orthonormalbasis im Hilbertraum L2([0,],w(x)dx) der quadratintegrierbaren Funktionen mit der Gewichtsfunktion w(x)=ex. Demzufolge gilt

Ln,Lm=0exLn(x)Lm(x)dx=δnm.

Hierbei bedeutet δnm das Kronecker-Delta.

Beweis

Teil 1: Zunächst wird gezeigt, dass die Laguerre-Polynome mit dem Gewicht w(x)=ex orthogonal sind, für nm gilt demnach Ln,Lm=0exLn(x)Lm(x)dx=0.

Mit dem Sturm-Liouville-Operator =exddx(xexddx) ergeben sich für die Laguerre-Polynome Ln,Lm folgende Ausgangsgleichungen:

(1) Ln=exddx(xexdLndx)=nLn

und

(2) Lm=exddx(xexdLmdx)=mLm.

Wird Gleichung (1) von links mit Lm multipliziert und von Gleichung (2), welche ebenfalls von links mit Ln multipliziert wird, subtrahiert, so ergeben sich die beiden Gleichungen:

(3) LnLmLmLn=Lnexddx(xexdLmdx)+Lmexddx(xexdLndx)

und

(4) LnLmLmLn=(mn)LmLn.

Zunächst wird Gleichung (3) zusammengefasst. Mit der Produktregel für Ableitungen, der Term ex bleibt hierbei unberücksichtigt, ergeben sich folgende Darstellungen

Lnddx(xexdLmdx)=ddx(xexLndLmdx)(xexdLmdx)dLndx

und

Lmddx(xexdLndx)=ddx(xexLmdLndx)(xexdLndx)dLmdx.

Auf diese Weise wird erkennbar, dass der zweite Term in beiden Ableitungen gleich ist und bei der Differenzenbildung verschwindet, also:

(5) LnLmLmLn=exddx(xexLndLmdx)+exddx(xexLmdLndx)=exddx(xex(LndLmdxLmdLndx))=exddx(xexW(Ln,Lm)),

wobei W(Ln,Lm)=|LnLmLnLm| die Wronski-Determinante der Funktionen Ln,Lm bedeutet.

Zur Berechnung der Wronski-Determinante mittels der Abelschen Identität wird die Differentialgleichung y=exddx(xexddx)y=xyex(xex)y=xy(1x)y=0 oder y+1xxy=0 betrachtet, so dass eine hebbare Singularität bei x=0 entsteht. Die Koeffizientenmatrix des Fundamentalsystems lautet dann (0101xx) und deren Spur ist Spur((0101xx))=1xx. Somit lautet die Abelsche Identität:

W(Ln,Lm)(x)=W(Ln,Lm)(0)exp(0x(11ξ)dξ).

Da Ln und Lm linear unabhängig sind, ist W(Ln,Lm)(0)>0 – bei genauer Betrachtung ist W(Ln,Lm)(0)=1 – und es ergibt sich folgendes Resultat:

W(Ln,Lm)(x)=W(Ln,Lm)(0)exp(0x(11ξ)dξ)=W(Ln,Lm)(0)exp([ξlnξ]0x)=limξxW(Ln,Lm)(0)exp(ξlnξ)limξ0W(Ln,Lm)(0)exp(ξlnξ)=limξxW(Ln,Lm)(0)exp(ξ)exp(lnξ)limξ0W(Ln,Lm)(0)exp(ξ)exp(lnξ)=limξxW(Ln,Lm)(0)eξξ+limξ0W(Ln,Lm)(0)eξξ=W(Ln,Lm)(0)exx+limξ0W(Ln,Lm)(0)eξξ+C.

Die Integrationskonstante wird C=limξ0W(Ln,Lm)(0)eξξ gewählt und Gleichung (5) wird mit ex multipliziert, so dass folgt:

ex(LnLmLmLn)=ddx(xexW(Ln,Lm)(0)exx)=ddx(W(Ln,Lm)(0))

Nach Umformen und Trennung der Variablen lautet die Gleichung nun:

ex(LnLmLmLn)dx=d(W(Ln,Lm)(0))

Auf beiden Seiten der Gleichung stehen nun eindimensionale Pfaffsche Formen und da W(Ln,Lm)(0) eine konstante Funktion ist, gilt d(W(Ln,Lm)(0))=0. Für die Berechnung der verbleibenden Pfaffschen Form ist eine geeignete Parametrisierung φ(t)=t,φ(t0)=0,φ(t1)=,φ˙(t)=1 zu wählen. Das Integral lautet nun:

φω=0ωφ(t)(φ˙(t))dt=0w(LnLmLmLn)dt=0.[1]

Demnach verschwindet das Integral längs dem Intervall [0,], so dass unter Verwendung von Gleichung (4) gilt:

0=(mn)0exLmLndt

Diese Bedingung kann nur erfüllt werden, wenn:

Ln,Lm=Lm,Ln=0.


Teil 2: Im Folgenden wird gezeigt, dass die Laguerre-Polynome mit dem Gewicht w(x)=ex beschränkt sind,[2] für n=m gilt demnach Ln,Lm=exLn(x)Lm(x)dx=1, oder abkürzend Ln,Ln=1.

Für den Beweis wird einerseits die Reihendarstellung Ln(x)=k=0n(1)kk!xk und anderseits die Rodrigues-Formel Ln(x)=exn!dndxn(exxn) benutzt. Es gilt:

Ln,Ln=0exk=0n(1)kk!xkexn!dndxn(exxn)dx=k=0n(1)kk!0xk1n!dndxn(exxn)dx.

Für n=0 mit dn=0dxn=0(exx0)=exx0 ergibt sich:

Ln,Ln=0x0(exx0)dx=0exdx=[ex]0=1.

Wird nun für n>0 das Laguerre-Polynom zerlegt, so folgt:

Ln,Ln=k=0n1(1)kk!0xk1n!dndxn(exxn)dx+(1)nn!0xn1n!dndxn(exxn)dx.

Durch diese Zerlegung wird der Grad des Polynoms in der Summe um 1 reduziert und in der Folge gilt L(n1),Ln=0, wie in Teil 1 gezeigt. Es verbleibt somit lediglich der zweite Term, der mit partieller Integration berechnet wird, also:

Ln,Ln=(1)nn!0xn1n!dndxn(exxn)dx=(1)nn![xn1n!d(n1)dx(n1)(exxn)]0n(1)nn!0x(n1)1n!d(n1)dx(n1)(exxn)dx

Die Stammfunktion wurde mithilfe der Produktregel berechnet und es ergibt sich im Grenzwert limx0xn1n!d(n1)dx(n1)(exxn)=k=0n1limx0xn1n!(nk)(ex)k(xn)(nk)=0. Dasselbe Resultat wird im Grenzwert limx erhalten. Da dieses Ergebnis für alle n partiellen Integrationen gilt, folgt:

Ln,Ln=(1)1n(1)nn!0x(n1)1n!d(n1)dx(n1)(exxn)dx=(1)2n(n1)(1)nn!0x(n2)1n!d(n2)dx(n2)(exxn)dx=(1)nn!(1)nn!0x(nn)1n!d(nn)dx(nn)(exxn)dx=(1)2nn!0exxndx=1n!0exxndx

Mittels weiterer n-facher partieller Integration oder Integrationstabelle folgt 0exxndx=n! und somit:

Ln,Ln=1.

Aus Teil 1 und Teil 2 ergibt sich:

Ln,Lm=0exLn(x)Lm(x)dx=δnm.

Erzeugende Funktion

Eine erzeugende Funktion für das Laguerre-Polynom lautet

n=0Ln(x)tn=11tetx1t

Zugeordnete Laguerre-Polynome

Einige zugeordnete Laguerre-Polynome

Die zugeordneten (verallgemeinerten) Laguerre-Polynome hängen mit den gewöhnlichen Laguerre-Polynomen über

Lnk(x)=(1)kdkdxkLn+k(x)k=0,1,

zusammen. Ihre Rodrigues-Formel lautet

Lnk(x)=exxkn!dndxn(exxn+k).

Die zugeordneten Laguerre-Polynome erfüllen die zugeordnete Laguerre-Gleichung

xy(x)+(k+1x)y(x)+ny(x)=0,n=0,1,

Die ersten zugeordneten Laguerre-Polynome lauten:

L0k(x)=1
L1k(x)=x+k+1
L2k(x)=12[x22(k+2)x+(k+1)(k+2)]
L3k(x)=16[x3+3(k+3)x23(k+2)(k+3)x+(k+1)(k+2)(k+3)]

Zur Berechnung lässt sich die Rekursionsformel

(n+1)Ln+1k(x)=(2n+1+kx)Lnk(x)(n+k)Ln1k(x)

verwenden.

Der Sturm-Liouville-Operator lautet

=exddx(xk+1exddx)

und mit der Gewichtsfunktion ex gilt:

0exxkLmk(x)Lnk(x)dx=0mn
0exxk(Lnk(x))2dx=Γ(n+k+1)n!n=0,1,

Zugeordnete Laguerre-Polynome lassen sich als Wegintegrale ausdrücken:

Lnk(x)=12πiCext1t(1t)k+1tn+1dt,

Dabei ist C ein Weg, der den Ursprung einmal im Gegenuhrzeigersinn umrundet und die wesentliche Singularität bei 1 nicht einschließt.

Asymptotische Analysis

Wasserstoffatom

Die Laguerre-Polynome haben eine Anwendung in der Quantenmechanik bei der Lösung der Schrödinger-Gleichung für das Wasserstoffatom bzw. im allgemeinen Fall für ein Coulomb-Potential.[3] Mittels der zugeordneten Laguerre-Polynome lässt sich der Radialanteil der Wellenfunktion schreiben als

Rnl(r)=Dnleκr(2κr)lLnl12l+1(2κr)

(Normierungskonstante Dnl, charakteristische Länge κ, Hauptquantenzahl n, Bahndrehimpulsquantenzahl l). Die zugeordneten Laguerre-Polynome haben hier also eine entscheidende Rolle. Die normierte Gesamtwellenfunktion ist durch

Ψn,l,m(r,ϑ,φ)=4(nl1)!(n+l)!n(na0/Z)3[2rna0/Z]lexp{rna0/Z}Lnl12l+1(2rna0/Z)Yl,m(ϑ,φ)

gegeben, mit der Hauptquantenzahl n, der Bahndrehimpulsquantenzahl l, der magnetischen Quantenzahl m, dem bohrschen Radius a0 und der Kernladungszahl Z. Die Funktionen Lnl(r) sind die zugeordneten Laguerre-Polynome, Yl,m(ϑ,φ) die Kugelflächenfunktionen.

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Wegen der linearen Parametrisierung kann o.B.d.A. das Differential dt=dx gewählt werden.
  2. In der Physik wird statt beschränkt üblicherweise der Begriff normiert verwendet.
  3. Harro Heuser: Gewöhnliche Differentialgleichungen, Vieweg+Teubner 2009 (6. Auflage), Seite 352–354, ISBN 978-3-8348-0705-2