Homotopie-Faser

In der Algebraischen Topologie, einem Teilgebiet der Mathematik, ist die Homotopie-Faser einer Abbildung ein nützlicher Begriff der Homotopietheorie.

Definition

Zu jeder stetigen Abbildung topologischer Räume

$f:X\to Y$

gibt es eine Homotopie-Äquivalenz $\varphi :X^{\prime }\to X$, so dass

$f\circ \varphi :X^{\prime }\to Y$

eine Faserung ist. Die Faser dieser Faserung heißt Homotopie-Faser von $f$. Sie ist nur bis auf Homotopie-Äquivalenz eindeutig bestimmt.

Konstruktion

Inklusionen

Wir betrachten zunächst den einfacheren Fall, dass $\iota :X\to Y$ eine injektive Abbildung ist. In diesem Fall kann man $X^{\prime }$ konstruieren als Menge aller Wege in $Y$, die in $X$ enden.

$X^{\prime }=\{\sigma \in Y^I:\sigma (1)\in X\}$.

$X$ kann in $X^{\prime }$ als Menge der konstanten Wege eingebettet werden und man hat dann eine Homotopie-Äquivalenz $X^{\prime }\to X$. Die Abbildung $\sigma \to \sigma (0)$ definiert eine Faserung $X^{\prime }\to Y$ und für einen festen Punkt $x_0\in Y$ ist die Faser $F$ die Menge aller Wege in $Y$, die im festen Basispunkt $x_0$ starten und in $X$ enden.

$F=\{\sigma \in Y^I:\sigma (0)=x_0,\sigma (1)\in X\}$

Beispiel

Das Produkt zweier Kreise ist ein Torus, die Einpunktvereinigung der Kreise bildet in den Torus ab.

Als ein Beispiel betrachten wir die Inklusion der Einpunktvereinigung $X\vee Y$ in das Produkt $X\times Y$. Die Homotopie-Faser ist mit der obigen Beschreibung die Vereinigung $PX\times \mathrm{\Omega }Y\cup \mathrm{\Omega }X\times PY$ entlang des Durchschnitts $\mathrm{\Omega }X\times \mathrm{\Omega }Y$. (Hier bezeichnet $PX$ den Wegeraum und $\mathrm{\Omega }X$ den Schleifenraum.)

Falls $X$ und $Y$ den Homotopietyp von CW-Komplexen haben, ist diese Homotopie-Faser schwach homotopieäquivalent zum Verbund $\mathrm{\Omega }X*\mathrm{\Omega }Y$ der beiden Schleifenräume.

Allgemeine Abbildungen

Für eine nicht notwendig injektive Abbildung $f:X\to Y$ betrachte

$X^{\prime }=\{(x,\sigma )\in X\times Y^I:f(x)=\sigma (1)\}$.

$X$ kann in $X^{\prime }$ mittels $x\to (x,{\sigma }_x)$ für den jeweils konstanten Weg ${\sigma }_x$ eingebettet werden und man hat dann eine Homotopie-Äquivalenz $X^{\prime }\to X$. Die Abbildung $(x,\sigma )\to \sigma (0)$ definiert eine Faserung $X^{\prime }\to Y$ und für einen festen Punkt $x_0\in Y$ ist die Faser

$F=\{(x,\sigma )\in X\times Y^I:\sigma (0)=x_0,f(x)=\sigma (1)\}$

Lange exakte Sequenz

Sei $f:X\to Y$ eine stetige Abbildung und $F$ ihre Homotopie-Faser. Dann hat man eine lange exakte Sequenz von Homotopiegruppen

$\dots \to {\pi }_{n+1}(Y,y)\to {\pi }_n(F,(x,{\sigma }_x))\to {\pi }_n(X,x)\to {\pi }_n(Y,y)\to {\pi }_{n-1}(F,(x,{\sigma }_x))\to \dots$.

Hier ist $x\in X,y=f(x)$ und ${\sigma }_x\in F$ ist der Weg in $Y$, der konstant $f(x)$ ist.

Aus der Kenntnis der Homotopie-Faser erhält man also Zusammenhänge zwischen den Homotopiegruppen von $X$ und $Y$.

Literatur

• R. Bott, L. Tu: Differential forms in Algebraic Topology, Graduate Texts in Mathematics, Springer, 1982. (Seite 249–250)