Schleifenraum

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Der Schleifenraum ist eine Konstruktion aus dem mathematischen Teilgebiet der Topologie, insbesondere der Homotopietheorie.

Definition

Es sei (X,x0) ein punktierter topologischer Raum. Es sei C([0,1],X) der Raum aller stetigen Funktionen w:[0,1]X, versehen mit kompakt-offenen-Topologie. Der Schleifenraum von (X,x0) ist der Unterraum

Ω(X,x0):={wC([0,1],X)w(0)=w(1)=x0}

mit der Teilraumtopologie.

Die „Punkte“ von Ω(X,x0) sind also geschlossene Wege w mit Start- und Endpunkt x0, sogenannte Schleifen an x0. Daraus erklärt sich die Bezeichnung Schleifenraum.

Der Schleifenraum Ω(X,x0) ist in natürlicher Weise selbst wieder ein punktierter topologischer Raum, als Basispunkt nimmt man die konstante Schleife k:[0,1]X,k(t)=x0 für alle t[0,1].

Schleifenraum als Funktor

Sind (X,x0) und (Y,y0) punktierte topologische Räume und ist f:(X,x0)(Y,y0) eine stetige Abbildung, so ist durch

Ωf:Ω(X,x0)Ω(Y,y0),wfw

eine stetige Abbildung zwischen den Schleifenräumen erklärt. Ist (Z,z0) ein dritter punktierter topologischer Raum und g:(Y,y0)(Z,z0) stetig, so gilt offenbar

Ω(gf)=ΩgΩf.

Auf diese Weise erhält man einen Funktor auf der Kategorie der punktierten topologischen Räume.[1]

Homotopien und Fundamentalgruppe

Eine Homotopie zwischen zwei Schleifen v,wΩ(X,x0) ist eine stetige Abbildung

H:[0,1]×[0,1]X, so dass
H(s,0)=v(s)   für alle s[0,1]
H(s,1)=w(s)   für alle s[0,1]
H(0,t)=H(1,t)=x0   für alle t[0,1]

Das stellt man sich so vor, dass die Schleifen v=H(,0) und w=H(,1) durch die H(,t) stetig ineinander „deformiert“ werden. Die letzte der genannten Bedingungen stellt sicher, dass die H(,t) ebenfalls Schleifen an x0 sind. Solche Homotopien, die den Basispunkt des punktierten topologischen Raums festhalten, nennt man genauer punktierte Homotopien.

Homotopie zwischen Schleifen ist eine Äquivalenzrelation, die Menge der Äquivalenzklassen von Ω(X,x0) wird oft mit π1(X,x0) bezeichnet. Die Äquivalenzklasse einer Schleife w wird mit [w] bezeichnet und Homotopieklasse genannt.

Sind zwei Schleifen v,wΩ(X,x0) gegeben, so kann daraus eine neue Schleife v*w gebildet, die zuerst v durchläuft und danach w, genauer

(v*w)(t)={v(2t) für t[0,12]w(2t1) für t[12,1].

Diese Verknüpfung ist mit der Homotopie von Schleifen verträglich, induziert also eine Verknüpfung auf der Menge π1(X,x0) der Homotopieklassen: [v]*[w]:=[v*w]. Man kann zeigen, dass diese Verknüpfung π1(X,x0) zu einer Gruppe macht, die man die Fundamentalgruppe von (X,x0) nennt[2], neutrales Element ist [k], die Homotopieklasse der konstanten Schleife. Der Schleifenraum selbst ist mit der Verknüpfung * keine Gruppe, es ist also notwendig, zu den Homotopieklassen überzugehen.

Beziehung zur Einhängung

Die Einhängung Σ(X,x0) des punktierten topologischen Raums (X,x0) ist als Quotientenraum

Σ(X,x0)=(X×[0,1])/(X×{0}X×{1}{x0}×[0,1])

definiert, q:X×[0,1]Σ(X,x0) sei die Quotientenabbildung, wobei wie üblich das Bild von X×{0}X×{1}{x0}×[0,1] als Basispunkt in Σ(X,x0) genommen wird. Es sei (Y,y0) ein weiterer punktierter topologischer Raum. Zu einer stetigen Abbildung

f:Σ(X,x0)(Y,y0)

erhält man eine stetige Abbildung

fq:X×[0,1]Y

und damit eine stetige Abbildung

f~:(X,x0)Ω(Y,y0),(f~(x))(t):=(fq)(x,t),xX,t[0,1].

Da (x,0) und (x,1) unter q auf den Basispunkt von Σ(X,x0) abgebildet werden und f Basispunkte erhält, ist (fq)(x,0)=(fq)(x,1)=y0, das heißt f~(x) ist tatsächlich ein Element des Schleifenraums Ω(Y,y0). Wir erhalten somit eine bijektive Abbildung

C(Σ(X,x0),(Y,y0))C((X,x0),Ω(Y,y0)),ff~

in der Kategorie der punktierten topologischen Räume, diese Abbildung ist mit punktierten Homotopien verträglich, induziert daher eine Bijektion zwischen den Mengen der Homotopieklassen. In diesem Sinne sind die Funktoren Ω und Σ adjungiert.[3]

Einzelnachweise

  1. Tammo tom Dieck: Algebraic Topology, European Mathematical Society (2008), ISBN 978-3-03719-048-7, Abschnitt 4.4: Loop Space
  2. Johann Cigler, Hans-Christian Reichel: Topologie. Eine Grundvorlesung, Bibliographisches Institut Mannheim (1978), ISBN 3-411-00121-6, Absatz 7.1, Satz 1
  3. Tammo tom Dieck: Algebraic Topology, European Mathematical Society (2008), ISBN 978-3-03719-048-7, Abschnitt 4.4: Loop Space