Symmetrische Gleichung

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Eine symmetrische Gleichung, symmetrisches Polynom, reziproke Gleichung oder reziprokes Polynom ist eine polynomiale (ganzrationale) Gleichung, deren Koeffizientenfolge symmetrisch ist. Leonhard Euler hat diesen Gleichungstyp als reziproke Gleichung bezeichnet, da die Substitution von x durch 1x nach einfachen Umformungen wieder auf dieselbe Gleichung führt. Daneben ist mit jeder Nullstelle x auch 1x eine Nullstelle der Gleichung. Sind die Koeffizienten dem Betrag nach symmetrisch, unterscheiden sich aber nach dem Vorzeichen, spricht man von einer antisymmetrischen Gleichung.

Definition

Eine polynomiale Gleichung n-ten Grades

anxn+an1xn1++a1x+a0=0

heißt

  • symmetrisch, palindromisch[1] (engl.: palindromic polynomial oder auch self-reciprocal), wenn ak=ank für alle k=0,1,,n gilt,
  • antisymmetrisch oder antipalindromisch, wenn ak=ank für alle k=0,1,,n gilt.

Außerdem gilt im

  • symmetrischen Fall p(x)=xnp(1x)=a0xn+a1xn1++a1x+a0
  • antisymmetrischen Fall p(x)=xnp(1x)=a0xn+a1xn1+a1xa0

Eigenschaften

Betrachtet man das symmetrische Polynom

a0xn+a1xn1++a1x+a0=0 (1)

und substituiert x:=1x

a0(1x)n+a1(1x)n1++a1(1x)+a0=0 (2)

so wird durch Multiplikation mit xn Gleichung (2) wieder die ursprüngliche Gleichung (1) überführt.
Aus dieser Äquivalenz folgt die von Euler erkannte reziproke Eigenschaft, dass mit x auch 1x eine Nullstelle einer symmetrischen Gleichung sein muss.

Weiterhin gilt mit p(x)=anxn+an1xn1++a1x+a0, wobei p(x) ein Polynom vom Grad n mit reellen oder komplexen Koeffizienten ist:

  • Wenn p(x) palindromisch oder antipalindromisch ist, ist a00
  • Wegen a00 kann x=0 nie eine Nullstelle sein
  • Wenn p(x) antipalindromisch und n gerade ist, gilt an/2=0.
  • Wenn p(x) palindromisch und n ungerade ist, gilt p(1)=0. Wenn p(x) antipalindromisch ist, gilt p(1)=0.
  • Wenn p(x) palindromisch oder antipalindromisch und p(x0)=0 ist, so ist x00 und p(1x0)=0. x0 und 1x0 sind dann Nullstellen derselben Vielfachheit der (anti-)symmetrischen Gleichung p(x)=0.
  • Sind p(x) und q(x) palindromische Polynome, so ist auch das Produkt p(x)q(x) palindromisch. Sind beide Faktoren antipalindromisch, so ist das Produkt ebenfalls palindromisch. Ist ein Faktor palindromisch und der andere antipalindromisch, so ist das Produkt antipalindromisch.
  • Sind p(x) und p(x)q(x) palindromische oder antipalindromische Polynome, so ist auch q(x) palindromisch oder antipalindromisch.
  • Ist mit jeder Nullstelle x0 der Gleichung p(x)=0 auch der Reziprokwert 1x0 eine Nullstelle der Gleichung mit derselben Vielfachheit wie x0, dann ist die Gleichung symmetrisch oder antisymmetrisch.
  • Ist r(x) ein Polynom vom Grad m, so ist xmr(x+1x) ein palindromisches und xmr(x1x) ein antipalindromisches Polynom vom Grad 2m.
  • Ist p(x) ein palindromisches (bzw. antipalindromisches) Polynom vom Grad n=2m, so existiert genau ein Polynom r(x) vom Grad m mit p(x)=xmr(x+1x) (bzw. p(x)=xmr(x1x)).
  • Wenn alle Koeffizienten ai reell sind und alle komplexen Nullstellen von p(x) den Betrag 1 haben, dann ist p(x) palindromisch oder antipalindromisch.[2]

Anwendungsgebiete (Beispiele)

  • Die Kreisteilungspolynome sind symmetrisch.
  • Alexanderpolynome von Knoten (siehe Knotentheorie) sind symmetrisch. Für ein Alexander-Polynom der Form c0+c1t++c0tn führt (nach Skalierung mit tn/2) die Substitution z2:=t+1t2 auf das Conway-Polynom, ein spezielles Alexander-Polynom.

Allgemeine Lösungsstrategien

Für allgemeine Gleichungen ab dem 5. Grad existiert keine allgemeine Lösungsformel zur Bestimmung der Nullstellen mehr. Symmetrische und antisymmetrische Gleichungen können dagegen aufgrund ihrer speziellen Eigenschaften bis zum 9. Grade auf Gleichungen bis 4. Grades zurückgeführt werden. Vorlage:Hauptartikel

Symmetrische Gleichungen

Aus dem verallgemeinerten Wurzelsatz von Vieta lässt sich allgemein ableiten, dass bei einem Polynom a0=(1)nanx1x2xn ist, also dass in a0 das Produkt aller Nullstellen steckt. Bei einer symmetrischen Gleichung vom Grad n ist der Koeffizient an0 und aus der Symmetrie der Koeffizienten folgt auch, dass a00. Daher kann x=0 nie Nullstelle einer symmetrischen Gleichung sein kann, weil sonst a0=0an sein müsste.

Symmetrischen Gleichungen ungeraden Grades

Bringt man die symmetrische Gleichung auf Normalform, d. h. ist der Koeffizient der höchsten Potenz an=1, so folgt daraus, dass auch der Koeffizient des absoluten Gliedes a0=1 ist. Aus der oben gegebenen Darstellung von a0 nach Vieta folgt, dass die Nullstellen paarweise reziprok zueinander sind und das Produkt dieser Paare jeweils mit dem Faktor 1 zu a0 beiträgt. Die verbliebene Nullstelle muss bei ungeradem Grad und reellen Koeffizienten stets a0an=1 sein. Der entsprechende Linearfaktor (x+1) wird mit Hilfe der Polynomdivision abdividiert, so dass eine symmetrische Gleichung mit einem um eins erniedrigten, geraden Grad entsteht.

Symmetrischen Gleichungen geraden Grades

Die allgemeine Lösungsstrategie für symmetrische Gleichungen mit geradem Grad n und reellen Koeffizienten beruht auf folgenden Schritten[3]:

  1. Division aller Glieder des Polynoms durch xn2
  2. Zusammenfassen der Glieder mit gleichem Koeffizienten und Ausklammern des Koeffizienten ai=ani
  3. Substitution (xi+1xi) anwenden, siehe Abschnitt Substitutionen
  4. Ausmultiplizieren führt zu einem Polynom in u vom Grad n2
  5. Nullstellen für u berechnen
  6. Einsetzen jeder Nullstelle von u in die Substitutionsgleichung (x+1x)=u und Auflösung nach x, so dass mit jedem u zwei Nullstellen x aus der Gleichung x2ux+1=0 bestimmt werden können.

Substitutionen

Für die Berechnung werden folgende Substitutionen verwendet:

x+ 1x =ux2+1x2=u22x3+1x3=u33ux4+1x4=u44u2+2

Weitere Substitutionen für Potenzen ab n2 lassen sich mit der folgenden Rekursionsformel aus bereits bekannten Substitutionen ermitteln:

xn+1xn=(x+1x)(xn1+1xn1)(xn2+1xn2)

Resubstitution zur Berechnung der Nullstellen

Sobald man eine Nullstelle ui gefunden hat, löst man die einfachste Substitutionsgleichung (x+1x)=u nach x auf. Dadurch ergeben sich für jedes ui zwei Nullstellen für x aus der quadratischen Gleichung:

x2uix+1=0

Aus der Symmetrie dieser Gleichung und weil das absolute Glied dieser quadratischen Gleichung in Normalform 1 ist, folgt aus dem Vietaschen Wurzelsatz, dass die beiden Nullstellen dieser quadratischen Gleichung zueinander reziprok sein müssen. Die Nullstellen ergeben sich nach der p-q-Formel zu:

x1/2=12(ui±ui24) mit x1=1x2.

Antisymmetrische Gleichungen

Bei antisymmetrischen Gleichungen vom Grade n gibt es bei ungeradem n zu jedem Koeffizienten das negative Gegenstück, so dass ai+ani=0 gilt. Bei antisymmetrischen Gleichungen geraden Grades gibt es jedoch nur einen mittleren Koeffizienten, der für den folgenden Lösungsweg Null sein muss (an/2=0), siehe auch Abschnitt ‘Eigenschaften’.

Antisymmetrische Gleichungen ungeraden Grades

Aus dem Vietaschen Wurzelsatz lässt sich ableiten, dass asymmetrische Gleichungen bei ungeradem Grad n und reellen Koeffizienten stets a0an=+1 sein muss. Der entsprechende Linearfaktor (x1) wird mit Hilfe der Polynomdivision abdividiert, so dass eine Gleichung von geraden Grade n1 entsteht.

Antisymmetrische Gleichungen geraden Grades

Betrachtet man den Lösungsweg am Beispiel einer Gleichung 8. Grades, so ist die Ausgangsgleichung folgendermaßen aufgebaut:

ax8+bx7+cx6+dx5+0x4dx3cx2bxa=0

Nun werden die zusammengehörigen Koeffizienten ausgeklammert, so dass nach Division durch 1x4 und umordnen die folgende Darstellung ergibt

a(x41x4)+b(x31x3)+c(x21x2)+d(x1x)=0

Hier lässt sich sofort der Faktor x1x ausklammern und die Gleichung faktorisieren:

(x1x)(a(x3+x+1x+1x3)+b(x2+1+1x2)+c(x+1x)+d)=0

Der Faktor x1x offenbart bereits zwei Nullstellen der antisymmetrischen Gleichung geraden Grades, nämlich –1 und +1.

Der andere Faktor wird zunächst auf die Form einer kubischen Gleichung gebracht und so wie bei der symmetrischen Gleichung zusammengefasst:

a(x3+1x3)+a(x+1x)+b(x2+1x2)+b+c(x+1x)+d=0
a(x3+1x3)+b(x2+1x2)+(a+c)(x+1x)+(b+d)=0

Wendet man die von der symmetrischen Gleichung bekannten Substitutionen mit u an, ergibt sich:

a(u33u)+b(u22)+(a+c)u+b+d=0

Der weitere Lösungsweg entspricht dem der symmetrischen Gleichung.

Andere reziproke Gleichungen

Für reziproke Gleichungen, bei denen neben jedem xi auch immer 1xi eine Nullstelle ist, lassen sich Substitutionen konstruieren und damit Nullstellen berechnen. Dazu eignet sich die Substitution

x1x=u

Mit den bereits beschriebenen Methoden können Substitutionen von höheren Potenzen ermittelt werden:

x2+1x2=u2+2;x31x3=u3+3u;x4+1x4=u4+4u2+2

Wie sich hier zeigt, ist x2n+1x2n für die geraden Potenzen von x eine Summe, keine Differenz.

Damit lassen sich beispielsweise folgende spezielle Gleichungstypen lösen:

x4±ax3+bx2ax+1=0
x6±ax5+bx4+cx3+bx2ax+1=0
x8±ax7+bx6±cx5+dx4cx3+bx2ax+1=0

Wie an den Beispielen leicht zu erkennen ist, haben diese Gleichungen nicht die Struktur einer antisymmetrischen Gleichung im Sinne der oben gegebenen Definition. Die Lösung durch Substitution ist nur möglich, wenn ungleiche Vorzeichen stets und nur bei den Koeffizienten von ungeraden Potenzen auftreten.

Lösungsformeln für spezielle Gleichungen

Die folgenden Beispiele zeigen, wie die Substitution auf eine Gleichung in u führt.

Symmetrische Gleichung 4. Grades

Für eine quartische Gleichung

ax4+bx3+cx2+bx+a=0

ergibt sich nach Division durch x2 und Zusammenfassung der Glieder:

a(x2+1x2)+b(x+1x)+c=0

Nach der Substitution mit (x+1x)=u und (x2+1x2)=u22 ergibt sich die quadratische Gleichung in u:

au2+bu+c2a=0

Daraus ermittelt man die beiden Nullstellen u1 und u2. Im nächsten Schritt wird die Substitution rückgängig gemacht und alle vier Nullstellen xi der quartischen Gleichung durch Auflösung von (xi+1xi)=u für jedes der beiden u berechnet.

Beispiel: Die Gleichung 6x45x338x25x+6=0 wird durch die gezeigte Substitution zur quadratischen Gleichung 6u25u50=0. Daraus ergeben sich die Nullstellen u1=103 und u2=52.

Für die Resubstitution sucht man sich die einfachste Gleichung aus, nämlich (x+1x)=u, formt sie zur quadratischen Gleichung x2ux+1=0 um und setzt u1 und u2 ein:

  • Mit u1 ergibt sich x2103x+1=0 und die Nullstellen 3 und 13
  • Mit u2 ergibt sich x2+52x+1=0 und die Nullstellen −2, 12

Dies sind auch die Nullstellen der quartischen Ausgangsgleichung.

Symmetrische Gleichung 6. Grades

Für eine Gleichung 6. Grades in Normalform

x6+ax5+bx4+cx3+bx2+ax+1=0

ergibt sich nach Division durch x2 und Zusammenfassung der Glieder:

(x3+1x3)+a(x2+1x2)+b(x+1x)+c=0

Nach der Substitution mit (x+1x)=u und (x2+1x2)=u22 und (x3+1x3)=u33u ergibt sich die kubische Gleichung in u:

u3+au2+(b3)u2a+c=0

Daraus ermittelt man die Nullstellen u1, u2 und u3 mit Hilfe der Lösungsformeln für die kubischen Gleichung.

Symmetrische Gleichung 8. Grades

Für eine Gleichung 8. Grades in Normalform

x8+ax7+bx6+cx5+dx4+cx3+bx2+ax+1=0

ergibt sich nach Division durch x2 und Zusammenfassung der Glieder:

(x4+1x4)+a(x3+1x3)+b(x2+1x2)+c(x+1x)+d=0

Nach der Substitution mit (x+1x)=u und (x2+1x2)=u22, (x3+1x3)=u33u und (x4+1x4)=u44u2+2 ergibt sich die quartische Gleichung in u:

u4+au3+(b4)u2+(c3a)u2b+d+2=0

Daraus ermittelt man die Nullstellen u1, u2, u3 und u4 mit Hilfe der Lösungsformeln für die quartische Gleichung.

Weitere Beispiele

  • Die Nullstellen der quadratischen Gleichung lassen sich mit den bekannten Lösungsformeln am schnellsten bestimmen.
  • Bei symmetrischen kubischen Gleichungen mit reellen Koeffizienten ist −1 eine Nullstelle. Danach führt eine Polynomdivision zu einer quadratischen (symmetrischen) Gleichung.
Beispiele:
  • Die symmetrische Gleichung 3. Grades f(x)=3x3+13x2+13x+3 hat eine Nullstelle bei –1. Division durch (x+1) führt zu g(x)=3x2+10x+3, woraus sich die weiteren Nullstellen 13 und –3 berechnen lassen.
  • Die antisymmetrische Gleichung 3. Grades f(x)=6x3+7x27x3 hat eine Nullstelle bei 1. Division durch (x1) führt wieder zu g(x)=3x2+10x+3, woraus sich die weiteren Nullstellen 13 und –3 berechnen lassen.
  • Die symmetrische Gleichung 5. Grades f(x)=6x5+11x433x333x2+11x+6 hat eine Nullstelle bei –1. Division durch (x+1) führt zu g(x)=6x4+5x338x2+5x+6, woraus sich die weiteren Nullstellen –3, 13, 2, 12 berechnen lassen.

Literatur

Einzelnachweise

  1. Frank Celler: Konstruktive Erkennungsalgorithmen klassischer Gruppen in GAP (Dissertation) [1] (GZIP; 233 kB)
  2. The Fundamental Theorem for Palindromic Polynomials[2]
  3. Vorlage:Literatur