Kreisteilungspolynom

Aus testwiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

In der Algebra werden Kreisteilungspolynome (auch: Zyklotomische Polynome) verwendet, um Unterteilungen des Einheitskreises in gleiche Teile zu untersuchen. Unter dem n-ten Kreisteilungspolynom Φn versteht man dasjenige ganzzahlige Polynom größten Grades mit Leitkoeffizient 1, das xn1 teilt, jedoch zu allen xd1 mit d<n teilerfremd ist. Seine Nullstellen über sind genau die primitiven n-ten Einheitswurzeln e2πik/n, wobei k die zu n teilerfremden Zahlen zwischen 1 und n durchläuft.

Die Bezeichnung „Kreisteilungspolynom“ stammt vom geometrischen Problem der Kreisteilung, also der Konstruktion eines regelmäßigen Vielecks unter Beschränkung auf die Euklidischen Werkzeuge Zirkel und Lineal. Für welche n-Ecke dies gelingt, findet sich im Artikel konstruierbares Polygon.

Eigenschaften

Die Zerlegung des n-ten Kreisteilungspolynoms in Linearfaktoren ergibt

Φn(x)=1knggT(k,n)=1(xe2πik/n)

Daher ist der Grad von Φn gleich φ(n), der Anzahl der zu n teilerfremden Zahlen unterhalb n. Die hierdurch definierte Funktion φ hat als Eulersche Phi-Funktion in der Zahlentheorie eine erhebliche Bedeutung.

Umgekehrt gilt die Produktdarstellung

xn1=1kn(xe2πik/n)=dn1knggT(k,n)=d(xe2πik/n)=dnΦn/d(x)=dnΦd(x)

Das n-te Kreisteilungspolynom hat ganzzahlige Koeffizienten, liegt also in [x]. Es ist dort und in [x] ein irreduzibles Polynom, folglich Minimalpolynom jeder primitiven n-ten Einheitswurzel. Somit ist der Restklassenring [x]/(Φn) sogar ein Körper, und zwar der kleinste, worin der Einheitskreis der komplexen Ebene derart in n gleich lange Teile zerlegt werden kann, dass sämtliche Unterteilungspunkte zu dem Körper gehören. Er wird daher Kreisteilungskörper genannt.

Verallgemeinerung

Der Begriff des Kreisteilungspolynoms kann auf die Einheitswurzeln über einem beliebigen Körper verallgemeinert werden. Auf diese Weise ergeben sich insbesondere alle endlichen Körper als Kreisteilungskörper über ihrem Primkörper.

Beispiele

Ist n eine Primzahl (z. B. n=2, 3, 5, 7, 11, 13), dann gilt

Φn(x)=1+x+x2++xn1=i=0n1xi.

Allgemeiner: Ist n=pm eine Primzahlpotenz (z. B. n=2, 3, 4, 5, 7, 8, 9, 11, 13, 16), dann gilt

Φn(x)=1+xpm1+x2pm1++x(p1)pm1=i=0p1xipm1.

Ist n=2p das Doppelte einer ungeraden Primzahl p (z. B. n=6, 10, 14), dann gilt

Φ2p(x)=1x+x2+xp1=i=0p1(x)i.

Mit diesen Regeln lassen sich (mit Ausnahme von n=12 und n=15) die folgenden Kreisteilungspolynome bestimmen:

Φ1(x)=x1
Φ2(x)=x+1
Φ3(x)=x2+x+1
Φ4(x)=x2+1
Φ5(x)=x4+x3+x2+x+1
Φ6(x)=x2x+1
Φ7(x)=x6+x5+x4+x3+x2+x+1
Φ8(x)=x4+1
Φ9(x)=x6+x3+1
Φ10(x)=x4x3+x2x+1
Φ11(x)=x10+x9+x8+x7+x6+x5+x4+x3+x2+x+1
Φ12(x)=x4x2+1
Φ13(x)=x12+x11+x10+x9+x8+x7+x6+x5+x4+x3+x2+x+1
Φ14(x)=x6x5+x4x3+x2x+1
Φ15(x)=x8x7+x5x4+x3x+1
Φ16(x)=x8+1

Einige weitere Beispiele, die sich mit den obigen Regeln berechnen lassen:

Φ25(x)=x20+x15+x10+x5+1
Φ49(x)=x42+x35+x28+x21+x14+x7+1
Φ125(x)=x100+x75+x50+x25+1

Weitere Berechnungsmöglichkeiten

Wie eingangs erwähnt, gilt die Produktdarstellung

xn1=dnΦd(x).

Sind nun die Kreisteilungspolynome Φd(x) für d<n bekannt, so lässt sich Φn(x) per Polynomdivision berechnen. Für n=21 ergibt sich so beispielsweise

(x211)=Φ1(x)Φ3(x)Φ7(x)Φ21(x)

also

Φ21(x)=x211(x1)(x2+x+1)(x6+x5+x4+x3+x2+x+1)==x12x11+x9x8+x6x4+x3x+1.

Ein anderer Ansatz folgt aus der multiplikativen Version der Möbius-Inversion, welche die Gleichung

Φn(x)=dn(xd1)μ(n/d)

liefert, wobei μ die Möbiusfunktion bezeichnet. Für n=21 ergibt sich so

Φ21(x)=(x11)μ(21/1)(x31)μ(21/3)(x71)μ(21/7)(x211)μ(21/21)=x1x31x211x71=1x2+x+1(x14+x7+1).

Wie man sieht, lässt sich dieser Ausdruck mit weniger Aufwand als im vorigen Beispiel vereinfachen. Außerdem sind keine Kenntnisse über andere Kreisteilungspolynome notwendig.

Ein weiterer Ansatz folgt zusammen mit der Fourierdarstellung von Funktionen des größten gemeinsamen Teilers ebenso aus der Möbius-Inversion, welche die Gleichung

Φn(x)=k=1n(xggT(k,n)1)cos(2πkn)

ergibt.[1]

Das Koeffizientenproblem

Auffällig ist, dass in allen bisherigen Beispielen als Koeffizienten nur −1, 0 und +1 aufgetreten sind. Tatsächlich hat A. Migotti 1883 zeigen können, dass dies immer der Fall ist, sofern n das Produkt von zwei unterschiedlichen Primzahlen ist.[2] Andererseits war spätestens seit 1931 bekannt, dass dies nicht immer so ist: Issai Schur zeigte in einem Brief an Edmund Landau, dass die Koeffizienten in Kreisteilungspolynomen beliebig groß werden können.[3]

Das kleinste n, für das ein Koeffizient ungleich −1, 0 oder +1 möglich ist, ist n=357=105. Und tatsächlich tritt hier der Koeffizient −2 auf. Mit einer der oben beschriebenen Methoden lässt sich das folgende Kreisteilungspolynom leicht berechnen:

Φ105(x)=x48+x47+x46x43x422x41x40x39+x36+x35+x34+x33+x32+x31x28x26x24x22x20+x17+x16+x15+x14+x13+x12x9x82x7x6x5+x2+x+1

Das erste Kreisteilungspolynom mit einem Koeffizienten, der vom Betrag her größer als 2 ist, tritt für n=5711=385 auf:

Φ385(x)=x240+x239+x238+x237+x236x233x232x231x2302x229[][]+x134+x133+2x132+2x131+2x130+2x129+2x128+x127+x126x1242x1232x1223x1213x1203x1192x1182x117x116+x114+x113+2x112+2x111+2x110+2x109+2x108+x107+x106[]

Siehe auch OEIS A013594[4].

Einzelnachweise

  1. Vorlage:Cite journal
  2. A. Migotti, Zur Theorie der Kreisteilungsgleichung. Sitzber. Math.-Naturwiss. Classe der Kaiser. Akad. der Wiss., Wien 87 (1883), 7–14.
  3. Emma Lehmer, On the magnitude of the coefficients of the cyclotomic polynomial. Bull. Amer. Math. Soc. 42 (1936), no. 6, 389–392.
  4. OEIS A013594