Verzerrung einer Schätzfunktion

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Die Verzerrung oder auch das Bias oder systematischer Fehler[1] einer Schätzfunktion ist in der Schätztheorie, einem Teilgebiet der mathematischen Statistik, diejenige Kennzahl oder Eigenschaft einer Schätzfunktion, welche die systematische Über- oder Unterschätzung der Schätzfunktion quantifiziert.

Erwartungstreue Schätzfunktionen haben per Definition eine Verzerrung von 0.

Schätzer können durch Regularisierung absichtlich verzerrt werden, um eine kleinere Varianz des Schätzers zu erreichen – es handelt sich dann um Shrinkage-Schätzer.

Definition

Gegeben sei eine zu schätzende Funktion

g:Θ

sowie ein statistisches Modell (X,𝒜,(Pϑ)ϑΘ) und ein Punktschätzer

T:X

Dann heißt

𝔹T(ϑ):=Eϑ(T)g(ϑ)

die Verzerrung des Schätzers T bei ϑ.

Dabei bezeichnet Eϑ den Erwartungswert bezüglich des Wahrscheinlichkeitsmaßes Pϑ. Man schreibt das ϑ in 𝔹T(ϑ) und bei Eϑ(T) tiefgestellt, um hervorzuheben, dass die Größen vom wahren Wert ϑ abhängen.

Die Notation für die Verzerrung ist nicht einheitlich, in der Literatur finden sich u. a. auch b(ϑ), b(ϑ,T) oder Biasϑ(T).

Die Verzerrung ist der Erwartungswert des Schätzfehlers.

Beispiel

Gegeben seien n Zufallszahlen, die gleichverteilt in einem Intervall [0,ϑ] sind. Aufgabe ist, ϑ zu schätzen. Statistisches Modell ist

([0,)n,([0,)n),(Uϑn)ϑΘ),

wobei Θ=(0,) und Uϑ die stetige Gleichverteilung auf [0,ϑ] ist.

Die zu schätzende Funktion ist g(ϑ)=ϑ, ein möglicher Schätzer wäre

T(X)=max(X1,,Xn),

da die größte ausgegebene Zufallszahl intuitiv "nah" an der unbekannten Obergrenze ϑ liegt. Dann ist

Pϑ(Tc)=(cϑ)n

für alle c[0,ϑ]. Daraus folgt

Eϑ(T)=nn+1ϑ,

somit ist die Verzerrung

𝔹T(ϑ)=nn+1ϑϑ=ϑn+1.

Die Verzerrung kommt hier zustande, da der Schätzer den wahren Wert stets unterschätzt, es ist Pϑ(T<ϑ)=1.

Eigenschaften

Ist die Verzerrung eines Schätzers für alle ϑΘ gleich Null, also

Eϑ(T)=g(ϑ)fu¨ralleϑΘ,

so nennt man diesen Schätzer einen erwartungstreuen Schätzer.

Der mittlere quadratische Fehler

𝔽T(ϑ)=Eϑ((Tg(ϑ))2)

zerfällt aufgrund des Verschiebungssatzes in Varianz und Verzerrung

𝔽T(ϑ)=Varϑ(T)+(𝔹T(ϑ))2

Somit entspricht der mittlere quadratische Fehler bei erwartungstreuen Schätzern genau der Varianz des Schätzers.

Sowohl die Verzerrung als auch der mittlere quadratische Fehler sind wichtige Qualitätskriterien für Punktschätzer. Folglich versucht man, beide möglichst klein zu halten. Es gibt aber Fälle, in denen es zur Minimierung des mittleren quadratischen Fehlers sinnvoll ist, Verzerrung zuzulassen.

So ist im Binomialmodell X={0,,n},𝒜=𝒫(X),Pϑ=Binn,ϑ mit ϑ[0,1] ein gleichmäßig bester erwartungstreuer Schätzer gegeben durch

T1(x)=xn,

heißt seine Varianz (und damit auch sein mittlerer quadratischer Fehler) ist für alle ϑ kleiner als die jedes weiteren erwartungstreuen Schätzers. Der Schätzer

T2=x+1n+2

ist nicht erwartungstreu und folglich verzerrt, besitzt aber für Werte von ϑ nahe an 0,5 einen geringeren mittleren quadratischen Fehler[2].

Es können also nicht immer Verzerrung und mittlerer quadratischer Fehler gleichzeitig minimiert werden, siehe auch Verzerrung-Varianz-Dilemma.

Beispiel, wenn ein verzerrter Schätzer (blau) besser sein kann als ein unverzerrter Schätzer (gelb), da der verzerrte Schätzer eine kleinere Streuung besitzt.

Siehe auch

Literatur

Einzelnachweise

  1. Georgii: Stochastik. 2009, S. 207.
  2. Georgii: Stochastik. 2009, S. 209.