Unendliche Diedergruppe

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Die unendliche Diedergruppe ist eine im mathematischen Teilgebiet der Gruppentheorie betrachtete Gruppe. Es handelt sich um eine abzählbar unendliche Version der Diedergruppen.

Geometrische Definition

So wie die Diedergruppen Dn als die Symmetriegruppen einer geometrischen Figur, nämlich eines regelmäßigen n-Ecks, eingeführt werden können, kann die unendliche Diedergruppe D als die Gruppe aller Isometrien, die eine Teilmenge eines euklidischen Raums in sich abbilden, definiert werden. D ist die Gruppe aller Isometrien auf =1, die in sich abbilden.

Diese Isometrien sind Translationen um n

τn:,xx+n

für eine ganze Zahl n und Spiegelungen an n/2

σn:,xnx

für eine ganze Zahl n. Die Gruppe dieser Isometrien heißt die unendliche Diedergruppe D. Manche Autoren bezeichnen diese Gruppe mit D0[1] oder nach der englischen Bezeichnung „dihedral group“ für Diedergruppe auch mit Dih.

Die unendliche Diedergruppe wird schon von τ:=τ1 und σ:=σ0 erzeugt, denn offenbar gilt

τn=ττ, n-fache Hinteinanderausführung für n>0
τn=τn1 für n<0
τ0 ist das neutrale Element
σn=τnσ für alle n,

das heißt, die von {τ,σ} erzeugte Untergruppe enthält bereits alle Isometrien τn und σn und das heißt, dass D von τ und σ erzeugt wird.

Ferner besteht die Beziehung

στσ=τ1,

denn für jedes r gilt

σ(τ(σ(r)))=σ(τ(r))=σ(r+1)=r1=τ1(r),

und es gilt

σ2=1,

wobei 1 das neutrale Element bezeichne, denn σ ist eine Spiegelung.

D als Untergruppe der Symmetriegruppe des Kreises

Sei s die Spiegelung des Einheitskreises an der x-Achse und d eine Drehung des Kreises um 2πr für eine irrationale Zahl r. Die von d erzeugte zyklische Untergruppe der Symmetriegruppe des Kreises ist wegen der Irrationalität von r unendlich und daher zu isomorph. Dann gilt offenbar

s2=1,sds=d1

und man kann zeigen, dass σs,τd einen Isomorphismus von D auf die von {s,d} erzeugte Untergruppe der Symmetriegruppe des Kreises definiert. Insbesondere hängt deren Isomorphieklasse nicht von der Wahl der irrationalen Zahl r ab.

Präsentationen von D

Nach Obigem erfüllen die Erzeuger τ und σ die Relationen

στσ=τ1   und   σ2=1.

Man kann zeigen, dass keine weiteren, davon unabhängigen Relationen bestehen. Präzise heißt das, dass D die Präsentation

D=x,yx2=1,xyx=y1

besitzt. Die zweite Relation kann man wegen x2=1 auch als xy=y1x schreiben. Jedes Produkt aus den Erzeugern x und y kann daher durch wiederholte Anwendung der Relationen auf die Form xiyn mit i{0,1} und n gebracht werden. Für das Rechnen in der Gruppe gilt demnach

D={xiyni{0,1},n}   und   xiynxjym=xi+jy(12j)n+m,

wobei der Exponent i+j modulo 2 zu verstehen ist.

Setzt man z:=xy, so ist

z2=xyxy=y1y=1.

Da man umgekehrt das Element y mittels y=xz aus x und z zurückgewinnen kann, wird D von den zwei Involutionen x und z, das heißt von Elementen, deren Quadrat das neutrale Element ist, erzeugt, und man kann sich überlegen, dass keine weiteren Relationen bestehen. Wir erhalten also eine zweite Präsentation

D=x,zx2=1,z2=1.

Demnach ist die unendliche Diedergruppe die größte von zwei Involutionen erzeugte Gruppe, jede andere ist isomorph zu einer Faktorgruppe davon.[2]

Geometrisch entspricht der Erzeuger z dem Produkt στ, und das ist die Spiegelung an 12. Die oben geometrisch beschriebene unendliche Diedergruppe wird also auch von den beiden Spiegelungen an 0 und 12 erzeugt. Das wird sofort verständlich, indem man sich klarmacht, dass die Spiegelung an 12, gefolgt von der Spiegelung an 0, nichts anderes als die Translation um 1 ist.

D als semidirektes Produkt

Betrachte den Homomorphismus α:2Aut() von der Gruppe 2 in die Automorphismengruppe von , der die Restklasse von 1 auf α1:,nn abbildet. Mit diesem α bilde das semidirekte Produkt

α2:={(n,i)n,i{0,1}}.

Die Verknüpfung ist bekanntlich durch die Formel

(n,i)(m,j):=(n+αi(m),i+j)

definiert, wobei α0:=id und die Summe i+j modulo 2 zu verstehen ist. Daraus liest man die Isomorphie zu D ab.

Nun ist obiges α:2Aut() sogar ein Isomorphismus, denn neben α1 gibt es keine weiteren nichttrivialen Automorphismen auf .

Daher ist D der Holomorph von , das heißt[3]

Dα2Aut()=Hol().

D als freies Produkt

Die unendliche Diedergruppe ist das kleinste denkbare freie Produkt nichttrivialer Gruppen, es gilt[4]

D2*2.

Es ist klar, dass 2*2 von zwei Involutionen erzeugt wird. Daher erhält man aus obiger Präsentation einen Epimorphismus D2*2, von dem man zeigt, dass er ein Isomorphismus ist. Manche Autoren definieren die unendliche Diedergruppe auf diese Weise.[5]

D als Matrizengruppe

Wir betrachten die Menge

M:={(en01);e{1,+1},n}

von 2×2-Matrizen. Das Matrizenprodukt

((1)in01)((1)jm01)=((1)i+j(1)im+n01)

zeigt, dass die Menge M mit dem Matrizenprodukt als Multiplikation eine zu D isomorphe Gruppe ist.[6]

Untergruppen von D

Die unendliche Diedergruppe D=x,yx2=1,xyx=y1 enthält folgende Untergruppen (k,n,r ganze Zahlen):

Uk:=yk   für   k0,
V0,n:=ynx2   für   n,
Vk,r:=yk,yrxD   für   0r<k.

Das sind bereits alle Untergruppen von D.[7]

Wegen {1}yD mit D/y2 ist die unendliche Diedergruppe auflösbar, sogar überauflösbar, metabelsch und polyzyklisch.

Einzelnachweise

  1. Wilhelm Specht: Gruppentheorie. Springer-Verlag (1956), ISBN 978-3-642-94668-4, Beispiel 2 in Absatz 1.2.4.
  2. D. J. S. Robinson: A Course in the Theory of Groups. Springer-Verlag 1996, ISBN 978-1-4612-6443-9, Seite 51: Examples of Presentations (I).
  3. Wilhelm Specht: Gruppentheorie. Springer-Verlag (1956), ISBN 978-3-642-94668-4, Beispiel 1 in Absatz 1.3.6.
  4. D. J. S. Robinson: A Course in the Theory of Groups. Springer-Verlag 1996, ISBN 978-1-4612-6443-9, Kapitel 6.2: Examples of Free Products, Example II.
  5. Ralph Stöcker: Algebraische Topologie: Eine Einführung. Ausgabe 2, Teubner-Verlag, ISBN 978-3-322-86785-8, Beispiel 5.3.6.
  6. Antonio Machì: Groups. An Introduction to Ideas and Methods of the Theory of Groups. Springer-Verlag 2012, ISBN 978-88-470-2421-2, Kapitel 4.8, Beispiel 3.
  7. Wilhelm Specht: Gruppentheorie. Springer-Verlag (1956), ISBN 978-3-642-94668-4, Beispiel 2 in Absatz 1.2.4.