Spektralnorm

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Illustration der Spektralnorm

Die Spektralnorm ist in der Mathematik die von der euklidischen Norm abgeleitete natürliche Matrixnorm. Die Spektralnorm einer Matrix entspricht ihrem maximalen Singulärwert, also der Wurzel des größten Eigenwerts des Produkts der adjungierten (transponierten) Matrix mit dieser Matrix. Sie ist submultiplikativ, mit der euklidischen Vektornorm verträglich und invariant unter unitären (orthogonalen) Transformationen. Die Spektralnorm der Inversen einer regulären Matrix ist der Kehrwert des kleinsten Singulärwerts der Ausgangsmatrix. Ist eine Matrix hermitesch (symmetrisch), dann ist ihre Spektralnorm gleich ihrem Spektralradius. Ist eine Matrix unitär (orthogonal), dann ist ihre Spektralnorm gleich Eins.

Aufgrund ihrer aufwendigen Berechenbarkeit wird die Spektralnorm in der Praxis oft durch leichter zu berechnende Matrixnormen abgeschätzt. Sie wird insbesondere in der linearen Algebra und der numerischen Mathematik verwendet.

Definition

Die Spektralnorm 2 einer Matrix A𝕂m×n mit 𝕂 als dem Körper der reellen oder komplexen Zahlen ist die von der euklidischen Vektornorm abgeleitete natürliche Matrixnorm

A2:=maxx0Ax2x2=maxx2=1Ax2.

Anschaulich entspricht die Spektralnorm damit dem größtmöglichen Streckungsfaktor, der durch die Anwendung der Matrix auf einen Vektor der Länge Eins entsteht. Eine äquivalente Definition der Spektralnorm ist der Radius der kleinsten Sphäre, die den Einheitskreis nach Transformation durch die Matrix umfasst.

Darstellung als maximaler Singulärwert

Für die Spektralnorm gilt nach Definition der euklidischen Norm und mit dem Standardskalarprodukt , auf Vektoren

A22=maxx2=1Ax22=maxx2=1Ax,Ax=maxx2=1AHAx,x,

wobei AH die adjungierte (im reellen Fall transponierte) Matrix zu A ist. Die Matrix AHA ist eine positiv semidefinite hermitesche (im reellen Fall symmetrische) Matrix.[1] Daher gibt es nach dem Spektralsatz eine unitäre (im reellen Fall orthogonale) Matrix U, bestehend aus den Eigenvektoren der Matrix, sodass UHAHAU=D gilt, wobei D eine Diagonalmatrix mit den stets reellen und nichtnegativen Eigenwerten μ1,,μn von AHA ist. Mit der Substitution y=UHx und der unitären Invarianz der euklidischen Vektornorm gilt dann

A22=maxUy2=1AHAUy,Uy=maxy2=1Dy,y=maxy2=1(μ1|y1|2++μn|yn|2)=μmax,

wobei μmax der größte dieser Eigenwerte ist, da das Maximum gerade dann angenommen wird, wenn y gleich dem Einheitsvektor zu dem maximalen Eigenwert ist. Die Spektralnorm einer Matrix A ist damit

A2=μmax,

also die Wurzel des größten Eigenwerts von AHA. Der betragsgrößte Eigenwert einer Matrix wird auch Spektralradius genannt, und die Wurzeln der Eigenwerte von AHA werden auch als Singulärwerte von A bezeichnet. Die Spektralnorm einer Matrix entspricht also gerade ihrem maximalen Singulärwert.

Beispiele

Reelle Matrix

Die Spektralnorm der reellen (2 × 2)-Matrix

A=(3220)

wird ermittelt, indem zunächst das Matrixprodukt ATA berechnet wird:

ATA=(3220)(3220)=(13664).

Die Eigenwerte von ATA ergeben sich dann als Nullstellen des charakteristischen Polynoms

det(μIATA)=(μ13)(μ4)62=μ217μ+16

als

μ1,2=17±289642=17±152{16,1}.

Die Spektralnorm von A ist damit die Wurzel des größeren dieser Eigenwerte, also

A2=μ1=4.

Komplexe Matrix

Um die Spektralnorm der komplexen (2 × 2)-Matrix

A=(1i3i2i0)

zu berechnen, wird wie im reellen Fall vorgegangen. Es wird die Matrix AHA ermittelt,

AHA=(1+i2i3i0)(1i3i2i0)=(633i3+3i9),

deren Eigenwerte sich dann über die Nullstellen von

det(μIAHA)=(μ6)(μ9)(33i)(3+3i)=μ215μ+36

als

μ1,2=15±2251442=15±92={12,3}.

ergeben. Die Spektralnorm von A ist damit

A2=μ1=123,46.

Eigenschaften

Normeigenschaften

Die Normaxiome Definitheit, absolute Homogenität und Subadditivität folgen für die Spektralnorm direkt aus den entsprechenden Eigenschaften von natürlichen Matrixnormen. Insbesondere ist die Spektralnorm damit auch submultiplikativ und mit der euklidischen Norm verträglich, das heißt, es gilt

Ax2A2x2

für alle Matrizen A𝕂m×n und alle Vektoren x𝕂n, und die Spektralnorm ist die kleinste Norm mit dieser Eigenschaft.

Selbstadjungiertheit

Die Spektralnorm ist selbstadjungiert, das heißt für die adjungierte Matrix AH einer quadratischen Matrix A𝕂n×n gilt

AH22=maxx2=1AAHx,x=maxx2=1AHAx,x=A22,

da die Matrix AAH und die Matrix AHA die gleichen Eigenwerte[2] besitzen. Die gleiche Identität erfüllt auch eine transponierte Matrix AT unabhängig davon, ob die Matrix reell oder komplex ist. Die Spektralnorm ist damit invariant unter Adjungierung oder Transposition der Matrix.

Unitäre Invarianz

Die Spektralnorm ist invariant unter unitären Transformationen (im reellen Fall orthogonalen Transformationen), das heißt

UAV2=A2

für alle unitären (beziehungsweise orthogonalen) Matrizen U𝕂m×m und V𝕂n×n, denn es gilt mit der unitären Invarianz der euklidischen Norm

UAV22=maxx2=1UAVx,UAVx=maxVx2=1AVx,AVx=maxy2=1Ay,Ay=A22.

Durch die unitäre Invarianz ändert sich die Kondition einer Matrix bezüglich der Spektralnorm nach einer Multiplikation mit einer unitären Matrix von links oder rechts nicht.

Spezialfälle

Inverse einer regulären Matrix

Ist die Matrix A𝕂n×n regulär, dann ist die Spektralnorm ihrer inversen Matrix aufgrund der Symmetrie gegeben als

A122=maxx2=1(AAH)1x,x=maxx2=1(AHA)1x,x=μmin1,

da die Inverse einer Matrix gerade ihre reziproken Eigenwerte besitzt. Die Spektralnorm der Inversen einer Matrix ist also der Kehrwert des kleinsten Singulärwerts der Ausgangsmatrix. Für die spektrale Kondition einer regulären Matrix gilt damit

κ2(A)=A2A12=μmax/μmin,

sie ist also das Verhältnis aus größtem und kleinstem Singulärwert.

Hermitesche Matrizen

Ist die Matrix A𝕂n×n selbst hermitesch (beziehungsweise symmetrisch), dann ist AHA=A2, und es gibt eine unitäre Matrix U, bestehend aus den Eigenvektoren von A, sodass

A22=maxx2=1UHA2Ux,x=maxx2=1(λ12|x1|2++λn2|xn|2)=λmax2

gilt, wobei λ1,,λn die stets reellen Eigenwerte von A sind und λmax der betragsgrößte dieser Eigenwerte ist. Die Spektralnorm einer hermiteschen oder symmetrischen Matrix ist also

A2=|λmax|

und entspricht damit dem Spektralradius der Matrix. Ist die Matrix weiter positiv semidefinit, dann können die Betragsstriche weggelassen werden, und ihre Spektralnorm ist gleich ihrem größten Eigenwert.

Unitäre Matrizen

Ist die Matrix A𝕂n×n unitär, dann gilt

A22=maxx2=1AHAx,x=maxx2=1x,x=maxx2=1x22=1.

Die Spektralnorm einer unitären oder orthogonalen Matrix ist also gleich Eins.

Rang-Eins-Matrizen

Besitzt die Matrix A𝕂m×n den Rang null oder eins, das heißt A=xyT mit x𝕂m und y𝕂n, dann gilt

A2=x2y2,

da die Matrix

AHA=(xyT)H(xyT)=y¯xHxyT=(xHx)(yyH)

ebenfalls den Rang null oder eins aufweist, wobei in letzterem Fall (xHx)(yHy) der einzige Eigenwert ungleich null ist.

Abschätzungen

Da die Spektralnorm insbesondere für große Matrizen aufwendig zu berechnen ist, wird sie in der Praxis oft durch andere, leichter zu berechnende, Matrixnormen abgeschätzt. Die wichtigsten dieser Abschätzungen sind

A2A1A

als das geometrische Mittel aus der Spaltensummennorm 1 und der Zeilensummennorm und

A2AF,

wobei F die Frobeniusnorm ist.

Anmerkungen

  1. positiv semidefinit da xHAHAx=(Ax)H(Ax)0 und hermitesch da (AHA)H=AHA
  2. Die Matrix X:=[InA0In] ist invertierbar und es gilt X1[AAH0AH0]X=[00AHAHA]. Somit sind [AAH0AH0] und [00AHAHA] ähnlich, weshalb insbesondere AAH und AHA das gleiche charakteristische Polynom haben und deshalb die gleichen Eigenwerte besitzen.

Literatur