Satz des Thales

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Satz des Thales
Satz des Thales

Der Satz des Thales ist ein Satz der Geometrie und ein Spezialfall des Kreiswinkelsatzes. Vereinfacht lautet er: Alle von einem Halbkreis umschriebenen Dreiecke sind rechtwinklig.

Der erste Beweis wird dem antiken griechischen Mathematiker und Philosophen Thales von Milet zugeschrieben.[1] Die Aussage des Satzes war bereits vorher in Ägypten und Babylonien bekannt.

Formulierung des Satzes und seiner Umkehrung

Halbkreis mit rechtwinkligen Dreiecken

Exakte Formulierung: Konstruiert man ein Dreieck aus den beiden Endpunkten des Durchmessers eines Halbkreises (Thaleskreis) und einem weiteren Punkt dieses Halbkreises, so erhält man immer ein rechtwinkliges Dreieck.

Oder: Liegt der Punkt C eines Dreiecks ABC auf einem Halbkreis über der Strecke AB, dann hat das Dreieck bei C immer einen rechten Winkel.

Auch die Umkehrung des Satzes ist korrekt: Der Mittelpunkt des Umkreises eines rechtwinkligen Dreiecks liegt immer in der Mitte der Hypotenuse, also der längsten Seite des Dreiecks, die dem rechten Winkel gegenüberliegt.

Oder: Hat das Dreieck ABC bei C einen rechten Winkel, so liegt C auf einem Kreis mit der Hypotenuse AB als Durchmesser.

Beweise

Euklid leitet den Satz des Thales im dritten Band seiner Elemente mit Hilfe folgender Sätze, die ebenfalls Thales zugeschrieben werden und im ersten Band enthalten sind, her:[2]

Beweis mit gleichschenkligen Dreiecken

Zerlegung des Dreiecks unter dem Halbkreis in zwei gleichschenklige Dreiecke. Die Winkel γ und δ ergänzen sich zu 180°, die Winkel α und β also zu 90°

ABC sei ein Dreieck innerhalb eines Kreises mit AB als Kreisdurchmesser und dem Radius r. Dann ist der Mittelpunkt M der Strecke AB auch der Kreismittelpunkt. Die Streckenlängen AM, BM und CM sind also gleich dem Radius r.

Die Strecke CM teilt das Dreieck ABC in zwei Dreiecke AMC und BCM auf, die gleichschenklig sind. Die Basiswinkel dieser Dreiecke, also die Winkel an der Grundseite AC bzw. BC, sind daher jeweils gleich (α beziehungsweise β in der Abbildung).

Die Winkelsumme im Dreieck ABC beträgt 180°:

α+β+α+β=180
2(α+β)=180

Dividiert man diese Gleichung auf beiden Seiten durch 2, so ergibt sich

α+β=90.

Damit ist gezeigt, dass der Winkel α+β  mit Scheitel C ein rechter Winkel ist.

Die Umkehrung des Satzes von Thales lässt sich auf die Aussage zurückführen, dass die Diagonalen eines Rechtecks gleich lang sind und sich gegenseitig halbieren.

Beweis mit Vervollständigung zum Rechteck

Der Punkt D entsteht durch Spiegelung vom Punkt C am Durchmesser AB und an der Mittelsenkrechten von AB. Das Viereck ACBD ist ein Rechteck.

Wird der Punkt C am Durchmesser AB und anschließend an der Mittelsenkrechten von AB gespiegelt, dann liegt der Bildpunkt D wegen Symmetrie auf dem unteren Halbkreis über der Seite AB. Das ist eine Punktspiegelung am Kreismittelpunkt M. Daher sind die Seiten und AC und BD sowie AD und BC parallel und das Viereck ACBD ist ein Parallelogramm. Weil die Diagonalen AB und CD Durchmesser des Kreises und daher gleich lang sind, ist das Parallelogramm ein Rechteck und der Winkel bei C ein rechter Winkel.

Beweis mit kartesischen Koordinaten

Der Kreismittelpunkt sei der Koordinatenursprung. Sind der Radius r und die Punkte A=(r,0), B=(r,0) und C=(x,y) mit kartesischen Koordinaten gegeben, dann gilt nach dem Satz des Pythagoras x2+y2=r2. Wegen (r+x)2+y2=AC2 und (rx)2+y2=BC2 gilt im Dreieck ABC die Gleichung

AC2+BC2=((r+x)2+y2)+((rx)2+y2)=2r2+2(x2+y2)=4r2=AB2.

Aus der Umkehrung des Satzes des Pythagoras folgt, dass das Dreieck ABC im Punkt C rechtwinklig ist.

Mit dem Satz des Pythagoras kann auch gezeigt werden, dass das Skalarprodukt der Vektoren AC und CB gleich Null ist:

Es ist AC=(xCyC)(r0)=(r+xCyC) und CB=(r0)(xCyC)=(rxCyC).

ACCB=(r+xC)(rxC)yC2=r2xC2yC2 =Satz des Pythagoras 0=ACCBcos(ACB),

woraus folgt, dass der Kosinus des Winkels im Punkt C gleich Null ist und somit das Dreieck ABC einen rechten Winkel in C hat.

Trigonometrischer Beweis

Sind der Winkel β, der Radius r und die Punkte A=(r,0), B=(r,0) mit kartesischen Koordinaten gegeben, dann hat der Punkt C die Koordinaten C=(rcos(β),rsin(β)). Die Seite AC hat die Steigung

rsin(β)0rcos(β)(r)=sin(β)cos(β)+1

und die Seite BC hat die Steigung

rsin(β)0rcos(β)r=sin(β)cos(β)1.

Wegen sin2(β)+cos2(β)=1 ist das Produkt der Steigungen gleich

sin(β)cos(β)+1sin(β)cos(β)1=sin2(β)cos2(β)1=sin2(β)sin2(β)=1.

Daraus folgt, dass die Seiten AC und BC zueinander orthogonal sind und einen rechten Winkel bilden.

Einen weiteren Beweis findet man hier: Wikibooks: Beweisarchiv.

Anwendungen

Konstruktion einer Kreistangente

Konstruktion der Kreistangenten

Eine wichtige Anwendung des Satzes von Thales ist u. a. die Konstruktion der beiden Tangenten an einen Kreis k durch einen außerhalb dieses Kreises gelegenen Punkt P.

Gegeben sei der Radius r vom Kreis k mit seinem Mittelpunkt O sowie der Abstand des Punktes P von O. Vom Punkt T wissen wir nur, dass er auf der Kreislinie, irgendwo im ersten Viertel vom Kreis k, liegen muss. Würde man nur diese Bedingung berücksichtigen, könnte man unendlich viele Dreiecke OPT einzeichnen.

Da die obere durch P verlaufende Tangente t den Kreis k genau im Punkt T berührt, muss das Dreieck OPT einen rechten Winkel am Punkt T haben (Grundeigenschaft der Kreistangente), oder anders formuliert: Die Strecke OT muss senkrecht auf der Tangente t stehen.

Um ein Dreieck OPT zu finden, das auch rechtwinklig ist, ermitteln wir von der Strecke OP den Mittelpunkt H mithilfe der Mittelsenkrechten, zeichnen einen Kreis mit dem Radius HO um den Mittelpunkt H und machen uns das Prinzip des Thaleskreises zunutze: Alle Dreiecke mit der Grundseite OP, deren dritter Eckpunkt auf dem Thaleskreis liegt, sind rechtwinklig. Dies gilt natürlich auch für das Dreieck OPT.

Der Berührpunkt T kann deshalb nur der Schnittpunkt des Kreises k mit dem hellgrauen Kreis sein. Durch Verbinden von P mit T erhält man nun die gesuchte Tangente t (in der Zeichnung rot).

Es existiert eine zweite, symmetrische Lösung in der unteren Hälfte des Kreises. Die Tangente t (ebenfalls rot gezeichnet) berührt den Kreis ebenfalls, und zwar im Punkt T.

Riemengetriebe

Vorlage:Hauptartikel Für die zwei folgenden Anwendungen beginnt man mit der Konstruktion der beiden Kreistangenten an den Hilfskreis k3 (grün) – analog zur obigen Beschreibung – mithilfe des Mittelpunktes M2 der kleineren Riemenscheibe.

Konstruktionsskizze für Riemengetriebe, gleiche Drehrichtung der Riemenscheiben (blau)
Der Radius r3 des Hilfskreises k3 (grün) ergibt sich aus der Subtraktion der beiden Kreisradien: r3=r1r2.
Konstruktionsskizze für gekreuztes Riemengetriebe, umgekehrte Drehrichtung der Riemenscheiben (blau)
Der Radius r3 des Hilfskreises k3 (grün) ergibt sich aus der Summe der beiden Kreisradien: r3=r1+r2.

Vorlage:Absatz

Konstruktion reeller Quadratwurzeln

Mithilfe des Satzes des Thales lassen sich die folgenden Quadratwurzeln konstruieren:[4]

  • q aus q>0 und c aus c>1 (siehe Zahl größer als 1).
  • pq aus c=1,q aus q<1 und p aus p<1 (siehe Zahl kleiner als 1).

Zahl größer als 1

Zahl größer als 1: Konstruktion von q und c mit Zirkel und Lineal

Soll die Quadratwurzel einer reellen Zahl, die größer als 1 ist, gefunden werden, ohne vorherige Aufteilung der Zahl in p- und q-Anteile, eignet sich dafür die Methode, die das nebenstehende Bild zeigt. Im Prinzip sind damit auch Quadratwurzeln von Zahlen, die kleiner als 1 sind, vorstellbar.

Es beginnt mit dem Einzeichnen der Strecke BD mit Länge p=1 auf einer hier nicht näher bezeichneten Geraden. Ist die gegebene Zahl q eine ganze Zahl, wird das Produkt qBD ab dem Punkt D auf die Gerade abgetragen; d. h. ist z. B. die Zahl q=8, wird die Strecke BD achtmal abgetragen. Der dadurch entstehende Schnittpunkt A bringt die Hypotenuse c=p+q des entstehenden Dreiecks ABC.

Ist q eine reelle Zahl, besteht u. a. auch die Möglichkeit, q mithilfe des dritten Strahlensatzes zu konstruieren.

Es folgen die Senkrechte auf c im Punkt D und die Halbierung der Seite c in M. Abschließend wird der Thaleskreis um M gezogen.

somit ist die Höhe des rechtwinkligen Dreiecks ABC gleich der Quadratwurzel aus q.
somit ist die Seitenlänge a des rechtwinkligen Dreiecks ABC gleich der Quadratwurzel aus c.

Zahl kleiner als 1

Zahl kleiner als 1: Konstruktion von pq,q und p mit Zirkel und Lineal

Ist die Quadratwurzel einer Zahl, die kleiner als 1 ist, gesucht, eignet sich dafür die Methode, die das nebenstehende Bild zeigt.

Es beginnt ab dem Punkt A (Wert 0) mit einer Halbgeraden. Darauf wird die Strecke AB mit Länge 1 und die Strecke AE mit Länge 0,1 bestimmt. Dabei ergibt sich die Hypotenuse c des entstehenden Dreiecks ABC. Hat die gegebene Dezimalzahl q nur eine Nachkommastelle, wird das Produkt qAE ab dem Punkt A abgetragen; d. h. ist z. B. q=0,8 wird die Strecke AE achtmal abgetragen. Der dadurch entstehende Schnittpunkt D bringt c=p+q.

Wenn die gegebene Dezimalzahl q mehr als eine Nachkommastelle hat, z. B. q=0,86, besteht u. a. die Möglichkeit, wie bereits oben im Abschnitt Zahl größer als 1 darauf hingewiesen, q mithilfe des dritten Strahlensatzes zu konstruieren.

Es folgen die Senkrechte auf die Strecke AB im Punkt D und die Halbierung der Seite c in M. Abschließend wird der Thaleskreis (Radius =0,5) um M gezogen.

  • Nach dem Höhensatz des Euklid gilt h2=pq,
somit ist die Höhe h des rechtwinkligen Dreiecks ABC gleich der Quadratwurzel aus pq.
Wegen h=pq gilt auch:
Im rechtwinkligen Dreieck ABC ist die Länge h das geometrische Mittel der Längen p und q.
b2=q2+pq, darin ist p=1q, damit ergibt sich
b2=q2+q(1q)
b2=q2+qq2
b=q,
somit ist die Seitenlänge b des rechtwinkligen Dreiecks ABC gleich der Quadratwurzel aus q.
Für die Seitenlänge a:
Mit den entsprechenden Werten für die Seitenlänge a ergibt sich
a=p,
somit ist die Seitenlänge a des rechtwinkligen Dreiecks ABC gleich der Quadratwurzel aus p.

Siehe auch

Quadratur des Rechtecks

Literatur

  • Max Koecher, Aloys Krieg: Ebene Geometrie. 3., neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Springer, Berlin u. a. 2007, ISBN 978-3-540-49327-3.
  • Hans Schupp: Elementargeometrie (= Uni-Taschenbücher 669). Schöningh, Paderborn 1977, ISBN 3-506-99189-2, S. 41.

Vorlage:Commonscat

Einzelnachweise

  1. Diogenes Laertius: Leben und Meinungen berühmter Philosophen. Erster Band, Buch I–VI. Verlag von Felix Meiner, Leipzig 1921, S. 12, Ziffer 24; Vorlage:Archive.org
  2. Thomas Heath: A History of Greek Mathematics. Band 1: From Thales to Euclid. Dover Publications, New York 1981, ISBN 0-486-24073-8.
  3. Proklos. In: Euklid: Die Elemente. I,250,20
  4. Vorlage:Internetquelle

es:Teorema de Tales#Segundo teorema he:משפט תאלס#המשפט השני