Kreiswinkel

Aus testwiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Veranschaulichung des allgemeinen Falls
Veranschaulichung des allgemeinen Falls

Für viele Fragestellungen der Elementargeometrie, bei denen es um Winkel an Kreisen geht, lassen sich die im Folgenden erklärten Begriffe und Aussagen verwenden.

Begriffe

Verbindet man die voneinander verschiedenen Endpunkte A und B eines Kreisbogens mit seinem Mittelpunkt M und einem Punkt P auf dem Kreisbogen, so liegen folgende Winkel vor:

  • Umfangswinkel oder Peripheriewinkel (ϕ) nennt man einen Winkel APB, dessen Scheitel P auf demjenigen Kreisbogen liegt, der den gegebenen Kreisbogen über [AB] zum vollständigen Kreis (dem Umkreis des Dreiecks ABP) ergänzt.
  • Mittelpunktswinkel (μ): Ist M der Mittelpunkt des gegebenen Kreisbogens, so bezeichnet man den Winkel AMB als den zugehörigen Mittelpunktswinkel (Zentriwinkel).
  • Ein Sehnentangentenwinkel (τ) zum gegebenen Kreisbogen wird begrenzt von der Sehne [AB] und der Kreistangente im Punkt A bzw. B.

Viele Autoren von Geometrie-Lehrbüchern nehmen bei Umfangswinkeln, Mittelpunktswinkeln und Sehnentangentenwinkeln nicht Bezug auf einen gegebenen Kreisbogen, sondern auf eine gegebene Kreissehne [AB]. Legt man eine solche Definition zugrunde, so muss man zwei Arten von Umfangswinkeln unterscheiden, nämlich spitze und stumpfe Umfangswinkel. Als Mittelpunktswinkel definiert man in diesem Fall den kleineren der beiden Winkel, die von den Kreisradien [MA] und [MB] eingeschlossen werden. Die Formulierung der Sätze im nächsten Abschnitt muss bei Verwendung dieser Definition ein wenig variiert werden.

Umfangs-, Mittelpunkts- und Sehnentangentenwinkel

Kreiswinkelsatz (Zentriwinkelsatz)

Der Mittelpunktswinkel (Zentriwinkel) eines Kreisbogens ist doppelt so groß wie einer der zugehörigen Umfangswinkel (Peripheriewinkel).

Fall 1: Einer der Schenkel zum Umfangswinkel verläuft durch den Mittelpunkt

Die beiden Winkel MAP und APM sind beide gleich φ. Der Winkel PMA beträgt entsprechend 1802φ und μ als dessen Nebenwinkel demnach 180(1802φ)=2φ. Vorlage:Doppeltes Bild Vorlage:Absatz

Fall 2: Der Mittelpunktswinkel beträgt 180°

Hier kann man von P aus eine Hilfslinie durch den Mittelpunkt ziehen und sieht sich dann zweimal dem Fall 1 gegenüber. Es gilt: μ=μ1+μ2=2φ1+2φ2=2(φ1+φ2)=2φ.

An dieser Stelle ist praktisch der Satz des Thales bewiesen, da P ja prinzipiell beliebig gewählt war.

Fall 3: AMBP bildet ein reguläres, nicht überschlagenes Viereck

Die Argumentation ist dieselbe wie in Fall 2. Vorlage:Doppeltes Bild Vorlage:Absatz

Fall 4: AMBP bildet ein überschlagenes Viereck

Da das Dreieck APM gleichschenklig ist, sind die Winkel PAM und MPA beide gleich groß, hier: δ. Nun ist auch das Dreieck BPM gleichschenklig, somit muss PBM=φ+δ gelten. Da die Scheitelwinkel bei Q gleich groß sind, müssen sich die beiden anderen Winkel der Dreiecke QMA und QBP zur selben Summe addieren: AMQ+QAM=QPB+PBQ. Setzen wir die bekannten Werte ein, so erhalten wir: μ+δ=φ+(φ+δ)=2φ+δ, und es folgt auch in diesem Fall: μ=2φ.

Umfangswinkelsatz (Peripheriewinkelsatz)

Alle Umfangswinkel (Peripheriewinkel) über einem Kreisbogen sind gleich groß. Dieser Kreisbogen heißt dann Fasskreisbogen.

Der Umfangswinkelsatz ist eine unmittelbare Konsequenz des Kreiswinkelsatzes: Jeder Umfangswinkel ist nach dem Kreiswinkelsatz halb so groß wie der Mittelpunktswinkel (Zentriwinkel). Also müssen alle Umfangswinkel gleich groß sein.

Sehnentangentenwinkelsatz

Die beiden Sehnentangentenwinkel eines Kreisbogens sind so groß wie die zugehörigen Umfangswinkel (Peripheriewinkel) und halb so groß wie der zugehörige Mittelpunktswinkel (Zentriwinkel).

δ=γ
Sehnentangentenwinkelsatz:
Da ABM gleichschenklig ist gilt:
α2=1802γ2=90γ
Zusammen mit α2+δ=90 folgt:
δ=90α2=90(90γ)=γ

Vorlage:Absatz

Anwendung bei Konstruktionsaufgaben

Umfangswinkelsatz

Insbesondere der Umfangswinkelsatz lässt sich nicht selten für geometrische Konstruktionen verwenden. In vielen Fällen sucht man die Menge (den geometrischen Ort) aller Punkte P, von denen aus eine gegebene Strecke (hier AB) unter einem bestimmten Winkel erscheint. Die gesuchte Punktmenge besteht im Allgemeinen aus zwei Kreisbögen, den sogenannten Fasskreisbögen (Bild 1).

Bekanntlich ist bei einem Dreieck der anliegende Außenwinkel stets so groß, wie sie Summe seiner nicht anliegenden Innenwinkel.[1] Auf Grund dessen gilt:

Liegt der Punkt C des Dreiecks ACP innerhalb des Fasskreisbogens, so ist der Winkel γ gleich α+β (Bild 2 mit Beispiel α=60). Liegt dagegen der Punkt C des Dreiecks APC außerhalb des Fasskreisbogens, so ist der Winkel α gleich β+γ (Bild 3 mit Beispiel α=60).[1]
Bild 1: Skizze zum Fasskreisbogenpaar
Bild 2: Ist Punkt C innerhalb des Fasskreisbogens, dann γ>α
Bild 3: Ist Punkt C außererhalb des Fasskreisbogens, dann γ<α

Vorlage:Absatz Der Beweis des nachfolgenden Anwendungsbeispiels beruht auf einer mehrfachen Anwendung des Umfangswinkelsatzes (Bild 4):

Bild 5: Skizze zum Anwendungsbeispiel (Spezialfall)
Bild 4: Skizze zum Anwendungsbeispiel
Gegeben seien drei Geraden g1, g2 und g3, die sich im Punkt S schneiden. Von einem Punkt PS werden jeweils die Lote auf g1, g2 und g3 gefällt.
Dann stimmen die Innenwinkelweiten des entstandenen Dreiecks ABC mit den Schnittwinkelweiten der drei Geraden überein.

Beweis:

Betrachtet wird der Thaleskreis k über der Strecke PS mit verschiedenen Peripheriewinkeln.
  • Die Winkel BAC und BSC sind Umfangswinkel über dem zur Sehne BC gehörigen (kleineren) Kreisbogen und haben deshalb dieselbe Weite α.
  • Die Winkel ACB und ASB sind Umfangswinkel über dem zur Sehne AB gehörigen (kleineren) Kreisbogen und haben deshalb dieselbe Weite γ.
  • Die Winkel g1g3 und CBA haben wegen β=180αγ dieselbe Weite β.
Damit ist die Aussage bewiesen.

Für den Spezialfall, dass die drei Geraden sich im Punkt S unter einem Winkel von jeweils 60 schneiden, ergibt sich mit α=β=γ als unmittelbare Folgerung (Bild 5):

Gegeben seien drei Geraden g1, g2 und g3, die sich im Punkt S unter einem Winkel von jeweils 60 schneiden. Von einem Punkt PS werden jeweils die Lote auf g1, g2 und g3 gefällt.
Dann ist das Dreieck ABC gleichseitig.[2]

Vorlage:Absatz

Kreiswinkelsatz

Der Kreiswinkelsatz eignet sich auch als Konstruktionsbaustein zur Lösung z. B. folgender Aufgaben:

  • Zeichne ein Vierzigeck, bei dem die Seitenlänge a gegeben ist.
Hierfür wird zuerst der Umkreis eines Zehnecks mit nur einer Seitenlänge a konstruiert und anschließend zweimal hintereinander der Kreiswinkelsatz angewendet.
  • Die Dreiteilung des Winkels mithilfe der Hyperbel; bereits im 4. Jhdt. nutzte Pappos für deren Lösung die Eigenschaften dieses Satzes (Bild 1).
  • Es ist aus einer vorgegebenen Seitenlänge a ein Polygon zu konstruieren, das die doppelte Anzahl Ecken eines Polygons mit gleicher Seitenlänge hat (Bild 2).
  • Es ist aus einer vorgegebenen Seitenlänge a ein Polygon zu konstruieren, das die halbe Anzahl Ecken eines Polygons mit gleicher Seitenlänge hat (Bild 3).
Bild 1: Kreiswinkelsatz
Ansatz für die Dreiteilung eines beliebigen Winkels. Durch den Punkt C verläuft später der rechte Ast der Hyperbel
.
Bild 2: Kreiswinkelsatz
Konstruktion eines Polygons bei gegebener Seitenlänge a, das die doppelte Anzahl Ecken eines Polygons mit gleicher Seitenlänge hat.
Beispiel:
Die Seitenlänge a des gesuchten Zwanzigecks (blau) ist gleich der des vorgegebenen Zehnecks.
Bild 3: Kreiswinkelsatz
Konstruktion eines Polygons bei gegebener Seitenlänge a, das die halbe Anzahl Ecken eines Polygons mit gleicher Seitenlänge hat. Darin ist Ms die Mittelsenkrechte von AM.
Beispiel:
Die Seitenlänge a des gesuchten Zehnecks (blau) ist gleich der des vorgegebenen Zwanzigecks.

Vorlage:Absatz

Literatur

  • Max Koecher, Aloys Krieg: Ebene Geometrie. 3., neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Springer, Berlin u. a. 2007, ISBN 978-3-540-49327-3, S. 161–162
  • Schülerduden – Mathematik I. Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus, 8. Auflage, Mannheim 2008, ISBN 978-3-411-04208-1, S. 415–417
  • Günter Aumann: Kreisgeometrie: Eine elementare Einführung. Springer, 2015, ISBN 978-3-662-45306-3, S. 15–18

Vorlage:Wikibooks Vorlage:Wikibooks

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Vorlage:Literatur
  2. Lorenz Halbeisen, Norbert Hungerbühler, Juan Läuchli: Mit harmonischen Verhältnissen zu Kegelschnitten - Perlen der klassischen Geometrie, 2. Auflage, Springer Spektrum 2016, ISBN 978-3-662-63329-8, S. 23/219