Kernregression

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Unter Kernregression (Vorlage:EnS kernel regression, daher auch Kernel-Regression) versteht man eine Reihe nichtparametrischer statistischer Methoden, bei denen die Abhängigkeit einer zufälligen Größe von Ausgangsdaten mittels Kerndichteschätzung geschätzt wird. Die Art der Abhängigkeit, dargestellt durch die Regressionskurve, wird im Gegensatz zur linearen Regression nicht als linear festgelegt. Der Vorteil ist eine bessere Anpassung an die Daten im Falle nichtlinearer Zusammenhänge. Abhängig davon, ob die Ausgangsdaten selbst zufällig sind oder nicht, unterscheidet man zwischen Random-Design- und Fixed-Design-Ansätzen. Das grundlegende Verfahren wurde 1964 unabhängig voneinander von Geoffrey S. Watson (* 1921 Australien) und Elisbar Nadaraia (englische Transkription: Èlizbar Nadaraya, * 1936 Georgische Sozialistische Sowjetrepublik) vorgeschlagen.

Eindimensionale Kernregression

Kerndichteschätzer

Dotplot, Histogramm und Kerndichteschätzer der Variablen LSTAT des Boston-Housing-Datensatzes.

Ein Kerndichteschätzer f^ zur Bandweite h>0 ist eine Schätzung der unbekannten Dichtefunktion f einer Variablen. Ist x1,,xn eine Stichprobe, K ein Kern, so ist die Kerndichteschätzung definiert als:

f^(x)=1nj=1nKh(xxj)=1nhj=1nK(xxjh).

Wie die Grafik rechts zeigt, ist die Wahl der Bandbreite h entscheidend für die Qualität der Approximation.

Vorlage:Hauptartikel

Typische Kerne mit
unbeschränktem Träger Träger [1;1]
Kern K(u) Kern K(u)I(|u|1)
Gauß-Kern 12πexp(12u2) Gleichverteilungs- oder Rechteckskern 12
Cauchy-Kern 1π(1+u2) Dreieck-Kern (1|u|)
Picard-Kern 12exp(|u|) Kosinus-Kern π4cos(π2u)

Epanechnikov-Kern (p=1)
quartischer Kern (p=2)
Triweight-Kern (p=3)
Cp(1u2)p
Cp=3/4
Cp=15/16
Cp=35/32

Nadaraya-Watson-Schätzer

Lineare Regression (schwarz) und Nadaraya-Watson-Schätzer mit verschiedenen Bandweiten (rot: mittel, grün: groß und blau: klein)

Der Nadaraya-Watson-Schätzer schätzt eine unbekannte Regressionsfunktion m(x) aus den Beobachtungsdaten (x1,y1),,(xn,yn) als[1][2]

m^(x)=i=1nyiKh(xxi)i=1nKh(xxi)

mit Kh(u)=K(u/h)/h und einem Kern K und einer Bandweite h>0. Die Funktion Kh ist dabei eine Funktion, die Beobachtungen nahe x ein großes Gewicht und Beobachtungen weit entfernt von x ein kleines Gewicht zuordnet. Die Bandweite legt fest, in welchem Bereich um x die Beobachtungen ein großes Gewicht haben.

Während die Wahl des Kerns meist recht frei erfolgen kann, hat die Wahl der Bandweite einen großen Einfluss auf die Glattheit des Schätzers. Die Grafik rechts zeigt, dass eine große Bandweite (grün) zu einer glatteren Schätzung führt als die Wahl einer kleinen Bandweite (blau).

Herleitung

Die Idee des Nadaraya-Watson-Schätzers beruht darauf, dass die unbekannte Regressionsfunktion

Y=m(X)

mit Hilfe des bedingten Erwartungswertes durch die gemeinsame Dichte f(x,y) und die Randdichte fX(x) dargestellt wird.

m(x)=E(YX=x)=yf(x,y)fX(x)dy=yf(x,y)dyfX(x)

Die unbekannten Dichten f(x,y) und fX(x) werden mit Hilfe einer Kerndichteschätzung geschätzt. Zur Berechnung der gemeinsamen Dichte aus den Beobachtungen wird ein bivariater Kerndichteschätzer mit Produktkern K(x,y)=K(x)K(y) und Bandweiten g und h genutzt:

fg,h^(x,y)=1ni=1nKh(xxi)Kg(yyi).

Es folgt

yKh(xxi)dy=1ni=1nyiKh(xxi)

und mittels Kerndichteschätzung für fX(x) der Nadaraya-Watson-Schätzer.

Eigenschaften

Gewichte Whi(x) für verschiedene x, i und Bandweiten h.

1. Wie im Fall der linearen Regression kann der Nadaraya-Watson-Schätzer auch als Linearkombination der yi mit Gewichtsfunktionen Whi geschrieben werden:

m^(x)=i=1nyiWhi(x).

Damit ist der Nadaraya-Watson-Schätzer das (lokal) gewichtete Mittel der Beobachtungswerte yi, es gilt

i=1nWhi(x)=1.

Die Grafik rechts zeigt die Gewichte für verschiedene Werte von x (blau: x=10, grün: x=20, rot: x=30). Das Punktdiagramm unterhalb von Null zeigt die Daten der erklärenden Variable. Je größer die Bandweite ist (durchgezogene Linie vs. gestrichelte Linie), desto mehr Beobachtungen um x haben ein Gewicht ungleich null. Je weniger Daten zur Verfügung stehen (rechts), desto stärker müssen die verfügbaren Beobachtungen gewichtet werden.

2. Die mittlere quadratische Abweichung ergibt sich approximativ als

MSE(m^(x))h4B2=Verzerrung2+1nhV=Varianz

mit B und V unabhängig von n und h. Damit ist die Konvergenz langsamer als bei der linearen Regression, d. h. mit der gleichen Zahl von Beobachtungen kann der Vorhersagewert in der linearen Regression präziser geschätzt werden als beim Nadaraya-Watson-Schätzer.

Dabei ist die quadrierte Verzerrung (Vorlage:EnS bias) des Nadaraya-Watson-Schätzers

Bias2(m^(x))=h44(m(x)+2m(x)f'X(x)fX(x))2μ22(K)

mit m(x) und m(x) die erste bzw. zweite Ableitung der unbekannten Regressionsfunktion, f'X(x) die erste Ableitung der Dichte fX(x) und μ2(K)=u2K(u)du.

Und die Varianz des Schätzers

Var(m^(x))=1nhσ2(x)fX(x)|K|22

mit σ2(x)=Var(YX=x) und |K|2=K2(u)du).

Bandweitenwahl

Resubstitution und Leave-One-Out Kreuzvalidierung für die Bandweite des Nadaraya-Watson Schätzers für das obige Beispiel. Die „optimale“ Bandweite ergibt sich für ca. h=0,7.

Das Hauptproblem bei der Kernregression ist die Wahl einer geeigneten Bandweite h. Als Basis dient die Minimierung der mittleren quadratische Abweichung

MSE(m^(x))=E((m^(x)m(x))2)

bzw. deren Approximation. Die Approximation enthält jedoch die zweite Ableitung der unbekannten Regressionsfunktion m(x) sowie die unbekannte Dichtefunktion fX(x) und deren Ableitung. Stattdessen wird die datenbasierten gemittelte quadratische Abweichung

ASE(m^(x))=1ni=1n(m^(x)yi)2

minimiert. Da zur Schätzung von m^(x) der Wert von yi genutzt wird, führt eine Bandweite h=0 zu einem ASE(m^(x))=0 (Resubstitution Schätzung). Daher wird eine Leave-One-Out-Kreuzvalidierung durchgeführt, d. h. zur Berechnung des Schätzwertes m^(xi) werden alle Beobachtungen herangezogen außer der i-ten. Damit wird der ASE(m^(x)) für verschiedene Bandweiten berechnet. Die Bandweite, die einen minimalen ASE ergibt, wird dann zur Schätzung der unbekannten Regressionsfunktion genommen.

Konfidenzbänder

Nach der Schätzung der Regressionsfunktion m^(x) stellt sich die Frage, wie weit diese von der wahren Funktion m(x) abweicht. Die Arbeit von Bickel und Rosenblatt (1973)[3] liefert zwei Theoreme für punktweise Konfidenzbänder und gleichmäßige Konfidenzbänder.

Neben der Information über die Abweichung zwischen m^(x) und m(x) liefern die Konfidenzbänder einen Hinweis darauf, ob ein mögliches parametrisches Regressionsmodell, z. B. eine lineare Regression, zu den Daten passt. Liegt der geschätzte Verlauf der Regressionsfunktion des parametrischen Regressionsmodells außerhalb der Konfidenzbänder, so ist dies ein Hinweis darauf, dass das parametrische Regressionsmodell nicht zu den Daten passt. Ein formaler Test ist mit Hilfe von Bootstrapping-Verfahren möglich.

Lineare Regression (schwarz) und Nadaraya-Watson-Schätzer (rot) mit optimaler Bandweite und punktweisen 95%-Konfidenzband.

Punktweise Konfidenzbänder: Unter bestimmten Voraussetzungen konvergiert in Verteilung

n2/5(m^(x)m(x))𝒩(B(x),V(x))

mit h=cn1/5, B(x)=cμ2(K)(m(x)2+m(x)f'X(x)fX(x)) und V(x)=σ(x)|K|22cfX(x).

Wenn die Bandweite klein genug ist, dann kann die asymptotische Verzerrung B(x) vernachlässigt werden gegen die asymptotische Varianz V(x). Damit können approximative 1α Konfidenzbänder berechnet werden

m^(x)±z1α/2|K|22σ^2(x)nhf^X(x)

mit z1α/2 das 1α/2 Quantil der Standardnormalverteilung. Die unbekannte Dichte fx(x) wird dabei mit einer Kerndichteschätzung f^X(x) geschätzt und σ2(x) mit

σ^2(x)=1ni=1nWhi(x)(yim^(x))2.

Die Grafik rechts zeigt den Nadaraya-Watson-Schätzer mit punktweisen 95% Konfidenzband (rote Linien). Die schwarze lineare Regressionsgerade liegt in verschiedenen Bereichen deutlich außerhalb der Konfidenzbandes. Dies ist ein Hinweis darauf, dass ein lineares Regressionsmodell hier nicht angemessen ist.

Gleichmäßige Konfidenzbänder: Unter etwas stärkeren Voraussetzungen als zuvor und mit x[0;1], h=nκ mit 1/5<κ<1/2 und für Kerne mit Träger in [1;1] konvergiert

P(|m^(x)m(x)|zn,α|K|22σ^2(x)nhf^X(x))1α

mit

zn,α=12κlog(n)(log(12π|K|2|K|2)1/2log(12log(1α)))+2κlog(n).

Die Bedingung x[0;1] ist keine Einschränkung, da die Daten xi erst auf das Intervall [0;1] transformiert werden können. Danach wird das Konfidenzband berechnet und wieder zurücktransformiert auf die Originaldaten.

Gasser-Müller-Schätzer

Im Fixed-Design-Fall mit a=x1x2xn=b ist die Dichte fX(x) bekannt, muss also nicht geschätzt werden. Dies vereinfacht sowohl die Berechnungen als auch die mathematische Behandlung des Schätzers. Für diesen Fall wurde der Gasser-Müller-Schätzer definiert als[4]

m^GM(x)=i=1nyiWhiGM(x)

mit

WhiGM(x)=nsi1siKh(xu)du

und s0=a, sn+1=b und si=(xi+xi1)/2.

Eigenschaften

1. Der Gasser-Müller Schätzer ist wie der Nadaraya-Watson-Schätzer ein linearer Schätzer und die Summe der Gewichtsfunktionen ist eins.

2. Für die mittlere quadratische Abweichung gilt:

MSE(m^GM(x))h44μ22(K)(m(x))2=Verzerrung2+1nhK22=Varianz.

Lokal polynomiale Kernregression

Lokale Approximationen für den Nadaraya-Watson-Schätzer (lokal konstant) und den lokal linearen Schätzer an ausgewählten Datenpunkten. Die Grafik ist eingeschränkt auf Bereich [1,5;5] der x-Werte (also linker Rand der Daten), die Berechnungen wurden jedoch mit allen Daten durchgeführt.

Der Nadaraya-Watson Schätzer kann als Lösung des folgenden lokalen Minimierungsproblem geschrieben werden:

minβ0(0)i=1n(yiβ0(0))2Kh(xxi),

d .h. für jedes x wird ein lokal konstanter Wert β0(0) bestimmt, der gleich dem Wert des Nadaraya-Watson Schätzer m^(x) an der Stelle x ist.

Anstelle einer lokalen Konstanten kann auch ein Polynom verwendet werden:

minβ0(p),,βp(p)i=1n(yiβ0(p)β1(p)(xix)βp(p)(xix)p)2Kh(xxi),

d. h. der unbekannte Regressionswert wird durch ein lokales Polynom approximiert. Die lokal polynomiale Kernregression mp(x) ergibt sich an jeder Stelle durch

mp(x)=β^0(p).

Die Grafik rechts zeigt an ausgewählten Stellen x die verwendeten lokalen Polynome. Der Nadaraya-Watson Schätzer (rot) nutzt lokal konstanten Funktionen β0(0). Die lokal lineare Kernregression (blau) nutzt lokal lineare Funktionen β0(1)+β1(1)(x~x) an der Stelle x. Die ausgewählten Stellen x sind in der Grafik mit Datenpunkten identisch. Die senkrechten grauen Linien verbinden die lokalen Polynome mit dem zugehörigen x-Wert (Datenpunkt). Der Schnittpunkt mit dem roten bzw. blauen Polynom ergibt den Schätzwert an der entsprechenden Stelle x für den Nadaraya-Watson Schätzer und die lokal lineare Kernregression.

Vorteile und Eigenschaften

Die lokal polynomiale Regression bietet gegenüber dem Nadaraya-Watson Schätzer einige Vorteile:

  • Im Allgemeinen wird das lokal konstante β0(0) von Beobachtungswerten beeinflusst die sowohl links als auch rechts vom Wert x liegen. An den Rändern funktioniert das jedoch nicht und dies führt zu Randeffekten (Vorlage:EnS boundary effects). Die lokal polynomiale Kernregression approximiert jedoch lokal mit einem Polynom und kann dieses Problem vermeiden.
  • Um die vte Ableitung zu schätzen, könnte man einfach den Nadaraya-Watson entsprechend oft ableiten. Mit der lokal polynomialen Kernregression ergibt sich jedoch ein deutlich eleganterer Weg:
mp(v)(x)=v!β^v(p)
Meist wird p=v+1 oder p=v+3 benutzt. Ungerade Ordnungen p sind besser als gerade Ordnungen.
  • Wie im Fall der linearen Regression und des Nadaraya-Watson-Schätzer kann auch die lokal polynomiale Kernregression auch als Linearkombination der yi mit Gewichtsfunktionen Whi(p) geschrieben werden:
m^p(x)=i=1nyiWhi(p)(x).

Schätzung der Regressionsparameter

Definiert man die folgenden Matrizen:

𝒳=(1(x1x)(x1x)p1(x2x)(x2x)p1(xnx)(xnx)p), 𝒴=(y1y2yn)

und

𝒲=(Kh(xx1)000Kh(xx2)000Kh(xxn))

so ergeben sich die Schätzung der Regressionsparameter β=(β0(p),,βp(p))T als

β^=(𝒳T𝒲𝒳)1𝒳T𝒲𝒴.

Die für die Ableitung notwendigen Koeffizienten werden im Schätzverfahren also automatisch mit berechnet!

Um die Schätzung praktisch durchzuführen, berechnet man

Sj=i=1nKh(xxi)(xix)j
Tj=i=1nKh(xxi)(xix)jyi

und berechnet

β^=(S0S1SpS1S2Sp+1SpSp+1S2p)1(T0T1Tp)

Vorlage:Anker Lokal lineare Kernregression

Verschiedene lokale Regressionsmethoden: Nadaraya-Watson (rot), Lokal-linear (blau) und LOWESS (grün) und lineare Regression (schwarz).

Eines der bekanntesten lokal linearen Regressionsmodelle (p=1) ist der lokal gewichtete Regression-Streudiagramm-Glätter, abgekürzt mit LOESS oder Loess (Vorlage:EnS für locally estimated scatterplot smoothing, Vorlage:DeS lokal geschätzte Streudiagrammglättung) oder veraltet LOWESS (Vorlage:EnS für locally weighted scatterplot smoothing, Vorlage:DeS lokal gewichtete Streudiagrammglättung).[5] Der LOWESS ist jedoch keine lokal-lineare Kernregression, denn

  • die Regressionsgewichte werden robust geschätzt und
  • die Bandweite variiert mit x.

Die Grafik rechts zeigt zwei verschiedene Methoden der Kernregression: Lokal konstant (rot, Nadaraya-Watson) und lokal linear (blau). Insbesondere an den Rändern approximiert die lokal lineare Kernregression die Daten etwas besser.

Die lokal lineare Kernregression ergibt sich als

m^1(x)=T0S2T1S1S0S2S12.

Die mittlere quadratische Abweichung der lokal linearen Regression ergibt sich, wie beim Nadaraya-Watson-Schätzer, als

MSE(m^1(x))h4B2=Verzerrung2+1nhV=Varianz

mit

Bias2(m^1(x))=h44(m(x))2μ22(K)

und die Varianz ist identisch zur Varianz des Nadaraya-Watson-Schätzers Var(m^(x)). Die einfachere Form der Verzerrung macht die lokal lineare Kernregression attraktiver für praktische Zwecke.

Einzelnachweise

  1. Vorlage:Literatur
  2. Vorlage:Literatur
  3. Bickel, Rosenblatt (1973) On some global measures of the deviations of density function estimators, Annals of Statistics 1, S. 1071–1095
  4. Vorlage:Literatur
  5. Vorlage:Literatur

Literatur