Induzierte Darstellung

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Vorlage:QS-Mathematik

Im mathematischen Gebiet der Darstellungstheorie von Gruppen kann man mittels der induzierten Darstellung aus einer Darstellung einer Untergruppe eine Darstellung der sie enthaltenden Gruppe konstruieren.

Problemstellung

Mit Hilfe der Einschränkung (engl.: restriction) kann man aus einer Darstellung ϕ einer Gruppe eine Darstellung Res(ϕ) einer Untergruppe erhalten.
Die Frage, die sich nun stellt, ist die nach dem umgekehrten Prozess. Kann man aus einer gegebenen Darstellung ψ einer Untergruppe eine Darstellung der ganzen Gruppe erhalten?
Man stellt fest, dass die im Folgenden definierte induzierte Darstellung Ind(ψ) genau das Gesuchte liefert. Allerdings ist diese Konstruktion nicht invers, sondern adjungiert zur Einschränkung.

Definition

Sei ρ:GGL(Vρ) eine lineare Darstellung von G. Sei H eine Untergruppe und ρ|H die Einschränkung. Sei W eine Teildarstellung von ρ|H. Schreibe θ:HGL(W) für diese Darstellung. Sei sG, der Vektorraum ρ(s)(W) hängt nur von der Linksnebenklasse sH von s ab. Sei R ein Vertretersystem von G/H, dann ist rRρ(r)(W) eine Teildarstellung von Vρ.

Eine Darstellung ρ von G in Vρ heißt induziert durch die Darstellung θ von H in W, falls Vρ=rRWr. Dabei ist R ein Vertretersystem von G/H wie oben und Wr=ρ(s)(W) für jedes srH.

Anders formuliert:
Die Darstellung (ρ,Vρ) ist induziert von (θ,W), falls jedes vVρ eindeutig als rRwr geschrieben werden kann, wobei wrWr für jedes rR.

Wir schreiben IndHG(θ) oder kurz, falls keine Verwechslungsgefahr besteht, Ind(θ) für die von der Darstellung θ von H induzierte Darstellung von G. Man verwendet auch oft die Darstellungsräume anstatt der Darstellungsabbildung und schreibt V=IndHG(W) bzw. kurz Ind(W), falls die Darstellung V von W induziert ist.

Alternative Beschreibung der induzierten Darstellung

Über die Gruppenalgebra erhalten wir eine alternative Beschreibung der induzierten Darstellung:
Sei G eine Gruppe, V ein [G]-Modul und W ein [H]-Untermodul von V zur Untergruppe H von G. Dann heißt V von W induziert, falls V=[G][H]W, wobei G auf dem ersten Faktor operiert: s(etw)=estw für alle s,tG,wW.

Eigenschaften

Die in diesem Abschnitt vorgestellten Ergebnisse werden ohne Beweis präsentiert. Diese können in[1][2] nachgelesen werden.

Eindeutigkeit und Existenz der induzierten Darstellung

Sei (θ,Wθ) eine lineare Darstellung einer Untergruppe H von G. Dann existiert eine lineare Darstellung (ρ,Vρ) von G, die von (θ,Wθ) induziert wird und diese ist bis auf Isomorphie eindeutig.

Transitivität der Induktion

Sei W eine Darstellung von H.
Für eine aufsteigende Kette von Gruppen HGK gilt

IndGK(IndHG(W))IndHK(W).

Lemma: Sei (ρ,Vρ) von (θ,Wθ) induziert und sei ρ:GGL(V) eine lineare Darstellung von G und sei F:WθV eine lineare Abbildung mit der Eigenschaft, dass Fθ(t)=ρ(t)F für alle tG. Dann existiert eine eindeutig bestimmte lineare Abbildung F:VρV, die F fortsetzt und für die Fρ(s)=ρ(s)F für alle sG gilt.
D. h., wenn man V als [G]-Modul auffasst, gilt: HomH(Wθ,V)HomG(Vρ,V), wobei HomG(Vρ,V) den Vektorraum aller [G]-Homomorphismen von Vρ nach V bezeichnet. Gleiches gilt für HomH(Wθ,V).

Induktion auf Klassenfunktionen

Wie bei Darstellungen können wir auch, über sog. Induktion, aus Klassenfunktionen auf einer Untergruppe eine Klassenfunktion auf der großen Gruppe erhalten.
Sei φ eine Klassenfunktion auf H. Definiere die Funktion φ auf G durch

φ(s)=1|H|tGt1stHφ(t1st).

Wir sagen, φ ist von φ induziert und schreiben IndHG(φ)=φ oder Ind(φ)=φ.

Proposition: Die Funktion Ind(φ) ist eine Klassenfunktion auf G. Falls φ der Charakter einer Darstellung W von H ist, dann ist Ind(φ) der Charakter der induzierten Darstellung Ind(W) von G.

Lemma: Falls ψ eine Klassenfunktion auf H ist und φ eine Klassenfunktion auf G, gilt:

Ind(ψResφ)=(Indψ)φ.

Satz: Sei (ρ,Vρ) die durch die Darstellung (θ,Wθ) der Untergruppe H induzierte Darstellung von G und seien χρ,χθ die korrespondierenden Charaktere. Sei R ein Vertretersystem von G/H. Für jedes tG gilt:

χρ(t)=rR,r1trHχθ(r1tr)=1|H|sG,s1tsHχθ(s1ts).

Frobeniusreziprozität

Vorlage:Hauptartikel Die Frobeniusreziprozität sagt einerseits, dass die Abbildungen Res und Ind adjungiert zueinander sind. Betrachten wir andererseits mit W eine irreduzible Darstellung von H und sei V eine irreduzible Darstellung von G, dann erhalten wir mit der Frobeniusreziprozität außerdem, dass W so oft in Res(V) enthalten ist wie Ind(W) in V.

Sei ψclass(H) und sei φclass(G), dann gilt

ψ,ResφH=Indψ,φG

Die Aussage gilt ebenso für das Skalarprodukt.

Kriterium von Mackey

Vorlage:Hauptartikel

Die induzierte Darstellung V=IndHG(W) ist genau dann irreduzibel, wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind:

  • W ist irreduzibel.
  • Für jedes sGH sind die zwei Darstellungen ρs und Ress(ρ) von Hs disjunkt.

Anwendungen auf spezielle Gruppen

In diesem Abschnitt werden einige Anwendungen der bisher vorgestellten Theorie auf normale Untergruppen und auf eine besondere Gruppe, das semidirekte Produkt einer Untergruppe mit einem abelschen Normalteiler, vorgestellt.

Proposition: Sei A eine normale Untergruppe der Gruppe G und sei ρ:GGL(V) eine irreduzible Darstellung von G. Dann gilt:

  • Entweder gibt es eine echte Untergruppe H von G, die A enthält und eine irreduzible Darstellung η von H, die ρ induziert
  • oder die Einschränkung von ρ auf A ist isotypisch.

Falls A abelsch ist, ist der zweite Punkt der obigen Proposition äquivalent dazu, dass ρ(a) eine Homothetie ist für jedes aA.

Wir erhalten außerdem das folgende

Korollar: Sei A eine abelsche, normale Untergruppe von G und τ eine beliebige irreduzible Darstellung von G. Sei (G:A) der Index von A in G.
Dann gilt: deg(τ)|(G:A).
Ist A eine abelsche Untergruppe von G (nicht unbedingt normal), so gilt im Allgemeinen nicht mehr deg(τ)|(G:A), jedoch gilt weiterhin deg(τ)(G:A).

Im Folgenden zeigen wir, wie alle irreduziblen Darstellungen einer Gruppe G, die semidirekte Produkte eines abelschen Normalteilers AG und einer Untergruppe HG sind, klassifiziert werden.

Seien im Folgenden A und H Untergruppen der Gruppe G, wobei A normal ist. Im Folgenden nehmen wir an, dass A abelsch ist, und G das semidirekte Produkt von H und A, also G=AH.
Nun klassifizieren wir die irreduziblen Darstellungen einer solchen Gruppe G, indem wir zeigen, dass die irreduziblen Darstellungen von G aus bestimmten Untergruppen von H konstruiert werden können. Dies ist die Methode der „kleinen Gruppen“ von Wigner und Mackey.

Da A abelsch ist, haben die irreduziblen Darstellungen von A Grad 1 und die zugehörigen Charaktere bilden eine Gruppe X=Hom(A,×). Die Gruppe G operiert auf X durch (sχ)(a)=χ(s1as) für sG,χX,aA.
Sei (χj)jX/H ein Vertretersystem der Bahn von H in X. Für jedes jX/H sei Hj={tHtχj=χj}. Dies ist eine Untergruppe von H. Sei Gj=AHj die korrespondierende Untergruppe von G. Dann dehnen wir die Funktion χj auf Gj aus, in dem wir χj(at)=χj(a) für aA,tHj setzen.
Damit ist χj eine Klassenfunktion auf Gj. Da tχj=χj für alle tHj, kann man zeigen, dass χj außerdem ein Gruppenhomomorphismus von Gj nach × ist. Es handelt sich also um eine Darstellung von Gj vom Grad 1, die ihrem eigenen Charakter entspricht.
Sei nun ρ eine irreduzible Darstellung von Hj. Dann erhält man eine irreduzible Darstellung ρ~ von Gj, in dem man ρ mit der kanonischen Projektion GjHj verknüpft. Schließlich bilden wir das Tensorprodukt von χj und ρ~ und erhalten eine irreduzible Darstellung χjρ~ von Gj.
Um nun die Klassifizierung zu zeigen, betrachten wir die Darstellung θj,ρ von G, die von χjρ~ induziert ist.
Damit erhalten wir folgendes Ergebnis:

Proposition:

  • θj,ρ ist irreduzibel.
  • Falls θj,ρ und θj,ρ isomorph sind, dann ist j=j und ρ ist isomorph zu ρ.
  • Jede irreduzible Darstellung von G ist isomorph zu einer der θj,ρ.

Für den Beweis der Proposition wird unter anderem das Kriterium von Mackey und eine Folgerung aus der Frobeniusreziprozität benötigt. Mehr Details finden sich in [3].
D. h., wir haben alle irreduziblen Darstellungen der Gruppe G=AH klassifiziert.

Satz von Artin

Satz: Sei X eine Familie von Untergruppen einer endlichen Gruppe G. Sei Ind:HX(H)(G) der Homomorphismus, definiert durch die Familie der IndHG,HX. Dann sind die folgenden Eigenschaften äquivalent:

  • Der Kokern von Ind:HX(H)(G) ist endlich.
  • G ist die Vereinigung der Konjugate der zu X gehörenden Untergruppen, also G=HXsGsHs1.

Da (G) als Gruppe endlich erzeugt ist, kann man den ersten Punkt wie folgt umformulieren:

  • Für jeden Charakter χ von G existieren virtuelle Charaktere χH(H),HX und eine ganze Zahl d1, sodass dχ=HXIndHG(χH).

Der Satz gilt analog für die Ringe R(H) und R(G), da R(G)(G).

Dieser Satzes wird in[4] bewiesen.

Korollar: Jeder Charakter von G ist eine rationale Linearkombination von Charakteren, die von Charakteren zyklischer Untergruppen von G induziert werden.

Dies folgt sofort aus dem Satz von Artin, da G die Vereinigung aller Konjugate seiner zyklischen Untergruppen ist.

Induzierte Darstellungen für kompakte Gruppen

Falls H eine abgeschlossene Untergruppe von endlichem Index in der kompakten Gruppe G ist, kann die Definition der induzierten Darstellung wie bei endlichen Gruppen übernommen werden.
Die induzierte Darstellung kann jedoch auch allgemeiner definiert werden, sodass die Definition auch gültig ist, falls der Index von H in G nicht endlich ist.
Sei dazu (η,Vη) eine unitäre Darstellung der abgeschlossenen Untergruppe H. Die stetig induzierte Darstellung IndHG(η)=(I,VI) wird wie folgt definiert:
Mit VI bezeichnen wir den Hilbertraum aller messbaren, quadratisch integrierbaren Funktionen Φ:GVη mit der Eigenschaft, dass Φ(ls)=η(l)Φ(s) für alle lH,sG. Die Norm ist ||Φ||G=supsG||Φ(s)|| und die Darstellung I ist gegeben durch Rechtstranslation: I(s)Φ(k)=Φ(ks).
Die induzierte Darstellung ist dann wieder eine unitäre Darstellung.
Da G kompakt ist, zerfällt die induzierte Darstellung in die direkte Summe irreduzibler Darstellungen von G. Dabei gilt, dass alle irreduziblen Darstellungen, die zum gleichen Isotyp gehören, mit der Vielfachheit auftreten, die dim(HomG(Vη,VI)) entspricht.
Sei (ρ,Vρ) eine Darstellung von G, dann gibt es einen kanonischen Isomorphismus

T:HomG(Vρ,IHG(η))HomH(Vρ|H,Vη)=Vη,VIG.

Die Frobeniusreziprozität überträgt sich mit der modifizierten Definition des Skalarproduktes und der Bilinearform auf kompakte Gruppen, wobei der Satz anstatt für Klassenfunktionen, hier für quadratisch integrierbare Funktionen auf G gilt und die Untergruppe H abgeschlossen sein muss.

Literatur

  1. Jean-Pierre Serre: Linear Representations of Finite Groups. Springer Verlag, New York 1977, ISBN 0-387-90190-6
  2. William Fulton, Joe Harris: Representation Theory A First Course. Springer-Verlag, New York 1991, ISBN 0-387-97527-6
  3. Serre, op. cit.
  4. Serre, op. cit.