Abgeleiteter Funktor

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Im mathematischen Teilgebiet der Kategorientheorie und der homologischen Algebra ist ein abgeleiteter Funktor (auch: derivierter Funktor) eines links- oder rechtsexakten Funktors ein Maß dafür, wie weit dieser von der Exaktheit abweicht. Die Bezeichnung rührt daher, dass analog dazu die Ableitungen einer Funktion messen, wie sehr diese von einer konstanten Funktion abweicht.

Für den Rest dieses Artikels seien C und D abelsche Kategorien und F:CD ein kovarianter linksexakter Funktor. Im Falle eines kontravarianten und/oder rechtsexakten Funktors gilt das Entsprechende, wobei gegebenenfalls Pfeile umzudrehen und injektive durch projektive Objekte zu ersetzen sind.[1][2]

Motivation

Ist

0AAA0

exakt, so ist zwar die entsprechende Sequenz

0F(A)F(A)F(A)

exakt, allgemein jedoch nicht die Fortsetzung durch 0.

Prinzipiell könnte man zwar die Sequenz – so ist der Kokern schließlich definiert – durch coker(F(A)F(A))0 exakt fortsetzen, aber diese Fortsetzung hinge dann vom Homomorphismus AA ab. Man hätte gern eine Abhängigkeit lediglich von den Objekten.

Dass bereits eines der beteiligten Objekte die Abweichung von der Exaktheit stark einschränken kann, sieht man beispielsweise in dem Fall, dass A ein injektives Objekt ist. Dann ergibt sich nämlich, dass die Ursprungssequenz spaltet und A isomorph zu AA ist. Dies überträgt sich auf die Bildsequenz, die in diesem Falle also ebenfalls eine kurze exakte Sequenz ist.

Insofern liegt die Vermutung nahe, dass man (zumindest unter geeigneten zusätzlichen Voraussetzungen) allgemein eine exakte Sequenz

0F(A)F(A)F(A)R1F(A)

finden kann, wobei das Objekt R1F(A) funktoriell von A abhängt. Außerdem sollte R1F(A) unter allen Kandidaten ein möglichst „einfaches“ Objekt sein; so sollte etwa R1F(A)=0 gelten, wenn A injektiv ist.

Definition

Eine Folge G* von Funktoren Gn:CD für alle n0 heiße δ-Funktor, wenn es zu jeder kurzen exakten Folge

0AAA0

natürliche Homomorphismen δn:Gn(A)Gn+1(A) gibt, so dass die lange Folge

0G0(A)G0(A)G0(A)G1(A)G1(A)G1(A)G2(A)

exakt ist. Genau genommen sollte man sogar die δn mit zu den Daten eines δ-Funktors zählen, wodurch sich insgesamt ein Funktor von der Kategorie kurzer exakter Sequenzen in die Kategorie langer exakter Sequenzen ergibt.

Sei R*F universell unter den δ-Funktoren G* mit natürlicher Transformation FG0, d. h. es gebe eine natürliche Transformation FR0F und zu jedem G*, das seinerseits eine natürliche Transformation FG0 besitzt, eindeutig bestimmte natürliche Transformationen RnFGn für alle n, so dass die entsprechenden langen exakten Folgen kompatibel sind. Dann heißt RnF der n-te (rechts-)abgeleitete Funktor von F.

Existenz und Berechnung

Es gilt: Besitzt C genügend viele injektive Objekte, so existieren die abgeleiteten Funktoren RnF.

Hierbei bedeutet genügend viele injektive Objekte, dass es zu jedem Objekt AOb(C) ein injektives Objekt IA und einen Monomorphismus AIA gibt. Es sei zu jedem A ein solches IA fest gewählt und es gelte der Einfachheit halber IA=A, falls A bereits injektiv ist.

Dann können wir R0:=F setzen sowie (vgl. oben) RnF(I):=0 für n>0 und injektive I und erhalten dann aus der kurzen exakten Sequenz

0AIAIA/A0

die zu bildende lange exakte Sequenz

0F(A)F(IA)F(IA/A)R1F(A)0R1F(IA/A)R2F(A)0,

welche

R1F(A):=coker(F(IA)F(IA/A))

sowie

Rn+1F(A):=RnF(IA/A)

nahelegt.

Um alle RnF zu Funktoren zu machen, muss man noch die Wirkung auf Homomorphismen untersuchen, wobei es genügt, R1F zu betrachten. Ist f:AB ein Homomorphismus, so lässt sich dieser (in nicht eindeutiger Weise!) fortsetzen, so dass man ein kommutatives Diagramm

0AIAIA/A00BIBIB/B0

erhält, welches ein Diagramm

0F(A)F(IA)F(IA/A)R1F(A)00F(B)F(IB)F(IB/B)R1F(B)0

induziert. Dass hierbei wenigstens der rechte senkrechte Pfeil eindeutig ist (und somit R1F in der Tat einen Funktor definiert), weist man durch Diagrammjagd nach. Denn falls f der Nullhomomorphismus ist, faktorisiert IA/AIB/B über IBIB/B, d. h. man kann das ursprüngliche Diagramm um eine Diagonale IA/AIB kommutativ ergänzen, infolgedessen ebenso das zweite Diagramm um F(IA/A)F(IB), woraus sich wiederum rechts der Nullhomomorphismus ergibt.

Alternativ bildet man eine injektive Auflösung von A, d. h. eine exakte Folge

0AI0I1I2

mit injektiven Objekten In (z. B. I0:=IA, I1:=II0/A etc.). Man gewinnt dann alle RnF(A) auf einen Schlag als die n-te Kohomologie des Komplexes

F(I*)=(0F(I0)F(I1)F(I2))

mit F(In) an der n-ten Stelle, weshalb dies wohl die in der Literatur meistverbreitete Methode ist.

Mit dem Schlangenlemma und dem Hufeisenlemma zeigt man dann, dass R*F in der Tat ein δ-Funktor ist. Durch weitere Diagrammjagden weist man nach, dass R*F die universelle Eigenschaft hat. Daher ist das Ergebnis insbesondere „im Wesentlichen“ nicht von der Wahl der injektiven Auflösung abhängig. Für die konkrete Berechnung kann man sogar anstelle einer injektiven auch eine Auflösung durch F-azyklische Objekte Mi verwenden (d. h. RnF(Mi)=0 für n=1,2, ist bereits bekannt). Es gilt dann Hi(F(M*))RiF(A).

Entsprechend kann man Linksableitungen rechtsexakter Funktoren für Kategorien mit genügend vielen projektiven Objekten (d. h. zu jedem AOb(C) existiert ein projektives P und ein Epimorphismus PA) über projektive Auflösungen berechnen.

Eigenschaften

  • Allgemeiner sind R0F und F lediglich natürlich äquivalente Funktoren; Gleichheit ist eine Besonderheit der ersten oben angegebenen Konstruktion.
  • Ist A injektiv, so ist RnF(A)=0 für n1.
  • Ist F ein exakter Funktor, so ist RnF der Nullfunktor für n1.

Beispiele

Einzelnachweise

  1. Peter Hilton: Lectures in Homological Algebra, American Mathematical Society (1971), ISBN 0-8218-1657-8, Kap. 3: Properties of derived functors
  2. Saunders Mac Lane: Homology, Springer Grundlehren der mathematischen Wissenschaften Band 114 (1967), Kap XII: Derived Functors

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