Erweiterung (C*-Algebra)

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In der mathematischen Theorie der Erweiterungen von C*-Algebren untersucht man die Struktur der Klasse aller möglichen Erweiterungen eines Paares von C*-Algebren. Genauer untersucht man die Äquivalenzklassen bezüglich einer gewissen Äquivalenzrelation und erhält so in wichtigen Fällen eine abelsche Gruppe. Diese Zuordnung einer abelschen Gruppe zu einem Paar von C*-Algebren ist eine Isomorphie-Invariante, die im Falle kommutativer C*-Algebren einen Funktor auf der topologischen Kategorie der metrisierbaren, kompakten Räume definiert. Auch wenn die Theorie für kommutative C*-Algebren die historisch frühere ist, beginnen wir mit der allgemeineren Theorie und spezialisieren später auf den kommutativen Fall.

Definitionen

Es seien A und B zwei C*-Algebren, wobei B stabil sei, das heißt isomorph zum Tensorprodukt BK mit der C*-Algebra K der kompakten Operatoren auf dem Hilbertraum 2 der quadratsummierbaren Folgen. Ein für viele Anwendungen wichtiges Beispiel ist B=K. Man stellt nun die Frage nach allen Erweiterungen von B nach A, das heißt nach der Klasse (A,B) aller kurzen exakten Sequenzen

0BCA0

in der Kategorie der C*-Algebren. Der Quotient nach einer geeigneten Äquivalenzrelation wird mit später Ext(A,B) bezeichnet. Beachte die Reihenfolge der Nennung der C*-Algebren in dieser Bezeichnung, die in Analogie zum Ext-Funktor der homologischen Algebra gewählt wurde.

Zwei Erweiterungen 0BCiA0,i=1,2 heißen isomorph, falls es einen Isomorphismus γ:C1C2 gibt, der das folgende Diagramm kommutativ macht:

0BC1A0γ0BC2A0

Diese Äquivalenzrelation ist sehr fein und es ist klar, dass man zwei isomorphe Erweiterungen nicht als „wesentlich verschieden“ ansehen will.

Zwei Erweiterungen 0BCiA0,i=1,2 heißen unitär äquivalent, falls es einen Isomorphismus γ:C1C2 und ein unitäres Element u aus der Multiplikatorenalgebra M(B) gibt, so dass das folgende Diagramm kommutativ ist:

0BC1A0αuγ0BC2A0

Dabei ist αu:BB,αu(b)=u*bu.

Es wird später bei der Einführung der Addition deutlich, warum diese gröbere Relation der unitären Äquivalenz, die wir im Folgenden mit u bezeichnen, die geeignete Äquivalenzrelation ist und warum wir von B Stabilität verlangen.

Für spätere Zwecke definieren wir bereits hier, dass eine Erweiterung

0BCσA0

spaltend heißt, falls es einen *-Homomorphismus φ:AC gibt mit σφ=idA. Ist φ nur eine vollständig positive Abbildung, so heißt die Erweiterung semi-spaltend.

Beispiele

0Bb(0,b)AB(a,b)aA0

heißt triviale Erweiterung. Die spaltenden Erweiterungen sind genau die zur trivialen isomorphen Erweiterungen.

Die Toeplitz-Algebra T führt zu einer Erweiterung

0KTC(S1)0,

wobei C(S1) die C*-Algebra der stetigen Funktionen auf der Kreislinie S1 sei.

Die Busby-Invariante

Wie ordnen hier jeder Erweiterung

E:0BιCσA0

einen *-Homomorphismus τE:AQ(B) zu, wobei Q(B)=M(B)/B die äußere Algebra von B sei. Diesen Homomorphismus nennt man die Busby-Invariante, benannt nach R. Busby.[1]

Zur Konstruktion dieses Homomorphismus wählen wir zu aA ein Urbild cC bezüglich σ. Da Bι(B) ein zweiseitiges Ideal in C ist, definiert dieses Element einen Multiplikator mc:BB,bι1(cι(b)), aus M(B). Durch Übergang zu mc+BQ(B) macht man sich von der Wahl des Urbildes unabhängig und daher definiert man τE(a):=qB(mc), wobei qB:M(B)Q(B) die Quotientenabbildung sei. Die so definierte Abbildung ist ein *-Homomorphismus AQ(B).

Umgekehrt kommt jeder *-Homomorphismus τ:AQ(B) von einer Erweiterung her. Dazu setze

C:={(a,m)A×M(B)|τ(a)=qB(m)}

und bilde die kurze exakte Sequenz

0Bb(0,b)C(a,m)aA0.

Die Busby-Invariante dieser Erweiterung ist dann das gegebene τ.

Zwei Busby-Invarianten τi:AQ(B) heißen unitär äquivalent, in Zeichen τ1uτ2 wenn es ein unitäres Element uM(B) gibt mit τ1(a)=qB(u)*τ2(a)qB(u) für alle aA.

  • Zwei Erweiterungen sind genau dann isomorph, wenn sie dieselbe Busby-Invariante haben.

Diese Aussage sieht auf den ersten Blick erstaunlich aus, da die C*-Algebra C in der Busby-Invariante nicht vorkommt. Aber die Busby-Invariante enthält konstruktionsgemäß auch Informationen über die Operation von Urbildern von Elementen aus A als Multiplikatoren auf B, und das genügt wie oben gezeigt zur Konstruktion einer zu C isomorphen C*-Algebra.

  • Zwei Erweiterungen sind genau dann unitär äquivalent, wenn die zugehörigen Busby-Invarianten unitär äquivalent sind.
  • Eine Erweiterung ist genau dann isomorph zur trivialen Erweiterung, wenn die Busby-Invariante 0 ist.
  • Die Busby-Invariante einer Erweiterung 0BιCA0 ist genau dann injektiv, wenn ι(B)C ein wesentliches Ideal ist. Daher nennt man die zugehörige Erweiterung und ihre Busby-Invariante auch wesentlich.

Wir sehen bereits hier, dass die Isomorphieklassen in (A,B) eine sehr große Menge bilden können. Ist speziell A= und B=K, so ist die Busby-Invariante zu einer Erweiterung ein *-Homomorphismus Q(K) und jeder solche Homomorphismus ist bereits durch sein Bild der 1 eindeutig bestimmt. Daher gibt es so viele Isomorphieklassen in (,K), wie es Projektionen in der Calkin-Algebra gibt. Schon diese Überlegung motiviert die Suche nach gröberen Äquivalenzrelationen.

Es ist im Folgenden sehr viel bequemer über Busby-Invarianten als über Erweiterungen zu reden.

Ext(A,B)

Wir werden nun eine Halbgruppe Ext(A,B) definieren. Dazu verschaffen wir uns zunächst eine Addition und dann eine geeignete Unterhalbgruppe, die wir zu einem neutralen Element machen. Schließlich gehen wir der Frage nach, wann diese Halbgruppe sogar eine Gruppe ist, indem wir die invertierbaren Elemente untersuchen.

Addition

Bei der hier vorzustellenden Addition wird deutlich, warum wir B als stabil voraussetzen und warum wir die Äquivalenzrelation der unitären Äquivalenz verwenden werden. Da 222, ist KKM2M2(K), wobei M2 die Algebra der komplexen 2×2-Matrizen ist und M2(K) entsprechend die Algebra der 2×2-Matrizen mit Komponenten aus K. Dieser Isomorphismus setzt sich zu M2(B)B, M2(M(B))M(B) und M2(Q(B))Q(B) fort. Der letzte Isomorphismus, der auf die geforderte Stabilität zurückgeht und den wir mit θB bezeichnen, erlaubt die direkte Summe von Busby-Invarianten zu bilden:

τ1τ2:=θB(τ100τ2):AQ(B).

Es liegt nun nahe, diese Addition auf (A,B) zu betrachten. Allerdings hängt obige Definition von θB und damit von der gewählten Isomorphie 222 ab und zwei verschiedene Zerlegungen führen auf ein unitäres Element uM(B), das eine unitäre Äquivalenz zwischen den Busby-Invarianten der Summen vermittelt. Um von dieser Wahl unabhängig zu sein, geht man zu den Äquivalenzklassen [τ] von Busby-Invarianten bezüglich unitärer Äquivalenz über und zeigt, dass

[τ1]+[τ2]:=[τ1τ2]

wohldefiniert ist und (A,B):=(A,B)/u zu einer abelschen Halbgruppe macht, das heißt oben definierte Addition ist assoziativ und kommutativ, wofür ebenfalls die unitäre Äquivalenz benötigt wird.[2]

Degenerierte Erweiterungen

Hier wenden wir uns der Frage nach einem neutralen Element in der oben definierten Halbgruppe zu. Eine Busby-Invariante τ:AQ(B) bzw. eine zugehörige Erweiterung heißt degeneriert, wenn es einen *-Homomorphismus τ^:AM(B) gibt mit τ=qBτ^. Die Klasse 𝒟(A,B) der degenerierten Busby-Invarianten ist unter Addition und unitärer Äquivalenz abgeschlossen und wir definieren 𝒟(A,B):=𝒟(A,B)/u. Offenbar ist die triviale Busby-Invariante 0 degeneriert.

Ist A separabel und B σ-unital, so gibt es stets eine wesentliche, degenerierte Erweiterung. Nach einem Satz von Voiculescu sind dann je zwei wesentliche, degenerierte Busby-Invarianten, die das Einselement auf das Einselement abbilden, unitär äquivalent.[3]

Definition von Ext(A,B)

Nach diesen Vorbereitungen definieren wir nun

Ext(A,B):=(A,B)/𝒟(A,B)

und erhalten so eine kommutative Halbgruppe mit neutralem Element 0:=𝒟(A,B)

Die Definition der Addition verlangt, dass B stabil ist, um die direkte Summe der Busby-Invarianten bilden zu können. Ist B nicht stabil, so stabilisieren wir, das heißt wir setzen

Ext(A,B):=Ext(A,BK),

was für bereits stabiles B zur selben Definition führt.

Ferner definieren wir

Ext1(A,B) := Gruppe der invertierbaren Elemente in Ext(A,B)

Ist τ eine Busby-Invariante, so bezeichnet man das zugehörige Element in Ext(A,B) ebenfalls mit [τ] und oft nur mit τ.

Ist schließlich B=K, so verzichtet man manchmal auf die Nennung von K und definiert

Ext(A):=Ext(A,K)=Ext(A,).

Invertierbare Elemente

Es stellt sich nun die Frage, wann Ext(A,B) sogar eine Gruppe ist, das heißt wann Ext1(A,B)=Ext(A,B) gilt. Dazu benötigen wir folgende Charakterisierung der invertierbaren Elemente:

Für τExt(A,B) sind folgende Aussagen äquivalent:

  • τ ist invertierbar.
  • Die zugehörige Erweiterung ist semi-spaltend.
  • Es gibt eine vollständig positive Abbildung ψ:AM(B) mit ψ1 und τ=qBψ
  • Es gibt einen *-Homomorphismus π:AM2(M(B)) mit
(τ()000)=(qBidM2)((1000)π()(1000))

Das wesentliche Hilfsmittel zum Beweis dieses Satzes ist der Satz von Stinespring, um von einer vollständig positiven Abbildung zum *-Homomorphismus der letzten Aussage zu gelangen.

Nach einem Liftungssatz von Choi und Effros kann man jede vollständige positive Abbildung auf einer separablen, nuklearen C*-Algebra liften und wir erhalten daher Ext1(A,B)=Ext(A,B) für separable, nukleare C*-Algebren, oder anders formuliert:

  • Ist A separabel und nuklear, so ist Ext(A,B) eine Gruppe.

Ext(A)=Ext(A,K) ist nicht immer eine Gruppe.[4]

Eigenschaften

Funktorialität in der ersten Komponente

Ist φ:A1A2 ein *-Homomorphismus zwischen C*-Algebren, so ist [τ][τφ] ein Homomorphismus φ*:Ext(A2,B)Ext(A1,B). Auf diese Weise erhält man bei festgehaltenem B einen kontravarianten Funktor Ext(,B) von der Kategorie der C*-Algebren in die Kategorie der abelschen Halbgruppen. Schränkt man diese Betrachtung auf die volle Unterkategorie der separablen, nuklearen C*-Algebren ein, so erhält man einen Funktor mit Werten in der Kategorie der abelschen Gruppen.

Funktorialität in der zweiten Komponente

Bei festgehaltener C*-Algebra A erhält man einen kovarianten Funktor Ext(A,) von der Kategorie der C*-Algebren in die Kategorie der abelschen Halbgruppen (bzw. Gruppen, falls A separabel und nuklear ist). Zu jedem φ:B1B2 erhält man einen Homomorphismus φ*:Ext(A,B1)Ext(A,B2). Diese Konstruktion ist etwas aufwändiger und soll hier nicht reproduziert werden, siehe[5]

Beziehung zur KK-Theorie

Aus der letzten Aussage obiger Charakterisierung invertierbarer Elemente kann man für invertierbares τ einen *-Homomorphismus π:AM(B) und eine Projektion pM(B) konstruieren, so dass τ()=qB(pπ()). Dann ist das Paar (p,π) ein KK1-Zykel und man hat insgesamt ein Element aus KK1(A,B), falls B σ-unital ist. Auf diese Weise erhält man einen Isomorphismus

Ext1(A,B)KK1(A,B).

Ist A zusätzlich nuklear, so ist

Ext(A,B)KK1(A,B).

Homotopieinvarianz

Zwei Homomorphismen φ0,φ1:AB heißen homotop, falls es weitere Homomorphismen φt:AB,0<t<1 gibt, so dass alle Abbildungen [0,1]tφt(a)B stetig sind, wobei a die Elemente von A durchläuft. Man kann nun fragen, ob für homotope Abbildungen φ0,φ1:A1A2 die induzierten Homomorphismen φ1* und φ2* gleich sind, das wäre die Homotopieinvarianz in der ersten Komponente. Analog kann man nach der Homotopieinvarianz in der zweiten Komponente fragen. Hier gibt es nur Teilresultate. G. G. Kasparow hat mittels obiger Beziehung zur KK-Theorie gezeigt, dass für Ext1(A,B) Homotopieinvarianz in beiden Komponenten vorliegt, wenn A separabel und B σ-unital ist.

Kommutative C*-Algebren, BDF-Theorie

Ist X ein metrisierbarer, kompakter Raum, so ist die Algebra C(X) der stetigen komplexwertigen Funktionen eine kommutative C*-Algebra. In diesem Fall ist

Ext(X):=Ext(C(X))=Ext(C(X),K)

von Interesse. Für solche X ist C(X) separabel und als kommutative C*-Algebra auch nuklear. Daher kann obige Theorie übertragen werden:

XExt(X) ist ein homotopieinvarianter Funktor von der Kategorie der metrisierbaren, kompakten Räume in die Kategorie der abelschen Gruppen.

Historisch ist der kommutative Fall früher behandelt worden, insbesondere in den Arbeiten von L. G. Brown, R. G. Douglas und P. A. Fillmore, die in geschlossener Form 1980 veröffentlicht worden sind.[6] Man nennt diese kommutative Theorie nach den Anfangsbuchstaben der beteiligten Mathematiker auch BDF-Theorie. Da C(X) separabel und nuklear ist, liegt im Vergleich zur oben vorgestellten Theorie eine einfachere Situation vor, insbesondere ist Ext(X) stets eine abelsche Gruppe. Auch manche Beweise gestalten sich für kommutative C*-Algebren etwas einfacher.

Eine der Motivationen war die Untersuchung wesentlich normaler Operatoren, denn das führt zur Untersuchung von Ext(X), wobei X das wesentliche Spektrum des betrachteten Operators ist, das heißt das Spektrum des Bildes in der Calkin-Algebra. Ist nämlich T so ein wesentlich normaler Operator, t=T+KQ(K) das Bild in der Calkin-Algebra und X=σe(T)=σ(t) das Spektrum von t, so ist die von t und dem Einselement erzeugte C*-Algebra C*({t,1}) isomorph zu C(X) und man hat eine Erweiterung

0KC*({T,1}K)C*({t,1})C(X)0.

Daher wird man auf die Untersuchung von Ext(X) geführt. Hier findet man folgendes Ergebnis[7]

Für X ist Ext(X)=[X,]0 die Gruppe der Homotopieklassen stetiger Funktionen X mit kompaktem Träger. Daher ist Ext(X) ein kartesisches Produkt mit einem Faktor für jede beschränkte Zusammenhangskomponente von X. Der Isomorphismus hat die Form

[τ]nindex(Tλn),

wobei T ein wesentlich normaler Operator mit wesentlichem Spektrum X ist, so dass τ:C(X)Q(K) der *-Homomorphismus ist, der idX auf T+KQ(K) und die konstante Einsfunktion auf das Einselement in der Calkin-Algebra abbildet, die λn aus jeder beschränkten Zusammenhangskomponente ein Element sind und wobei index der Fredholm-Index ist.

Da S1 genau eine beschränkte Zusammenhangskomponente hat, ist Ext(S1) und die oben unter den Beispielen aufgeführte Erweiterung zur Toeplitz-Algebra ist ein erzeugendes Element.

Einzelnachweise

  1. R. Busby: Double centralizers and extensions of C*-algebras. In: Transactions Amer. Math. Soc. Band 132, 1968, S. 79–99.
  2. K. K. Jensen, K. Thomsen: Elements of KK-Theory. Birkhäuser-Verlag, 1991, ISBN 0-8176-3496-7, Lemma 3.2.3.
  3. Bruce Blackadar: K-Theory for Operator Algebras. Springer Verlag, 1986, ISBN 3-540-96391-X, Theorem 15.12.3.
  4. J. Anderson: A C*-algebra A for which Ext(A) is not a group, Annals of Math. (1978), Band 107, Seiten 455–458
  5. Bruce Blackadar: K-Theory for Operator Algebras, Springer Verlag (1986), ISBN 3-540-96391-X, 15.9
  6. R. Douglas: C*-Algebra Extensions and K-Homology. Princeton University Press, 1980, Annals of Mathematical Studies, Band 95.
  7. Bruce Blackadar: K-Theory for Operator Algebras. Springer Verlag, 1986, ISBN 3-540-96391-X, Theorem 16.2.1.