Trägheitsmoment

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Vorlage:Dieser Artikel Vorlage:Infobox Physikalische Größe Das Trägheitsmoment, auch Massenträgheitsmoment oder Inertialmoment, gibt die Trägheit eines starren Körpers gegenüber einer Änderung seiner Winkelgeschwindigkeit bei der Drehung um eine gegebene Achse an (Drehmoment geteilt durch Winkelbeschleunigung, gleichbedeutend Drehimpuls geteilt durch Winkelgeschwindigkeit). Damit spielt es die gleiche Rolle wie die Masse im Verhältnis von Kraft und Beschleunigung (bzw. von Impuls und Geschwindigkeit); deswegen ist in der älteren Literatur auch die Bezeichnung Drehmasse gebräuchlich. Als physikalische Größe kommt es erstmals 1749 im Werk Vorlage:Lang von Leonhard Euler vor.[1]

Das Trägheitsmoment hängt von der Massenverteilung in Bezug auf die Drehachse ab. Je weiter ein Massenelement von der Drehachse entfernt ist, desto mehr trägt es zum Trägheitsmoment bei; der Abstand geht quadratisch ein. Nimmt die Dichte des Körpers zur Drehachse hin zu, ist sein Trägheitsmoment kleiner, als wenn seine Masse im selben Volumen homogen verteilt wäre. Bei rasch rotierenden Planeten lässt sich deshalb aus der Abplattung auf den Dichteverlauf schließen.

Ist die Drehachse nicht fest vorgegeben, so reicht zur Beschreibung des Trägheitsverhaltens eine einzelne Zahl nicht aus. Aus dem Trägheitstensor kann das Trägheitsmoment für jede beliebige Achse durch den Schwerpunkt berechnet werden.

Anschauliche Beispiele

Balancierhilfe

Hochseilartisten mit Balancierstangen

Beim Seiltanz werden als Balancierhilfe bevorzugt lange Stangen quer zum Seil gehalten. Im Vergleich zu einem gleich schweren kompakten Körper, etwa einem Sandsack, den der Artist am Körper trägt, hat so eine Stange in Bezug zum Seil als Drehachse ein größeres Trägheitsmoment. Ein Zur-Seite-Kippen wird dadurch nicht verhindert, aber so verlangsamt, dass genügend Zeit für eine ausgleichende Bewegung bleibt.

Den Effekt kann man leicht selbst ausprobieren: Ein 30-cm-Lineal (kürzer ist schwieriger) lässt sich hochkant auf der Handfläche balancieren. Quer jedoch, auf eine seiner langen Kanten gestellt, fällt es komplett um, bevor man reagieren kann. Die Drehachse ist in beiden Fällen die aufliegende Kante, während das mittlere Abstandsquadrat von dieser Achse mit über 300 cm2 bzw. rund 5,3 cm2 stark verschieden ist.

Dass der Abstand quadratisch in das Trägheitsmoment eingeht, lässt sich leicht einsehen: Ein Massenelement in doppeltem Abstand muss bei einer bestimmten Winkelbeschleunigung doppelt so stark tangential beschleunigt werden. Das erforderliche Drehmoment (doppelte Kraft × doppelter Hebelarm) ist damit vierfach so groß.

Drehstuhl und Pirouette

Datei:25. Ротационен стол.ogv Mit einem weiteren einfachen Experiment kann man eine Änderung des Trägheitsmoments veranschaulichen. Man setzt sich möglichst mittig auf einen drehbaren Bürostuhl und lässt sich mit gestreckten Armen und Beinen in Drehung versetzen. Wenn man dann die Arme und Beine an den Körper heranzieht, nimmt das Trägheitsmoment ab. Weil der Drehimpuls, also das Produkt aus Trägheitsmoment und Winkelgeschwindigkeit, sich nicht ändern kann (Drehimpulserhaltung), wird die Drehbewegung schneller. Erneutes Ausstrecken verlangsamt die Bewegung wieder. Um den Effekt zu verstärken, kann man in jede Hand schwere Gegenstände nehmen, etwa Hanteln. Je größer deren Masse, desto deutlicher wird der Effekt.

Ein ähnliches Beispiel ist der Pirouetteneffekt, der aus dem Eiskunstlaufen bekannt ist. Die Kontrolle der Drehgeschwindigkeit kann allein aus der Verlagerung der Körpermasse relativ zur Drehachse erfolgen. Zieht der Eiskunstläufer die Arme an, dreht er sich schneller – ein erneutes Schwungholen ist nicht nötig.

Formelzeichen und Einheit

Die geläufigsten Formelzeichen für das Trägheitsmoment sind I und J, zurückgehend auf das lateinische Wort Vorlage:Lang, das untätig und träge bedeutet. Um Verwechselung mit der elektrischen Stromstärke I zu vermeiden, ist auch ein Θ (großes Theta) gebräuchlich. In diesem Artikel wird durchgehend I verwendet.

Die SI-Einheit des Trägheitsmoments ist kg·m2.

Allgemeine Definition

Das Massenträgheitsmoment I lässt sich wie folgt berechnen:

I=Vr2ϱ(r)dV=Vr2dm.

Dabei ist ϱ(r) die Funktion der Dichte des Körpers und r der senkrechte Vektor von der Rotationsachse zum Volumenelement dV (siehe untenstehende Abbildung, Rotationsachse vorgegeben durch die Winkelgeschwindigkeit ω).

Motivation der Definition

Gezeigt ist eine beliebig geformte Massen­verteilung der Dichte ϱ, die um die Achse ω rotiert. Ein Massen­element Δmi hat den Abstand ri, von der Drehachse und die Bahn­geschwindigkeit vi.

Starrer Körper bestehend aus N Massenpunkten

Werden Massen­elemente parallel zur Rotations­achse ver­schoben, ändert sich das Trägheits­moment nicht. Ein Stab, der den Winkel α mit der Rotations­achse z ein­schließt, wird zer­schnitten und die ent­standenen Einzel­teile parallel zur Rotations­achse so ver­schoben und zusammen­gefügt, dass sich ein horizontal gelagerter, kürzerer Stab ergibt. Die Masse, die Massen­verteilung und folglich das Trägheits­moment bezüglich der z-Achse bleiben dadurch gleich.

Rotiert ein starrer Körper, der aus N Massenpunkten besteht, mit Winkelgeschwindigkeit ω um die dadurch vorgegebene Rotationsachse, ohne sich dabei translatorisch zu bewegen, ergibt sich seine gesamte Rotationsenergie aus der Summe der kinetischen Energien der einzelnen Massenpunkte mit Massen mi und Bahngeschwindigkeiten vi:

Erot=iNEkin,i=iN12mivi2.

Da sich dabei jeder Massepunkt auf einer Kreisbahn mit der Winkelgeschwindigkeit ω um die Rotationsachse dreht, gilt mit seinem senkrechten Abstand ri, zu dieser Achse: vi=ωri,. Daraus folgt:

Erot=12iNmiri,2ω2.

Analog zur Definition der Bewegungsenergie

Ekin=12(iNmi)=Mv2=12Mv2

eines translatorisch bewegten starren Körpers aus N Massenpunkten mit der Gesamtmasse M, definiert man das Trägheitsmoment eines rotierenden starren Körpers aus N Massenpunkten als

I=iNmiri,2.

da damit gilt

Erot=12(iNmiri,2):=Iω2=12Iω2.

In Analogie zur Translationsbewegung von starren Körpern lässt sich so sagen:

  1. Die Masse eines rotierenden Körpers entspricht dem Trägheitsmoment I.
  2. Die Geschwindigkeit eines rotierenden Körpers entspricht der Winkelgeschwindigkeit ω.

Oftmals beschreibt man den Körper in Kartesischen Koordinaten und legt die z-Achse des Koordinatensystems durch die Rotationsachse. Sind dann (xi,yi,zi) die Koordinaten des i-ten Massenpunktes, gilt ri,2=xi2+yi2 und somit:

I=imi(xi2+yi2).

Starrer Körper mit kontinuierlicher Massenverteilung

Die Formel für das Massenträgheitsmoment eines starren Körpers mit einer kontinuierlichen Massenverteilung erhält man, indem man den Körper gedanklich in viele kleine Teilvolumina zerlegt. Ist Δmi die Masse des i-ten Teilvolumens und ri, der Abstand eines Punktes im i-ten Teilvolumens zur Drehachse, so beträgt die Rotationsenergie näherungsweise

Erot12(iNΔmiri,2)ω2.

Wählt man nun eine immer feinere Zerlegung und lässt schließlich die Größe der Teilvolumina gegen null und damit einhergehend deren Anzahl gegen unendlich gehen (N), so geht auch jeweils die Masse in jedem der Teilvolumina gegen null (Δmi0), und die Gleichung wird exakt:

Erot=12(limNΔmi0iNΔmiri,2)ω2.

Wenn man die Massen Δmi=ϱ(ri)ΔVi durch die Größe ΔVi des Volumenelements am Ort ri und die dort herrschende Massendichte ϱ(ri) ausdrückt, folgt:

Erot=12(limNΔVi0iNϱ(ri)ΔViri,2)ω2

Die eingeklammerte Summe ist das Volumenintegral der Funktion ϱ(r)r2 über das Volumen V des aus den infinitesimalen Massenelementen dm=ϱ(r)dV zusammengesetzten Körpers.[2] Damit ist:

Erot=12(Vr2ϱ(r)dV)ω2=12(Vr2dm)ω2

Mit

Erot=12Iω2

ergibt sich obige allgemeine Definition des Massenträgheitsmomentes:

I=Vr2ϱ(r)dV=Vr2dm

Zusammenhang zwischen Trägheitsmoment und Drehimpuls

Der Gesamtdrehimpuls L des starren Körpers zeigt i. d. R. nicht in dieselbe Richtung wie die Winkelgeschwindigkeit ω. Die achsenparallele Komponente L jedoch ist durch L=Iω gegeben. Dies lässt sich wie folgt einsehen. Der Ortsvektor eines einzelnen Massenelementes Δmi wird nach ri=ri,+ri, in einen zu ω parallelen und einen dazu senkrechten Anteil aufgeteilt. Zur achsenparallelen Komponente des Drehimpulses dieses Massenelements Li, trägt der parallele Anteil des Ortsvektors nichts bei, es bleibt:

Li,=|ri,×(Δmivi)|=ri,2Δmiω.

Die achsenparallele Komponente des Gesamtdrehimpulses ergibt sich dann zu

L=iLi,=ωiri,2Δmi=ωI.

Außerdem folgt daraus sofort Erot=12Iω2=L22I.

Vergleich mit der Masse bei linearer Bewegung

Das Trägheitsmoment I bei einer rotierenden Bewegung ist vergleichbar mit der Masse m einer linearen (geradlinigen) Bewegung (ausführlich siehe Rotation (Physik)#Vergleich mit der Translationsbewegung). Man vergleiche folgende Gleichungen:

Rotationsbewegung Translationsbewegung
M=Iα Drehmoment = Trägheitsmoment mal Winkelbeschleunigung F=ma Kraft = Masse mal Beschleunigung (Zweites Newtonsches Gesetz)
L=Iω Drehimpuls = Trägheitsmoment mal Winkelgeschwindigkeit p=mv Impuls = Masse mal Geschwindigkeit
E=12Iω2 Energie = Trägheitsmoment mal Quadrat der Winkelgeschwindigkeit durch 2 E=12mv2 Energie = Masse mal Quadrat der Geschwindigkeit durch 2

Formeln für wichtige Spezialfälle

Trägheitsmoment eines homogenen rotationssymmetrischen Körpers

Das Trägheitsmoment eines rotationssymmetrischen Körpers, der um seine Symmetrieachse (z-Achse) rotiert, kann mit Hilfe von Zylinderkoordinaten berechnet werden.

Ist r(z) der Radius des Körpers bei der Höhe z, dann ist das Volumenelement durch eine Kreisscheibe der Dicke dz gegeben: dV=πr(z)2dz. Daher gilt für einen Körper, der von z=0 bis z=H reicht:

I=12πρ0Hr(z)4dz.

Ist die Oberfläche des Körpers stattdessen (wie z. B. bei einem Kegel möglich) durch die beim Radius r erreichte Höhe h(r) gegeben, kann man das Volumenelement als Mantel eines Zylinders mit Radius r so wählen: dV=2πrh(r)dr. Zu integrieren ist dann über alle Radien von r=0 bis zum maximalen Radius r=R

I=2πρ0Rr3h(r)dr.

Trägheitsmomente für zwei zueinander parallele Achsen (Steinerscher Satz)

Illustration der Steiner-Regel. Drehachse 1 geht durch den Schwerpunkt des Körpers der Masse m. Drehachse 2 ist um den Abstand d verschoben.

Vorlage:Hauptartikel Ist das Trägheitsmoment IS für eine Achse durch den Schwerpunkt eines Körpers bekannt, so ist das Trägheitsmoment IP für eine beliebige parallel verschobene Drehachse

IP=IS+md2.

Dabei gibt d den Abstand des Schwerpunkts von der parallel verschobenen Drehachse an.

Man kann den Steinerschen Satz für zwei beliebige parallele Drehachsen verallgemeinern. Dazu muss der Satz zweimal hintereinander angewendet werden: Zunächst verschiebe man die Drehachse so, dass sie durch den Schwerpunkt des Körpers geht, danach auf den gewünschten Zielort.

Ineu=Ialt+m(dneu2dalt2).

Vorlage:AnkerSatz über zueinander senkrechte Achsen

Dünne Kreisscheibe mit Radius r

Der Satz über senkrechte Achsen[3] behandelt den Sonderfall einer beliebig geformten Scheibe, deren Dicke im Vergleich zu ihrer Ausdehnung vernachlässigt werden kann. Dann ist das Trägheitsmoment um eine beliebige Drehachse senkrecht zur Scheibenebene gleich der Summe der Trägheitsmomente um zwei beliebige Drehachsen in der Scheibenebene, die zueinander senkrecht sind und deren Schnittpunkt auf der erstgenannten Drehachse liegt. Für einen Körper in der xy-Ebene bei z=0 wie im Bild heißt das:

Iz=Ix+Iy.

Denn dann berechnet sich

Iz=(x2+y2)dm=x2dm+y2dm=Ix+Iy.

Verallgemeinerung durch Trägheitstensor

Vorlage:Hauptartikel Der Trägheitstensor I_ mit Komponenten Iαβ,α,β=1,2,3 eines Körpers ist eine Verallgemeinerung des Trägheitsmomentes. In einem kartesischen Koordinatensystem lässt sich der Trägheitstensor als Matrix darstellen, die sich aus den Trägheitsmomenten bezüglich der drei Koordinatenachsen und den Deviationsmomenten zusammensetzt. Die drei Trägheitsmomente bilden die Hauptdiagonale der Matrix, die Deviationsmomente sind die Nebendiagonalelemente. Mit Hilfe des Trägheitstensors lässt sich z. B. das Trägheitsmoment bezüglich einer beliebigen durch den Schwerpunkt gehenden Achse berechnen. Wenn ein starrer Körper um eine solche Achse mit der Winkelgeschwindigkeit ω rotiert, so ergibt sich das Trägheitsmoment zu

I=1ω2i=13j=13Iijωiωj

oder in Matrixschreibweise

I=1ω2ωTI_ω.

Drehung des Koordinatensystems

Eine Achse in beliebiger Raumrichtung wird beschrieben durch den Einheitsvektor e. Man kann diesen z. B. dadurch erhalten, dass man den Einheitsvektor in z-Richtung mittels einer Drehmatrix R dreht:

e=R_(001)

Mit

R_=(cosφcosϑsinφcosφsinϑsinφcosϑcosφsinφsinϑsinϑ0cosϑ )

erhält man

e=(cosφsinϑsinφsinϑcosϑ).

Mit Hilfe dieser Drehmatrix kann nun der Trägheitstensor in ein Koordinatensystem transformiert werden, in dem die z-Achse in Richtung der Rotationsachse zeigt:

I_=R_TI_R_.

Das Trägheitsmoment für die neue z-Achse ist jetzt einfach das 3. Diagonalelement des Tensors in der neuen Darstellung. Nach Ausführung der Matrizenmultiplikation und trigonometrischen Umformungen ergibt sich

I=(Ixxcos2φ+Iyysin2φ+Ixysin2φ)sin2ϑ+Izzcos2ϑ+(Iyzsinφ+Izxcosφ)sin2ϑ.

Beispielrechnung: Rotationssymmetrischer Körper

Wir betrachten als Beispiel dazu den Trägheitstensor eines rotationssymmetrischen Körpers. Wenn eine der Koordinatenachsen (hier die z-Achse) mit der Symmetrieachse zusammenfällt, dann ist dieser Tensor diagonal. Die Trägheitsmomente für Rotation um die x-Achse und die y-Achse sind gleich (Ixx=Iyy=I1). Für die z-Achse kann das Trägheitsmoment verschieden sein (Izz=I2). Der Trägheitstensor hat damit folgende Gestalt:

I_=(I1000I1000I2).

Transformiert man diesen Tensor wie oben beschrieben in ein Koordinatensystem, das um den Winkel ϑ um die y-Achse gedreht ist, so erhält man:

I_=(I1cos2ϑ+I2sin2ϑ0(I1I2)sinϑcosϑ0I10(I1I2)sinϑcosϑ0I1sin2ϑ+I2cos2ϑ).

Daraus ergibt sich:

  1. Für I1I2 sind die Trägheitsmomente für die x- und z-Achse von ϑ abhängig.
  2. Für I1I2 ist der Trägheitstensor nicht mehr diagonal, es treten Deviationsmomente auf.
  3. Das Trägheitsmoment für die neue z-Achse ist: I=I1sin2ϑ+I2cos2ϑ.
  4. Für I1=I2 hängt wegen sin2ϑ+cos2ϑ=1 das Trägheitsmoment nicht von der Richtung der Drehachse ab.

Besondere Trägheitsmomente

Hauptträgheitsmoment

Die Hauptträgheitsachsen des Quaders: x-Achse das Minimum und z-Achse das Maximum und senkrecht dazu die resultierende y-Achse

Betrachtet man einen beliebig geformten Körper, der um eine Achse durch seinen Massenmittelpunkt rotiert, so variiert dessen Trägheitsmoment je nach Lage dieser Drehachse. Dabei gibt es – im Allgemeinen – eine Achse, bezüglich der das Trägheitsmoment des Körpers maximal anliegt, und eine, für das es minimal anliegt. Diese beiden Achsen stehen immer senkrecht zueinander und bilden zusammen mit einer dritten, wiederum senkrecht auf den beiden anderen stehenden Achse, die Hauptträgheitsachsen oder kurz Hauptachsen des Körpers.

In einem von den Hauptträgheitsachsen aufgespannten Koordinatensystem (Hauptträgheitssystem oder Hauptachsensystem genannt) ist der Trägheitstensor diagonal. Die zu den Hauptträgheitsachsen gehörenden Trägheitsmomente sind also die Eigenwerte des Trägheitstensors, sie heißen Hauptträgheitsmomente.

Ist wie im Bild ein kartesisches Koordinatensystem im Massenmittelpunkt parallel zum Hauptträgheitssystem ausgerichtet, dann berechnen sich die Hauptträgheitsmomente zu:

I1=V(x22+x32)ϱdVI2=V(x32+x12)ϱdVI3=V(x12+x22)ϱdV

wenn, wie üblich, die Koordinaten nach dem Schema x→x1, y→x2 und z→x3 nummeriert werden.

Mit dem Binet’schen Trägheitsmoment (nach Jacques Philippe Marie Binet)[4]

iα:=Vxα2ϱdV>0mitα=1,2,3

sind die Hauptträgheitsmomente auch darstellbar als:

I1=i2+i3I2=i3+i1I3=i1+i2

Daraus ergibt sich:

I1+I2=i1+i2+2i3=I3+2i3>I3I2+I3=2i1+i2+i3=I1+2i1>I1I3+I1=i1+2i2+i3=I2+2i2>I2.

Die Summe zweier Hauptträgheitsmomente ist immer größer als das dritte; sie erfüllen die Dreiecksungleichungen.

Die Hauptträgheitsachsen fallen bei homogener Massenverteilung mit eventuell vorhandenen Symmetrieachsen des Körpers zusammen.

Sind zwei Hauptträgheitsmomente gleich groß, so wird der starre Körper symmetrischer Kreisel genannt. Alle Drehachsen in der Äquatorebene, die von den zugehörigen Hauptträgheitsachsen aufgespannt wird, sind ebenfalls Hauptträgheitsachsen mit dem gleichen Trägheitsmoment. Das ist bei zylindersymmetrischen Körpern unmittelbar klar, gilt aber z. B. ebenso für einen Stab mit quadratischer oder hexagonaler Grundfläche.

Für den Fall, dass alle drei Hauptträgheitsmomente identisch sind, ist, wie oben gezeigt wurde, jede Drehachse durch den Massenmittelpunkt eine Hauptträgheitsachse mit dem gleichen Trägheitsmoment. Dies gilt für alle regelmäßigen Körper wie Kugel, gleichseitiges Tetraeder, Würfel usw., siehe Kugelkreisel.

Zwei Hauptachsen spannen eine Hauptebene auf.[5]

Vorlage:Siehe auch

Trägheitsmoment zur eingespannten Achse

Wenn ein starrer Körper um eine fest eingespannte Achse mit der Winkelgeschwindigkeit ω rotiert (die Richtung des Vektors ω ist die Richtung der Drehachse), so lässt sich der Drehimpuls L aus der allgemeinen Formel L=Iω berechnen. Dabei ist I im Gegensatz zur oben angegebenen Formel nicht das Trägheitsmoment, sondern der Trägheitstensor. Im Allgemeinen hat der Drehimpuls L jetzt nicht die Richtung der Drehachse ω und ist zeitlich nicht konstant, so dass die Lager ständig Drehmomente aufbringen müssen (dynamische Unwucht). Nur bei Rotation um eine der Hauptträgheitsachsen ist Lω.

Für die Drehimpulskomponente L entlang der Drehachse gilt L=Iω, dabei ist ω die Winkelgeschwindigkeit und I das Trägheitsmoment bezüglich der Drehachse ω. Die kinetische Energie der Rotation, auch kurz als Rotationsenergie bezeichnet, kann durch

Erot=12Iω2=L22I

ausgedrückt werden. Diese Formeln zeigen die Analogie zu den entsprechenden Formeln für Impuls und kinetische Energie der Translationsbewegung.

Beispiele

Trägheitsmomente von Himmelskörpern

Fast alle größeren Körper im Weltall (Sterne, Planeten) sind annähernd kugelförmig und rotieren mehr oder weniger schnell. Das Trägheitsmoment um die Rotationsachse ist immer das größte des jeweiligen Himmelskörpers.

Die Differenz dieses „polaren“ und des äquatorialen Trägheitmoments hängt mit der Abplattung des Körpers zusammen, also seiner Verformung der reinen Kugelgestalt durch die Fliehkraft der Rotation. Bei der Erde liegt die Differenz dieser zwei Hauptträgheitsmomente bei 0,3 Prozent, entspricht also etwa der Erdabplattung von 1:298,24. Beim rasch rotierenden Jupiter ist die Differenz und die Abplattung rund 20-mal größer.

Hauptträgheitsmomente einfacher geometrischer Körper mit konstanter Dichte

Vorlage:Siehe auch Wenn nicht ausdrücklich anders angegeben, liegt der Schwerpunkt der geometrischen Körper auf der Drehachse, auf die sich das Trägheitsmoment bezieht. m ist die Masse des rotierenden Körpers. Das Trägheitsmoment für Drehungen um andere Achsen kann man dann mit Hilfe des Satzes von Steiner berechnen. Für Drehungen um beliebige Achsen kann man die Liste von Trägheitstensoren heranziehen.

Abbildung Beschreibung Trägheitsmoment
Eine Punktmasse im Abstand r um eine Drehachse. I=mr2
b) Ein Zylindermantel, der um seine Symmetrieachse rotiert, für eine Wandstärke dr. Imr2[6]
c) Ein Vollzylinder, der um seine Symmetrieachse rotiert. I=12mr2[6]
d) Ein Hohlzylinder, der um seine Symmetrieachse rotiert. Schließt die vorgenannten Grenzfälle Zylindermantel und Vollzylinder mit ein.


I=mr12+r222[7]
Ein Vollzylinder, der um eine Querachse (zweizählige Symmetrieachse) rotiert. I=14mr2+112ml2[7]
Ein Zylindermantel, der um eine Querachse (zweizählige Symmetrieachse) rotiert. I=12mr2+112ml2[8]
Ein dünner Stab, der um eine Querachse (zweizählige Symmetrieachse) rotiert. Diese Formel ist eine Näherung für einen Zylinder mit rl. I=112ml2[7]
Dünner Stab, der um eine Querachse durch ein Ende rotiert. Diese Formel ist die Anwendung der Steiner-Regel auf den Fall g). I=13ml2[9]
Eine massive Kugel, die um eine Achse durch den Mittelpunkt rotiert. I=25mr2[10]
Eine Kugelschale, die um eine Achse durch den Mittelpunkt rotiert, für eine Wandstärke dr. I23mr2[10]
Eine Hohlkugel, die um eine Achse durch den Mittelpunkt rotiert, für wesentliche Wandstärke mit d=rari I=25mra5ri5ra3ri3
Ein Quader, der um eine Achse durch den Mittelpunkt rotiert, die parallel zu seinen Kanten c liegt. I=112m(a2+b2)[10]
Ein massiver Kegel, der um seine Achse rotiert. I=310mr2[7]
Ein Kegelmantel, der um seine Achse rotiert. Die Gleichheit mit dem Trägheitsmoment eines Vollzylinders kann man sich so vorstellen, dass man jeden Kegelmantel zu einer Kreisscheibe „plattdrücken“ kann, ohne sein Trägheitsmoment zu verändern. I=12mr2
Ein massiver Kegelstumpf, der um seine Achse rotiert. I=310m(r15r25)(r13r23)[11]
Eine vierseitige, regelmäßige, massive Pyramide, die um ihre Symmetrieachse rotiert. I=15mr2=110ml2[12]
Volltorus mit dem Radius R (rot) und der halben Dicke r (gelb), der um die Symmetrieachse rotiert. (Der Radius R ist so gemeint, dass der Außenradius des Torus R+r ergibt) I=m(34r2+R2)[13]

Beispielrechnung: Trägheitsmoment der homogenen Vollkugel

Zum Verständnis dieses Abschnittes sind grundlegende Kenntnisse der Integralrechnung und Koordinatentransformation hilfreich.

Um das Trägheitsmoment einer massiven homogenen Kugel bezüglich einer Drehachse durch den Kugelmittelpunkt zu berechnen, wird das im Abschnitt „Berechnung“ angegebene Integral verwendet. Der Einfachheit halber soll der Kugelmittelpunkt im Ursprung eines kartesischen Koordinatensystems liegen und die Drehachse entlang der z-Achse verlaufen. Um das Integral

I=ρV(x2+y2)dV

auszuwerten, empfiehlt es sich, Kugelkoordinaten anstatt kartesischer Koordinaten zu verwenden. Beim Übergang müssen dabei die kartesischen Koordinaten x,y,z und das Volumenelement dV durch die Kugelkoordinaten r,ϑ,φ ausgedrückt werden. Das geschieht mithilfe der Ersetzungsregeln

x=rsinϑcosφ
y=rsinϑsinφ
z=rcosϑ

und der Funktionaldeterminanten

dV=r2sinϑdrdϑdφ.

Einsetzen in den Ausdruck für das Trägheitsmoment liefert

I=ρ0Rdr0πdϑ02πdφr4sin3ϑ.

Hier zeigt sich der Vorteil der Kugelkoordinaten: Die Integralgrenzen hängen nicht voneinander ab. Die beiden Integrationen über r und φ lassen sich daher elementar ausführen. Das verbleibende Integral in

I=25πρR50πsin3ϑdϑ

kann durch Substitution u=cosϑ,du=sinϑdϑ gelöst werden:

0πsin3ϑdϑ=43.

Für das Trägheitsmoment ergibt sich schließlich:

I=2543πρR5=25ρVR2=25mR2.

Messung

Zur Messung eines Trägheitsmoments eines Körpers verwendet man einen Drehtisch. Dieser besteht aus einer Kreisscheibe, die um ihre Symmetrieachse drehbar ist und einer Schneckenfeder (Spiralfeder). Sie bewirkt bei einer Drehung der Scheibe ein rücktreibendes Drehmoment D, das direkt proportional zum Auslenkwinkel φ ist: D=Drφ. Die Proportionalitätskonstante Dr nennt man Direktionsmoment oder Richtmoment. Ihr Wert hängt von der Stärke der Feder ab. Die Scheibe führt nun harmonische Schwingungen mit der Schwingungsdauer

T0=2πI0Dr,

aus, wobei I0 das Trägheitsmoment der Scheibe ist. Legt man nun zusätzlich einen Körper mit bekanntem Trägheitsmoment I1 auf die Scheibe, so ändert sich die Schwingungsdauer zu

T1=2πI0+I1Dr.

Aus der Differenz der Quadrate der jeweiligen Schwingungsdauer

T12T02=4π2I1Dr

lässt sich das Direktionsmoment Dr des Drehtisches bestimmen und aus obiger Formel für T0 erhält man dann das Trägheitsmoment I0 des Drehtisches. Legt man nun einen beliebigen Körper auf den Drehtisch, so kann man sein Trägheitsmoment I bezüglich der Rotationsachse aus der gemessenen Schwingungsdauer

T=2πI0+IDr

berechnen.

Moment (Integration)

Vorlage:Hauptartikel Momente sind in Naturwissenschaften und Technik Kenngrößen einer Verteilung, welche die Lage und Form dieser Verteilung beschreiben. Sie werden durch Integration über die mit einem potenzierten Abstand gewichtete Verteilung berechnet. In diesem Sinne ist das Massenträgheitsmoment mit dem Flächenträgheitsmoment verwandt.

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Einzelnachweise

  1. Das Trägheitsmoment wird erstmals dort in Band 1 (§165, S. 70) von Euler explizit definiert, um einen einfachen Ausdruck für die Momentenwirkung träger Massenelemente bei Drehungen um eine feste Achse zu erhalten. Die Vorstellung, dass Materie eine Momentenwirkung hat, die zum Produkt aus der Masse des jeweiligen Körperelementes und zu dem zur Drehachse senkrechten Abstandsquadrat proportional ist, geht allerdings weiter zurück. Sie ist sowohl in früheren Schriften Eulers als auch in denen seiner Vorgänger zu finden, die sich mit Problemen des Schwingungsmittelpunktes zusammengesetzter Körperelemente beschäftigten. Eine erste umfassende Theorie der starren Körper und ihrer Trägheitsmomente publizierte Euler 1765 in Vorlage:Lang. Siehe dazu Vorlage:Literatur Encyklopädie der mathematischen Wissenschaften
  2. Wolfgang Demtröder: Experimentalphysik 1. 2008, S. 145.
  3. Vorlage:Literatur
  4. Vorlage:Literatur
  5. Grammel (1950), S. 33.
  6. 6,0 6,1 Vorlage:Literatur
  7. 7,0 7,1 7,2 7,3 Vorlage:Literatur
  8. M. Alonso, E. Finn: Physics. Addison-Wesley, 1995, ISBN 0-201-56518-8, S. 324.
  9. Vorlage:Literatur
  10. 10,0 10,1 10,2 Vorlage:Literatur
  11. Vorlage:Literatur
  12. Vorlage:Literatur
  13. Vorlage:MathWorld

Literatur

  • Paul A. Tipler: Physik. 3. korrigierter Nachdruck der 1. Auflage 1994, Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg Berlin, 2000, ISBN 3-86025-122-8.
  • Ernst W. Otten: Repetitorium Experimentalphysik. Springer-Verlag Berlin Heidelberg, 1998, ISBN 3-540-62987-4.
  • Torsten Fließbach: Mechanik. 3. Auflage. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 1999, ISBN 3-8274-0546-7.
  • Herbert Goldstein, Charles Poole, John Safko: Classical mechanics. International Edition, 3. Auflage, Pearson/Addison-Wesley, Upper Saddle River, N.J., 2002, ISBN 0-321-18897-7.
  • Wolfgang Demtröder: Experimentalphysik 1. 5. neu bearbeitete und aktualisierte Auflage, Springer-Verlag Berlin Heidelberg, 2008, ISBN 978-3-540-79294-9.

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