Tits-System

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Ein Tits-System (oft synonym auch BN-Paar genannt) wird in der mathematischen Disziplin der Gruppentheorie benutzt, um viele Resultate aus der Theorie der halbeinfachen Lie-Gruppen, der algebraischen Gruppen und der endlichen Gruppen vom Lie-Typ einheitlich formulieren und beweisen zu können. Außerdem bilden die Tits-Systeme das algebraische Gegenstück zur Gebäude-Theorie. Der Begriff wurde von Jacques Tits eingeführt.

Definition

Ein Tits-System besteht aus einem 4-Tupel (G,B,N,S), wobei G eine Gruppe ist, B und N Untergruppen von G sind und SN/(BN) eine Menge von Nebenklassen von BN in N ist, sodass folgende vier Axiome erfüllt sind:

T 1: Die Gruppe G wird von B und N erzeugt. Außerdem ist H:=BN ein Normalteiler in N.
T 2: Die Faktorgruppe W:=N/H wird von der Menge S erzeugt und es gilt s2=1 für alle sS.
T 3: Für sS und wW gilt sBwBswBBwB.
T 4: Für sS ist sBs1 keine Teilmenge von B.

Die Nummerierung T1 bis T4 stammt aus Tits' Originalarbeit.

Beispiele

  • Oft wird als Standardbeispiel die Gruppe G:=GL(n,K) der invertierbaren n×n-Matrizen über einem Körper K angegeben. Hierbei ist B die Untergruppe der oberen Dreiecksmatrizen. Für die Gruppe N nehmen wir alle Matrizen, die in jeder Zeile und in jeder Spalte genau einen Eintrag ungleich Null haben. Die Gruppe H:=BN wird dann genau zu der Gruppe der Diagonalmatrizen und W=N/H ist kanonisch isomorph zur symmetrischen Gruppe über n Elementen. Die Menge S besteht aus den Permutationen, die zwei benachbarte Elemente vertauschen.
  • Sei allgemeiner G eine reduktive algebraische Gruppe und B eine Borel-Untergruppe, die einen maximalen Torus H enthält. Sei N der Normalisator von H in G und S ein minimales Erzeugendensystem von W:=N/H. Dann ist (G,B,N,S) ein Tits-System.
  • Sei X eine Menge mit mindestens drei Elementen und G eine Untergruppe der Permutationsgruppe von X, sodass G zweifach transitiv auf X wirkt. Weiterhin seien zwei unterschiedliche Elemente x,yX gegeben. Dann sei B der Stabilisator von x in G und N sei definiert als die Gruppe, die die Menge {x,y} als Menge fixiert, d. h. die Elemente x und y werden entweder beide fixiert oder vertauscht. Dann ergibt sich H:=BN als punktweiser Stabilisator der Menge {x,y}. Die Faktorgruppe W:=N/H hat Ordnung 2 und die Menge S besteht nur aus einem einzigen Element und dieses entspricht der Vertauschung von x und y.

Anmerkungen

Man kann zeigen, dass die Menge S eindeutig festgelegt ist, wenn von einem Tits-System nur die Gruppen G,B,N gegeben sind. Da außerdem die Gruppe G von B und N erzeugt wird, steckt die gesamte Information über das Tits-System in den Gruppen B und N. Deswegen hat sich auch die Bezeichnung BN-Paar eingebürgert.

Bruhat-Zerlegung

Ein wichtiges Resultat, das sich im allgemeinen Rahmen von Tits-Systemen beweisen lässt, ist die sogenannte Bruhat-Zerlegung: Wenn ein Tits-System (G,B,N,S) gegeben ist, dann gilt

G=BNB=nNBnB=wWBwB,

wobei wWBwB eine disjunkte Vereinigung ist, das heißt W ist so gewählt, dass für ww die Mengen BwB und BwB disjunkt sind.

Anwendungen

Wenn bei einem Tits-System (G,B,N,S) noch die folgenden Zusatzeigenschaften erfüllt sind:

  • B ist auflösbar
  • Der Schnitt aller Konjugate von B ist trivial
  • Die Menge S lässt sich nicht in zwei disjunkte nichtkommutierende Teilmengen zerlegen
  • G ist perfekt

Dann ist die Gruppe G eine einfache Gruppe. Oft ist es sehr leicht, die ersten drei Eigenschaften nachzuprüfen und es bleibt nur noch die Perfektheit von G zu zeigen, was deutlich einfacher ist, als direkt zu zeigen, dass G eine einfache Gruppe ist. Dieses Resultat benutzt man zum Beispiel bei der Klassifikation der einfachen endlichen Gruppen, um zu zeigen, dass die meisten endlichen Gruppen vom Lie-Typ einfach sind.

Zusammenhang mit Gebäudetheorie

Oft ist es hilfreich, Gruppen zu untersuchen, indem man sie auf interessanten geometrischen Objekten wirken lässt. Jedem Tits-System (G,B,N,S) lässt sich auf kanonische Art und Weise ein geometrisches Objekt zuordnen, genannt Gebäude, sodass G auf diesem Gebäude wirkt. Umgekehrt lässt sich auch jedem Gebäude ein Tits-System zuordnen, sodass die gruppentheoretische Theorie der Tits-Systeme in gewisser Art und Weise äquivalent zur geometrischen Theorie der Gebäude ist.