Sehnenviereck

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Ein Sehnenviereck ABCD mit Umkreis k

Ein Sehnenviereck ist ein Viereck, dessen Eckpunkte auf einem Kreis liegen, dem Umkreis des Vierecks. Folglich sind alle Seiten des Sehnenvierecks Sehnen des Umkreises. Üblicherweise meint man mit Sehnenviereck ein nicht-überschlagenes Sehnenviereck; es ist notwendigerweise konvex.

Das gleichschenklige Trapez, das Rechteck und das Quadrat sind besondere Sehnenvierecke.

Sätze

Für jedes Sehnenviereck gilt der Sehnensatz:

  • Die Produkte je zweier gegenüberliegender Diagonalenabschnitte sind gleich groß. Das heißt, wenn P der Schnittpunkt der beiden Diagonalen AC und BD ist, so gilt APCP=BPDP.

Die folgenden Sätze gelten nur für nicht-überschlagene Sehnenvierecke ABCD:

  • Gegenüberliegende Winkel ergänzen sich zu 180°, also α+γ=β+δ=180.
  • Satz von Ptolemäus: Die Summe der Produkte gegenüberliegender Seiten des Sehnenvierecks ist gleich dem Produkt der Diagonalen: ABCD+BCDA=ACBD.

Eigenschaften

Winkelsummen

Abb. 1: Winkelsumme gegenüberliegender Winkel

Im Sehnenviereck beträgt die Winkelsumme der gegenüberliegenden Winkel 180° (Abbildung 1).

α+γ=180
β+δ=180

Der Beweis ergibt sich unmittelbar aus dem Kreiswinkelsatz, da zwei gegenüberliegende Winkel des Sehnenvierecks Umfangswinkel über zwei komplementären Kreisbögen sind, deren Mittelpunktswinkel sich zu 360° ergänzen. Da Umfangswinkel halb so groß sind wie Mittelpunktswinkel über dem gleichen Bogen, müssen sich die Umfangswinkel zu 360°/2 = 180° ergänzen.

Ein anderer Beweis findet sich im Beweisarchiv.

Die Umkehrung dieser Aussage stimmt auch, d. h. ist in einem Viereck die Summe gegenüberliegender Winkel 180°, dann ist es ein Sehnenviereck.

Orthogonale Linien

Abb. 2: Orthogonale Linien

Eine weitere Eigenschaft im Sehnenviereck beschreibt der nachfolgende Satz (Abbildung 2).

Ist ABCD ein Sehnenviereck und sind E, F, G und H die Mittelpunkte der Kreisbögen über den Seiten des Sehnenvierecks, so sind die Verbindungslinien EG und FH orthogonal zueinander.

Der Beweis verwendet ebenfalls den Kreiswinkelsatz. Die Umkreisbögen b1 zwischen H und E sowie b2 zwischen F und G umfassen zusammen einen Winkel von 180°, weil sie jeweils die Hälfte der Bögen über den Vierecksseiten AB, BC, CD und CA enthalten.

Nach dem Kreiswinkelsatz sind die Umfangswinkel α und β jeweils halb so groß wie die zugehörigen Mittelpunktswinkel der Kreisbögen b1 und b2.

Folglich gilt α+β=90, also sind wegen der Innenwinkelsumme 180° im Dreieck GHK auch die Strecken EG und FH orthogonal zueinander.[1]

Einbeschriebene Raute

Abb. 3: Einbeschriebene Raute

Gegeben sei ein Sehnenviereck ABCD, bei dem sich die Verlängerungen von zwei gegenüberliegenden Seiten jeweils in P bzw. Q schneiden.

Dann ist das Viereck EFGH, dessen Eckpunkte die Schnittpunkte der Winkelhalbierenden durch P und Q mit den Seiten von ABCD sind, stets eine Raute (Abbildung 3).

Beweis:

Aus den Eigenschaften des Sehnenvierecks folgt, dass die Winkel QBF und HDG gleich groß sind. Die Dreiecke BQF und HQD sind ähnlich zueinander, da sie in den obigen Winkeln und dem halben Winkel CQB übereinstimmen. Daraus folgt, dass die Winkel BFQ und FHD gleich groß sind. Da BFQ und CFH Scheitelwinkel sind, haben auch sie dieselbe Weite. Damit sind wegen der Ähnlichkeit von BQF und HQD die Winkel PFH und FHP ebenfalls gleich groß. Also ist HFP ein gleichschenkliges Dreieck und somit die Winkelhalbierende w1 zugleich die Mittelsenkrechte von HF. Da E und G auf dieser Mittelsenkrechten liegen, haben sie denselben Abstand von F und H.

In analoger Vorgehensweise lässt sich schließen, dass F und H denselben Abstand von E und G haben.

Damit ist gezeigt, dass das Viereck EFGH eine Raute ist.[2][3]

Entstehung aus Winkelhalbierenden

Abb. 4: Eingeschlossenes Sehnenviereck

Die Halbierenden der Innenwinkel eines beliebigen Vierecks umschließen ein Sehnenviereck (Abbildung 4).

Beweis:

Aus den Eigenschaften der Winkelsumme und der Scheitelwinkel folgt

ϵ=180α2δ2

und

ζ=180β2γ2.

Aus der Summe

ϵ+ζ=36012(α+β+γ+δ)=180

folgt dann aufgrund der Eigenschaft gegenüberliegender Winkel im Sehnenviereck die Behauptung.

Hinweis: Mit analoger Beweisführung gilt die obige Aussage auch für die Außenwinkel.[4]

Satz von Thébault für Sehnenvierecke

Abb. 5:Zum Satz von Thébault für Sehnenvierecke

Der Satz von Thébault gilt für beliebige Sehnenvierecke:[5] Die Lote der Seitenmitten auf die Gegenseiten (grün in Abb. 5) schneiden sich in einem Punkt E. Dieser ist der Spiegelpunkt des Umkreismittelpunkts U am Schwerpunkt S der vier Ecken (rot.)[6]

Wenn die Diagonalen zueinander orthogonal sind, ist nach dem Satz von Brahmagupta E ihr Schnittpunkt. Daraus folgt, dass der Abstand des Mittelpunkts einer Seite zu E die Hälfte der Länge der Gegenseite ist. Wenn a,b,c,d die Seitenlängen sind, wobei a die Gegenseite von c und b die von d ist, und r der Radius des Umkreises ist, dann gilt:

a2+c2=b2+d2=4r2.

Vorlage:Absatz

Mathematische Formeln zum Sehnenviereck
Flächeninhalt F=(sa)(sb)(sc)(sd) mit s=a+b+c+d2
F=e(ab+cd)4R=f(ad+bc)4R
Länge der Diagonalen f=|AC|=(ac+bd)(ad+bc)ab+cd
e=|BD|=(ab+cd)(ac+bd)ad+bc
Umkreisradius R=14F(ab+cd)(ac+bd)(ad+bc)
Innenwinkel α+γ=β+δ=180

Die zuerst genannte Formel für den Flächeninhalt ist eine Verallgemeinerung des Satz des Heron für Dreiecke und wird auch als Satz von Brahmagupta oder Formel von Brahmagupta bezeichnet. Hierbei fasst man ein Dreieck als ein ausgeartetes Sehnenviereck auf, dessen vierte Seite die Länge 0 besitzt, d. h. zwei seiner Eckpunkte liegen aufeinander. Die Formel von Brahmagupta kann zur Formel von Bretschneider verallgemeinert werden, diese fügt Brahmaguptas Formel einen Korrekturterm, der im Falle eines Sehnenvierecks 0 ist, hinzu und gilt dann für beliebige Vierecke.

Ein Viereck mit festen, geordneten Seitenlängen hat genau dann den größtmöglichen Flächeninhalt, wenn es ein Sehnenviereck ist. Ebenso hat ein Vieleck genau dann den größten Flächeninhalt, wenn es ein Sehnenvieleck ist.[7]

Weitere Formeln

Nach dem Satz des Pythagoras gilt für die Flächeninhalte der Dreiecke ABM, BCM, CDM und DAM

F(ABM)=12aR2(a2)2=a44R2a2 und entsprechend
F(BCM)=b44R2b2
F(CDM)=c44R2c2
F(DAM)=d44R2d2

Der Flächeninhalt des Sehnenvierecks ABCD ist die Summe dieser 4 Flächeninhalte, also gilt

F=F(ABM)+F(BCM)+F(CDM)+F(DAM)=a44R2a2+b44R2b2+c44R2c2+d44R2d2=14(a4R2a2+b4R2b2+c4R2c2+d4R2d2)

Bezeichnet man die Mittelpunktswinkel, die den Seiten a, b, c, d gegenüber liegen, mit αm, βm, γm, δm, dann gilt nach der Definition von Sinus und Kosinus

sin(αm2)=a2R und cos(αm2)=4R2a22R, also sin(αm2)cos(αm2)=a2R4R2a22R=a4R2a24R2. Aus der Formel für die Doppelwinkelfunktionen folgt
a4R2a2=4R2sin(αm2)cos(αm2)=2R2sin(αm) und entsprechend
b4R2b2=2R2sin(βm)
c4R2c2=2R2sin(γm)
d4R2d2=2R2sin(δm)

Einsetzen in die Formel für den Flächeninhalt ergibt[8]

F=14(2R2sin(αm)+2R2sin(βm)+2R2sin(γm)+2R2sin(δm))=R22(sin(αm)+sin(βm)+sin(γm)+sin(δm))

Gleichungen

Für die Innenwinkel eines Sehnenvierecks gelten folgende Gleichungen:[9]

sin(α)=2(sa)(sb)(sc)(sd)ad+bc
cos(α)=a2+d2b2c22(ad+bc)
tan(α2)=(sa)(sd)(sb)(sc)

Für den Schnittwinkel der Diagonalen gilt:

tan(θ2)=(sb)(sd)(sa)(sc)

Für den Schnittwinkel der Seiten a und c gilt:

cos(φ2)=(sb)(sd)(b+d)2(ab+cd)(ad+bc)

Sehnentangentenviereck

Spezielle Eigenschaften

Sehnentangentenviereck

Ist ein Sehnenviereck auch zugleich ein Tangentenviereck, so wird es Sehnentangentenviereck genannt. Es besitzt sowohl einen Inkreis als auch einen Umkreis. Da die Konstruktion eines Sehnentangentenvierecks aufwändiger ist als die eines reinen Sehnen-, bzw. Tangentenvierecks, liefert der nachfolgende Satz ein Kriterium, welches die Konstruktion erleichtert:

Ein Tangentenviereck ist genau dann ein Sehnentangentenviereck, wenn die Verbindungsstrecken gegenüberliegender Berührpunkte des Inkreises senkrecht aufeinander stehen.

Beweis:

Zu zeigen ist, dass das Tangentenviereck ABCD genau dann zugleich ein Sehnenviereck ist, wenn ϕ=90 gilt.

Anders ausgedrückt ist somit zu zeigen:

β+δ=180ϕ=90

Da die beiden Dreiecke EGM1 und FHM1 gleichschenklig sind, haben die Winkel M1GE und GEM1 jeweils die Weite α und die Winkel HFM1 und M1HF jeweils die Weite γ.

Das Viereck SECF hat die Innenwinkelsumme

(90α)+β+(90+γ)+ϕ=360β=αγϕ+180.

Das Viereck AHSG hat die Innenwinkelsumme

δ+(90γ)+ϕ+(90+α)=360δ=γϕα+180.

Nach Addition dieser beiden Gleichungen erhält man:

β+δ=3602ϕ

Also ist β+δ=180 genau dann, wenn ϕ=90, was zu zeigen war.

Vereinfachte Flächeninhaltsberechnung

Aus der Flächeninhaltsformel F=(sa)(sb)(sc)(sd) für Sehnenvierecke und der Halbumfangsformel s=a+c=b+d für Tangentenvierecke nach dem Satz von Pitot folgt speziell für Sehnentangentenvierecke die vereinfachte Flächeninhaltsformel

F=abcd.[10]

Siehe auch

Literatur

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Einzelnachweise

  1. Wolfgang Zeuge: Nützliche und schöne Geometrie - Eine etwas andere Einführung in die Euklidische Geometrie. Zweite korrigierte und ergänzte Auflage, Springer Spektrum, Springer-Verlag GmbH, Berlin 2021, ISBN 978-3-662-63830-9, Seiten 120 und 121.
  2. Ross Honsberger: Gitter - Reste - Würfel Friedrich Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft mbH, Braunschweig 1984, ISBN 978-3-528-08476-9, Seiten 218 und 219
  3. George Zerr: Problem 90, American Mathematical Monthly, 1898, S. 143
  4. Lorenz Halbeisen, Norbert Hungerbühler, Juan Läuchli: Mit harmonischen Verhältnissen zu Kegelschnitten - Perlen der klassischen Geometrie, 2. Auflage, Springer Spektrum 2016, ISBN 978-3-662-63329-8, S. 23/220
  5. Vorlage:Literatur
  6. Ross Honsberger: Episodes in Nineteenth and Twentieth Century Euclidean Geometry. Cambridge University Press, S. 35–39, ISBN 978-0-88385-639-0
  7. Titu Andreescu, Oleg Mushkarov, Luchezar N. Stoyanov: Geometric Problems on Maxima and Minima. Birkhäuser, Boston u. a. 2006, ISBN 0-8176-3517-3, S. 69 (Vorlage:Google Buch).
  8. Harald Schröer, Universitätsbibliothek Heidelberg: Die 4. Seite und der Flächeninhalt des Sehnenvierecks
  9. C. V. Durell, A. Robson: Advanced Trigonometry. Dover, 2003 (Nachdruck der Originalausgabe von 1930), S. 23, 26, 31
  10. Wolfgang Zeuge: Nützliche und schöne Geometrie - Eine etwas andere Einführung in die Euklidische Geometrie. Zweite korrigierte und ergänzte Auflage, Springer Spektrum, Springer-Verlag GmbH, Berlin 2021, ISBN 978-3-662-63830-9, S. 133–134.