Satz von Kurosch-Ore

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Der Satz von Kurosch-Ore (Vorlage:EnS) ist einer der klassischen Sätze des mathematischen Gebiets der Verbandstheorie. Der Satz behandelt eine Fragestellung zu irreduziblen Darstellungen von Elementen modularer Verbände und geht auf zwei Publikationen zurück, die von dem sowjetischen Mathematiker Alexander Gennadjewitsch Kurosch (im Jahre 1935) und von dem norwegischen Mathematiker Øystein Ore (im Jahre 1936) vorgelegt wurden. Er ist verwandt mit dem aus der Linearen Algebra bekannten Austauschsatz von Steinitz und eng verbunden mit dem Isomorphiesatz für modulare Verbände, auf dem der Beweis des Kurosch-Ore'schen Satzes im Wesentlichen beruht.[1][2][3][4][5]

Formulierung des Satzes

Der Satz lässt sich zusammengefasst angeben wie folgt:[6][7][8][4][9]

In einem modularen Verband besitzt jede unverkürzbare aus irreduzibelen Komponenten bestehende Darstellung eines Elements (soweit überhaupt vorhanden) stets dieselbe Anzahl von Komponenten.
Im Einzelnen gilt:
Sind ein modularer Verband (V,,) sowie zwei natürliche Zahlen n1 und m1 und Elemente v,x0,,xn1,y0,,ym1V gegeben und hat v die beiden Darstellungen
v=x0xn1=y0ym1,
wobei die beteiligten Elemente xi und yj sämtlich -irreduzibel und beide Darstellungen -irredundant sind ,
so ist n=m
und dabei gibt es zu jedem Index i{0,,n1} einen Index j(i){0,,m1} mit
v=x0xi1yj(i)xi+1xn1.
In gleicher Weise gilt der zugehörige duale Satz.

Verwandte Sätze

I

Zum Satz von Kurosch-Ore gibt es noch weitere Versionen. So wird etwa in der Monographie Lattices and Ordered Algebraic Structures von Thomas Scott Blyth der Satz in einer anderen, der obigen im Wesentlichen gleichwertigen Formulierung angeboten, die folgendes besagt:[10]

In einem modularen Verband, der die absteigende Kettenbedingung erfüllt, haben alle irredundanten aus -irreduzibelen Komponenten bestehenden -Darstellungen eines Elements dieselbe Anzahl von Komponenten.

Wie Blyth zeigt, lässt sich in dieser Version der Satz von Kurosch-Ore weiter verschärfen, wenn statt eines modularen sogar ein distributiver Verband zugrunde liegt:[11]

In einem distributiven Verband mit absteigender Kettenbedingung besitzt jedes vom Nullelement verschiedene Verbandselement eine und nur eine irredundante aus -irreduzibelen Komponenten bestehenden -Darstellung.

Der letzte Satz tritt ebenfalls in der Monographie Einführung in die Verbandstheorie von Hans Hermes auf und wird dort vom Autor als Zerlegungssatz bezeichnet.[12]

II

In seiner Monographie erwähnt Hermes den Satz von Kurosch-Ore zwar nicht, er formuliert jedoch dort im Zusammenhang mit dem Isomorphiesatz für modulare Verbände einen anderen Satz, der dem Kurosch-Ore'schen Satz ähnelt und den Hermes als Kettensatz bezeichnet.[13] Dieser Kettensatz lässt sich folgendermaßen darstellen:[13][14]

Sind in dem modularen Verband (V,,) zwei Elemente v und w durch eine endliche Kette K0(V,) verbunden und ist K0 zugleich maximal in dem durch Inklusion geordneten Mengensystem aller v und w verbindenden Ketten, so ist auch jede andere v und w verbindende Kette K endlich und erfüllt dabei hinsichtlich ihrer Mächtigkeit die Ungleichung |K||K0|.

Der Kettensatz wird – nach Richard Dedekind – auch als dedekindscher Kettensatz bezeichnet und gilt in gleicher Weise noch in jedem (nach oben oder nach unten) semimodularen Verband.[15]

Hermes greift beim Beweis des Kettensatzes wiederum auf ein anderes Resultat zurück, welches er als Folgerung aus dem erwähnten Isomorphiesatz gewinnt und das er als Nachbarsatz bezeichnet.[16] Dieser Satz macht inhaltlich die Aussage, dass in einem modularen Verband (V,,) und ebenso in dem zugehörigen dualen Verband (V,,) für je zwei verschiedene Elemente v,wV stets das semimodulare Gesetz erfüllt ist.

Erläuterungen und Anmerkungen

  • In einem Verband (V,,) ist für ein Element vV eine Darstellung (Vorlage:EnS) eine Gleichung der Form v=v0vn1 oder der Form v=v0vn1 mit einer natürlichen Zahl n0. Die vi nennt man dabei die Komponenten der Darstellung. Die Zahl n+1 ist die Anzahl der Komponenten. Falls notwendig spricht man genauer von einer -Darstellung bzw. einer -Darstellung.
  • Man bezeichnet eine Darstellung v=v0vn1 bzw. v=v0vn1 als -redundant (Vorlage:EnS) bzw. als -redundant (Vorlage:EnS) genau dann, wenn es einen Index i{0,,n1} gibt mit v=v0vi1vi+1vn1 bzw. mit v=v0vi1vi+1vn1. Andernfalls bezeichnet man eine solche Darstellung als -irredundant (Vorlage:EnS) bzw. als -irredundant (Vorlage:EnS). Ist der Kontext klar, so sagt man einfach redundant bzw. irredundant. Eine redundante Darstellung ist also in diesem Sinne verkürzbar, während eine irredundante Darstellung unverkürzbar ist.
  • Ein Element vV ist -irreduzibel bzw. vereinigungsirreduzibel (Vorlage:EnS) genau dann, wenn für v1,v2V aus v=v1v2 stets v=v1 oder v=v2 folgt. Entsprechend ist ein Element vV -irreduzibel bzw. durchschnittsirreduzibel (Vorlage:EnS) genau dann, wenn für v1,v2V aus v=v1v2 stets v=v1 oder v=v2 folgt. Ist der Kontext klar, so sagt man einfach irreduzibel. Der obige verbandstheoretische Irreduzibilitätsbegriff entspricht dem Irreduzibilitätsbegriff der Ringtheorie.
  • Jeder Verband (V,,) ist zugleich eine teilweise geordnete Menge (V,), deren Ordnungsrelation man aus den beiden Verknüpfungen und erhält, wobei man diese ihrerseits zurückgewinnt durch die paarweise Bildung von Infimum und Supremum. Damit lassen sich in Verbänden alle Begriffe verwenden, die man aus der Ordnungstheorie kennt, und nicht zuletzt auch der Begriff der Kette. Hier sagt man dann, es seien zwei verschiedene Elemente v und w durch eine Kette K verbunden, wenn K bezüglich der induzierten Ordnungsrelation |K ein kleinstes und ein größtes Element besitzt und diese beiden mit v und w übereinstimmen.
  • Eine teilweise geordnete Menge (V,) erfüllt die absteigende Kettenbedingung (Vorlage:EnS), wenn jede Kette der Form v1v2vn nach endlich vielen Schritten stationär wird. Eine aus unendlich vielen verschiedenen Elementen bestehende Kette der Form v1>v2>>vn> ist dann also unmöglich. Der dazu duale Begriff ist der der aufsteigenden Kettenbedingung (Vorlage:EnS).
  • Laut Lew Anatoljewitsch Skornjakow ist der Verband der Unterräume eines linearen Raums (mit der Inklusion als Ordnungsrelation) das wichtigste Beispiel für einen modularen Verband, während (im Allgemeinen) der Verband aller Untergruppen eine Gruppe ... kein modularer Verband sei.[17]
  • Helmuth Gericke stellt in seiner Theorie der Verbände den Normalteilerverband einer Gruppe (mit der Inklusion als Ordnungsrelation) als wichtiges Beispiel eines modularen Verbandes heraus.[18] Den Satz von Kurosch-Ore gibt er – ohne Kurosch und Ore zu erwähnen – unter der Überschrift Der Austauschsatz in modularen Verbänden wieder.[19][20]

Literatur

Einzelnachweise

  1. Garrett Birkhoff: Lattice Theory. 1967, S. 75 ff., S. 166 ff.
  2. George Grätzer: General Lattice Theory. 1998, S. 212 ff.
  3. L. A. Skornjakow: Elemente der Verbandstheorie. 1973, S. 133 ff.
  4. 4,0 4,1 Ralph N. McKenzie et al.: Algebras, Lattices, Varieties. Volume I. 1987, S. 60
  5. Gábor Szász: Einführung in die Verbandstheorie. 1962, S. 109 ff., S. 166 ff.
  6. Birkhoff, op. cit., S. 75–76, S. 166
  7. Grätzer, op. cit., S. 212–213
  8. Skornjakow, op. cit., S. 133–134
  9. Szász, op. cit., S. 111
  10. T. S. Blyth: Lattices and Ordered Algebraic Structures 2005, S. 60
  11. Blyth, op. cit., S. 69–70
  12. Hans Hermes: Einführung in die Verbandstheorie. 1967, S. 113
  13. 13,0 13,1 Hermes, op. cit., S. 70–73
  14. Egon Pracht: Algebra der Verbände. 1980, S. 106
  15. Helmuth Gericke: Theorie der Verbände. 1967, S. 68 ff.
  16. Hermes, op. cit., S. 70
  17. Skornjakow, op. cit., S. 114
  18. Gericke, op. cit., S. 78
  19. Gericke, op. cit., S. 143–146
  20. Gericke bezeichnet in diesem Zusammenhang den Steinitz'schen Austauschsatz als Austauschsatz von GRASSMANN und STEINITZ (op. cit., S. 144).