Ordnungsstatistik

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In der Statistik bezeichnet die i-te Ordnungsstatistik (auch Ordnungsgröße genannt[1]) den i-kleinsten Wert einer Stichprobe.[2] Ordnungsstatistiken sind damit spezielle Zufallsvariablen. Sie werden aus einer vorgegebenen Gruppe von Zufallsvariablen gewonnen und modifizieren diese so, dass die Realisierungen der Ordnungsstatistik den Realisierungen der zugrunde liegenden Zufallsvariablen entsprechen, aber immer der Größe nach geordnet sind.

Daher treten Ordnungsstatistiken insbesondere bei der Untersuchung von zufälligen Strukturen auf, die mit einer Ordnung versehen sind. Dazu zählt beispielsweise die Analyse von Wartezeitprozessen oder die Bestimmung von Schätzfunktionen für den Median oder Quantile.

Definition

Gegeben seien reelle Zufallsvariablen X1,X2,,Xn. Sind die Zufallsvariablen bindungsfrei, nehmen also fast sicher paarweise verschiedene Werte an, formell ausgedrückt

P(XiXj)=1 für alle ij,

so definiert man

X1:n:=min{X1,,Xn}

und

Xj:n:=min{XiXi>X(j1):n}

für j=2,,n. Dann heißen X1:n,X2:n,,Xn:n die Ordnungsstatistiken von X1,X2,,Xn.[2] Die Zufallsvariable Xj:n wird dann auch die j-te Ordnungsstatistik genannt.

Sind die Zufallsvariablen nicht bindungsfrei, so lassen sich die Ordnungsstatistiken definieren als

Xj:n:=min{ci=1n𝟏{Xic}j}.[2]

Hierbei bezeichnet 𝟏A die Indikatorfunktion auf der Menge A. Im bindungsfreien Fall stimmen beide Definitionen überein. Nicht alle Autoren fordern wie oben, dass die Zufallsvariablen fast sicher ungleiche Werte annehmen. Die Eigenschaften der Ordnungsstatistiken variieren dann leicht.

Für die j-te Ordnungsstatistik der Stichprobenvariablen X1,,Xn sind alternative Notationen gebräuchlich: Xj:n[2], X[j][3], X(j)[4][5], X(j)[6] oder Xn:j[7]

Eigenschaften

Fordert man in der Definition

P(XiXj)=1 für alle ij,

so gilt

X1:n<X2:n<<Xn:n fast sicher.[2]

Äquivalent dazu gilt für die Realisierungen

X1:n(ω)<X2:n(ω)<<Xn:n(ω) für fast alle Ergebnisse ω.

Die Realisierungen der Ordnungsstatistiken sind also (fast sicher) strikt aufsteigend.

Verzichtet man auf die Forderung, dass die Zufallsvariablen fast sicher nicht dieselben Werte annehmen sollen, so gilt entsprechend

X1:nX2:nXn:n fast sicher.[8]

Die Realisierungen sind dann nur noch (fast sicher) aufsteigend.

Geordnete Stichprobe

Die geordneten Stichprobenwerte entstehen, wenn die Werte (x1,,xn) einer Stichprobe einen Größenvergleich erlauben und der Größe nach angeordnet werden.[9][3] Meistens erfolgt die Anordnung nichtfallend, so dass x1:nx2:nxn:n gilt. Man nennt den Vektor (x1,,xn) oft kurz Stichprobe und den Vektor (x1:n,,xn:n) dann geordnete Stichprobe. Beispielsweise führt die Stichprobe (x1,,x5)=(1,3,2,4,2) zur geordneten Stichprobe (x1:1,,x1:5)=(1,2,2,3,4).

Es gibt eine Verallgemeinerung für eine Zufallsstichprobe, bei der (X1,,Xn) ein Vektor stochastisch unabhängiger und identisch verteilter reeller Zufallsvariablen ist. Der Vektor (X1:n,,X1:n), dessen i-te Komponente die i-te Ordnungsstatistik ist, heißt dann geordnete Stichprobe[9][3], geordnete Statistik[10], vollständige Ordnungsstatistik oder kurz Ordnungsstatistik[11], Positionsstichprobe[9] oder Variationsreihe[9]. Die i-te Ordnungsstatistik heißt auch i-te geordnete Statistik[10], i-te Ranggröße[9] oder Positionsstichprobenfunktion i-ten Rangs[9].

Verteilung der Ordnungsstatistiken

Die Zufallsvariablen X1,,Xn seien stochastisch unabhängig und identisch verteilt mit der Verteilungsfunktion F, dann lassen sich die Verteilungsfunktionen der Ordnungsstatistiken explizit angegeben.

Für die Verteilungsfunktion der i-ten Ordnungsstatistik (i=1,,n) gilt

FXi:n(y)=j=in(nj)F(y)j[1F(y)]nj,y.[12]

Wichtige Spezialfälle der Verteilung ergeben sich für das Minimum (i=1) und Maximum (i=n) als[12]

FX1:n(y)=1[1F(y)]n bzw.
FXn:n(y)=[F(y)]n.

Die Zufallsvariablen X1,,Xn seien stochastisch unabhängig und identisch verteilt mit der Verteilungsfunktion F und der Dichtefunktion f, dann hat die i-te Ordnungsstatistik Xi:n die Dichtefunktion[13]

fXi:n(y)=n!(i1)!(ni)!f(y)[F(y)]i1[1F(y)]ni,y

und die gemeinsame Dichtefunktion der geordneten Stichprobe (X1:n,,X1:n) ist[14]

fX1:n,,Xn:n(y1,,yn)={n!i=1nf(yi)falls y1<<yn0sonst.

Anwendung

Empirische Verteilungsfunktion

Eine konkrete geordnete Stichprobe (x1:n,,xn:n)n kann zu einer alternativen Definition der empirischen Verteilungsfunktion Fn:[0,1],

Fn(x)=Anzahl der Stichprobenwerte, die x nicht übertreffenn

verwendet werden, denn es gilt[15]

Fn(x)={0falls x<x1:nk/nfalls xk:nx<xk+1:n,k=1,,n11falls xxk+1:n.

Eine analoge Darstellung gilt für die empirische Verteilungsfunktion als Zufallsgröße.

Rangstatistiken

In der nichtparametrischen Statistik spielen Rangstatistiken eine herausragende Rolle. Diese lassen sich über Ordnungsstatistiken definieren. (X1,,Xn) sei eine Zufallsstichprobe ohne Bindungen. Für die geordnete Stichprobe gilt dann X1:n<<Xn:n mit Wahrscheinlichkeit Eins. Wenn Xi=Xj:n gilt, dann heißt Ri=Rang(Xi)=j der Rang[16], die Rangzahl[3] oder der Rangplatz[3] der i-ten Beobachtung oder die i-te Rangstatistik. Der Vektor (R1,,Rn) heißt dann Rangvektor[17] der Stichprobenvariablen X1,,Xn. Der Rangvektor heißt auch vollständige Rangstatistik oder kurz Rangstatistik.

Ein wichtiger Zusammenhang zwischen der geordneten Stichprobe und der Rangstatistik wird durch folgende Aussage festgehalten. Die stochastisch unabhängigen Zufallsvariablen X1,,Xn seien stetig und stochastisch unabhängig verteilt. Dann sind die geordnete Stichprobe (X1:n,Xn:n) und der Rangvektor (R1,,Rn) stochastisch unabhängig.[18]

In einem allgemeineren Sinn sind Rangstatistiken solche Stichprobenfunktionen, die von den Stichprobenvariablen nur über den Vektor der Rangzahlen abhängen.[19] Rangstatistiken in diesem allgemeineren Sinn sind die Bausteine zahlreicher nichtparametrischer Testverfahren.[20]

Nichtparametrische Schätzverfahren

Die geordnete Stichprobe (X1:n,,Xn:n) spielt eine zentrale Rolle in der nichtparametrischen Statistik, da sie eine suffiziente und vollständige Statistik ist.[21]

Vorlage:Belege Zudem können aus Ordnungsstatistiken schwach konsistente Schätzer für Quantile abgeleitet werden. Weiter lassen sich durch oben genannte Verteilung über Faltungen und Transformationssätze die Verteilung von wichtigen Maßzahlen wie dem Median oder der Spannweite gewinnen.

Beispiel

Abbildung 1: Wahrscheinlichkeitsdichten der Ränge 10 (Gold), 9 (Silber) und 8 (Bronze)

Es wird das Finale eines Wettbewerbs der Leichtathletik, bestehend aus den besten 10 Teilnehmern, ausgetragen. In diesem Beispiel wird angenommen, dass die Leistungsdichte im Finale des Wettkampfes sehr groß ist und es daher keine Favoriten für die Medaillen gibt. Für die zufällige Gesamtpunktzahl jedes Athleten wird daher dieselbe stetige Gleichverteilung im Punktebereich von 0 bis 100 angenommen. Es entscheidet demnach ausschließlich die Tagesform über die Gesamtpunktzahl, welche starken Schwankungen unterliegt, und alle Athleten besitzen das gleiche Leistungspotential. Setzt man die Dichtefunktion

fX(x)={11000x1000sonst

und die Verteilungsfunktion

FX(x)={0x<0x1000x1001x>100

der stetigen Gleichverteilung in die obige Dichtefunktion der Ordnungsstatistik ein, erhält man die Verteilungen für die einzelnen Ränge. Da die Punktzahlen in der Ordnungsstatistik aufsteigend sortiert sind, erhält man für i=10 die Wahrscheinlichkeitsverteilung für die Goldmedaille, für i=9 die der Silbermedaille und für i=8 die der Bronzemedaille. Der nebenstehenden Grafik ist bereits zu entnehmen, dass für die Goldmedaille eine höhere Punktzahl zu erwarten ist als für die Silber- oder Bronzemedaille. Da die Punkte in diesem Beispiel als stetige Gleichverteilung modelliert wurden, ist die i-te Ordnungsstatistik für i=1,,n (siehe Abbildung 1) jeweils Beta-verteilt (multipliziert mit 100) mit den Parametern i und 11i. Der Erwartungswert einer solchen Betaverteilung ist i11. Für die Goldmedaille ist daher eine Punktzahl von 91, für Silber 82 und für Bronze 73 zu erwarten. Falls ein Athlet bereits p Punkte erhalten hat und auf die Punktzahlen der anderen Sportler wartet, kann er unter den gemachten Annahmen seine eigenen Chancen für Gold berechnen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die 9 anderen Athleten alle schlechter abschneiden, beträgt (p100)9. Falls der Athlet insgesamt 91 Punkte erhält, wie für die Goldmedaille erwartet, wird er also trotzdem nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 42,8% die Goldmedaille bekommen.

Literatur

Einzelnachweise