Modulare Funktion (harmonische Analyse)

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Vorlage:Weiterleitungshinweis Die modulare Funktion ist ein Begriff aus der harmonischen Analyse, das heißt aus der Theorie der lokalkompakten Gruppen. Die modulare Funktion misst eine Links-rechts-Asymmetrie der Gruppe.

Definition

Es sei G eine lokalkompakte Gruppe. Dann gibt es bekanntlich ein linksinvariantes Haarsches Maß μ auf G. Linksinvarianz bedeutet dabei, dass μ(tA)=μ(A) für alle tG und alle Borelmengen AG. Daraus folgt im Allgemeinen nicht, dass μ auch rechtsinvariant ist, das heißt, es kann durchaus μ(At)=μ(A) gelten.

Für festes tG ist die Abbildung μt:Aμ(At) ebenfalls ein linksinvariantes Haarsches Maß, wie man leicht bestätigen kann. Da ein solches bis auf eine Konstante eindeutig bestimmt ist, gibt es eine Zahl ΔG(t)+ mit μt=ΔG(t)μ, das heißt μ(At)=ΔG(t)μ(A) für alle messbaren AG.

Auf diese Weise erhält man eine Abbildung ΔG:G+, die sich als unabhängig von der Wahl des linksinvarianten Haarschen Maßes μ erweist und ein stetiger Homomorphismus von G in die multiplikative Gruppe + ist.[1] ΔG heißt die modulare Funktion von G

Unimodulare Gruppen

Gruppen, für die die modulare Funktion gleich der konstanten Funktion ΔG(t)=1 für alle tG ist, nennt man unimodular. Das sind genau diejenigen Gruppen, für die ein linksinvariantes Haarsches Maß auch rechtsinvariant ist. Drei wichtige Typen lokalkompakter Gruppen sind automatisch unimodular:

  • Kommutative lokalkompakte Gruppen sind unimodular, denn wegen der Kommutativität sind linksinvariante Maße natürlich auch rechtsinvariant.
  • Kompakte Gruppen sind unimodular, denn das Bild der modularen Funktion muss eine kompakte Untergruppe in + sein, und da kommt nur {1} in Frage.
  • Diskrete Gruppen sind unimodular, denn die Vielfachen des Zählmaßes sind genau die links- und rechtsinvarianten Haarschen Maße.

Ein Beispiel für eine unimodulare, lokalkompakte Gruppe, die unter keinen dieser drei Typen fällt, ist die allgemeine lineare Gruppe GL(n,). Ein links- und rechts-invariantes Maß ist durch

μ(A)=A1|det(u)|dλ(u)

gegeben, wobei λ das Lebesguemaß auf n2 ist.

Beispiel

Wir geben hier ein Beispiel für eine nicht-triviale modulare Funktion. Es sei G die lokalkompakte Gruppe aller 2×2-Matrizen

(ab01)

mit a,b,a>0. Ein links-invariantes Haarsches Maß ist durch

μ(A)=+1a2dadb

gegeben, ein rechtsinvariantes durch

ν(A)=+1adadb.

Damit ergibt sich[2]

ΔG((ab01))=1a.

Rechenregeln

Es sei G eine lokalkompakte Gruppe mit linksinvariantem Haarschen Maß μ. Für eine Funktion f:GR sei fs(t):=f(ts1), die sogenannte Translation von f um s.

Ist χA die charakteristische Funktion der Borelmenge A, so ist (χA)s=χAs und daher nach Konstruktion der modularen Funktion

(χA)s(t)dμ(t)=χAs(t)dμ(t)=μ(As)=ΔG(s)μ(A)=ΔG(s)χA(t)dμ(t).

Mit den üblichen maßtheoretischen Schlüssen erhält man daraus für jede μ-integrierbare Funktion f:[3]

fs(t)dμ(t)=ΔG(s)f(t)dμ(t).

Weiter tritt die modulare Funktion auf, wenn man über invertierte Argumente integriert. Für μ-integrierbare Funktionen f auf G gilt[4]

f(t1)ΔG(t1)dμ(t)=f(t)dμ(t).

Schließlich kommt die modulare Funktion in der Definition der Involution auf der Faltungsalgebra L1(G) vor. Auf dem L1-Raum über (G,μ) definiere man für Funktionen f,gL1(G)

fg(t):=f(s)g(s1t)dμ(s)
f*(t):=ΔG(t1)f(t1).

Dabei ist fg nur fast überall definiert, nämlich dort, wo das Integral existiert, und der Querstrich steht für die komplexe Konjugation. Mit dem durch definierten sogenannten Faltungsprodukt und der Abbildung ff* wird L1(G) zu einer Banachalgebra mit isometrischer Involution.[5] Die Untersuchung dieser Banachalgebra ist ein wichtiges Instrument der harmonischen Analyse.

Einzelnachweise

  1. Donald L. Cohn: Measure Theory. Birkhäuser, Boston MA 1980, ISBN 3-7643-3003-1, Satz 9.3.4.
  2. Donald L. Cohn: Measure Theory. Birkhäuser, Boston MA 1980, ISBN 3-7643-3003-1, Kapitel 9.3, Übung 2
  3. Donald L. Cohn: Measure Theory. Birkhäuser, Boston MA 1980, ISBN 3-7643-3003-1, Text nach Satz 9.3.3.
  4. Lynn H. Loomis: An Introduction to Abstract Harmonic Analysis. D. van Nostrand Co., Princeton NJ u. a. 1953, § 30B.
  5. Jacques Dixmier: C*-algebras (= North-Holland Mathematical Library. Bd. 15). North Holland Publishing Company, Amsterdam u. a. 1977, ISBN 0-7204-2450-X, Kapitel 13.2.