Magnettreibscheibe

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Als Magnettreibscheibe (MTS) wird eine Treibscheibe bezeichnet, bei der durch Integration von Permanentmagneten in die Rillenkonstruktion die Treibfähigkeit vergrößert wird.[1][2][3]

Aufbau

Abb. 1 Einzelmodul der Magnettreibscheibe mit Polscheiben 1, darüberlaufendem Drahtseil 2, Magneten 3 und Distanzscheibe 4

Magnettreibscheiben, wie in Abbildung 1 gezeigt, bestehen aus 2n(n) Polscheiben, die durch 2n1(n) Distanzscheiben getrennt sind, und Permanentmagneten, die zwischen den Polscheiben am Umfang der Treibscheibe verteilt eingesetzt werden. Durch diese Anordnung entsteht ein magnetischer Kreis, der über das Drahtseil in der Rille der MTS geschlossen wird. Darüber hinaus definieren die beiden Polscheiben die Form der Treibscheibenrille. Im Ergebnis entsteht eine magnetische Kraftwirkung, die durch die resultierende zusätzliche Pressung, die Kraftübertragung zwischen Drahtseil und Rille erhöht. Damit liegt eine erhöhte, lastabhängige Treibfähigkeit vor.[4] Die Treibfähigkeit ist wie bei der klassischen Treibscheibe (kTS) mit dem Verhältnis der beiden Seilkräfte definiert.(vgl.[5][6][7]) Durch Kombination mehrerer Einzelmodule axial hintereinander ist die Realisierung einer mehrrilligen Treibscheibe, wie sie z. B. im Treibscheibenaufzug mit Gegengewicht Anwendung findet, möglich.[3] Die Magnettreibscheibe gestattet in Verbindung mit einer seilschonenden Rundrille eine höhere Lebensdauer der Drahtseile bei gleichzeitig gesteigerter Treibfähigkeit. Mit einer höheren Treibfähigkeit lassen sich in einem Aufzugsystem mit Gegenmasse die Masse des Gegengewichtes und der Kabine reduzieren. Dies wiederum ermöglicht die Reduzierung der Drahtseilanzahl sowie die Verringerung des zum Beschleunigen notwendigen Antriebsmomentes. Weitere Anwendungen sind beispielsweise Elektrozüge, Rangier- und Havariewinden und Kranhubwerke.

Funktionsweise

Das Funktionsprinzip der Magnettreibscheibe beruht auf einem magnetischen Kreis, der über das Drahtseil geschlossen wird. Demzufolge müssen die Polscheiben eine gute magnetische Leitfähigkeit aufweisen, was durch den Einsatz von ferromagnetischen Stoffen erfüllt wird. Die Distanzscheibe hingegen muss als schlechter magnetischer Leiter bzw. guter Widerstand ausgeführt werden. Hierfür eignen sich paramagnetische oder diamagnetische Stoffe.

Treibfähigkeit

Abb. 2 Seilkräfte an der Magnettreibscheibe a) und infinitesimaler Ausschnitt b)

Die entscheidende Eigenschaft für eine Treibscheibe ist die Treibfähigkeit. Die Treibfähigkeit ist die Erhöhung der übertragbaren Umfangskraft F1/F2 in Abhängigkeit vom Reibwert μ (aus Werkstoffkombination und Rillenform) und Umschlingungswinkel α=α2α1 (vgl. Abb. 2a). Bei der Magnettreibscheibe kommen darüber hinaus die magnetische Kraftwirkung, modelliert in der Streckenlast qm, der Treibscheibenradius rTS und die Vorspannkraft F2 hinzu.

Herleitung der erhöhten Treibfähigkeit

Im Folgenden werden analog zur Herleitung der Eytelwein’schen Gleichung die Verhältnisse an der Magnettreibscheibe dargestellt.[8] Mit der Annahme, dass die Seilkraft F1 größer als die Kraft F2 ist, ergibt sich die modellhafte Darstellung nach Abbildung 2 a). Die Treibscheibe ist in ihrem Mittelpunkt gelagert und das Seil läuft auf dem Umfang. Dabei wird die Magnetkraft als Streckenlast qm angenommen.[2][3][4] Für das Kräftegleichgewicht in x- und y-Richtung ergeben sich mit dem infinitesimalen Freischnitt aus Abbildung 2 b), den Winkeln der Seilauflagepunkte α1 sowie α2, der tangentialen Ft und normalen Kraft Fn sowie den jeweiligen differenziellen Größen:

Fx=0:(F+dF)cosdα2Fcosdα2dFt=0dFcosdα2dFt=0Fy=0:(F+dF)sindα2+Fsindα2dFn+qmRdα=0(2F+dF)sindα2dFn+qmRdα=0.

Beide Gleichgewichtsbedingungen sind über das Amontons’sche Gesetze, das als Coulomb’sches Gesetz bekannt ist,

dFt=μdFn

mit dem Reibungskoeffizient μ verbunden und ergeben eingesetzt:

dFcosdα2μ(2F+dF)sindα2+μqmRdα=0.

Unter der Annahme kleiner Winkel und Vernachlässigung von Differenzialen höherer Ordnung lässt sich diese zusammenfassen:[7][8]

dFμFdαμqmrTSdα=0.

Durch Trennung der Veränderlichen und anschließendes Integrieren entsteht:

F2F1dFF+qmrTS=μα1α2dαln|F1+qmrTSF2+qmrTS|=μ(α2α1)=μαF1=F2eμα+qmrTS(eμα1).

Die Bedingung, dass kein Rutschen auftritt, lautet für die MTS:

F2eμα+qmrTS(eμα1)F1F2eμα+qmrTS(eμα1).

Zu erkennen ist, dass der Kraftverstärkungs- bzw. Verringerungsterm um den Faktor qmrTS(eμα1) größer bzw. qmrTS(eμα1) kleiner ist als bei der kTS und damit ein größeres Verhältnis der beiden Kräfte ohne Rutschen befördert werden kann. Für die Treibfähigkeit (mit F1F2) ergibt sich, dass diese wie oben beschrieben von der Kraft F2 selbst abhängt:

F1F2=eμα+qmrTS(eμα1)F2.

Insgesamt ist die Treibfähigkeit der Magnettreibscheibe für ansonsten gleiche Parameter und ein qm>0 größer als die der konventionellen Treibscheibe.

Beispiel

Abb. 3 Beispiel eines Aufzuges in 2:1-Aufhängung als freigeschnittene Darstellung

Für das Beispiel wird ein Aufzug in 2:1-Aufhängung mit

2000kg

Nutzmasse wie in Abbildung 3 gezeigt herangezogen (vgl.[9]). Zur Dimensionierung sind die Seilkräfte

F1

und

F2

relevant.

F1=(mKP+Q+2msp(hsK))(g2+s¨K2)F2=(mGP+Qmax/2+2mspsK)(g2s¨K2)

Darüber hinaus werden die in der folgenden Tabelle dargestellten Größen angesetzt:

Größe Wert und Einheit
Erdbeschleunigung: g=9,81ms2
Kabinenbeschleunigung bzw. -Verzögerung: s¨K=1ms2 bzw. s¨K=1ms2
Aufzugförderhöhe: h=30m
Aufhängungsart: 2:1
Nutzmasse: Qmax=2000kg
Treibscheibenumschlingungswinkel: α=π
Treibscheibenradius: rTS=0,265m
Erforderliche Sicherheit gegen Seilbruch: 12
Drahtseilduchmesser: 13mm
Mindestbruchkraft des Drahtseiles: 111,6kN
Spezifische Drahtseilmasse: msp=0,723kgm

In den Systemen mit klassischer Treibscheibe und Magnettreibscheibe unterscheiden sich der Reibwert der Rille und die bei der MTS hinzugekommene magnetische Streckenlast. Für die kTS wird ein Wert von μ=0,18 und für die MTS ein seilschonenderer Wert von μ=0,15 angesetzt. Der Wert für die magnetische Steckenlast beträgt entsprechend[10] qm=13kNm=13Nmm.

Größe klassische Treibscheibe Magnettreibscheibe
Reibwert (der Rille) μ=0,18 μ=0,15
Magnetische Streckenlast qm=0kNm qm=13kNm

Ergebnis

Abb. 4 Visualisierung der Verhältnisse an der Treibscheibe am Beispiel.

Das Ergebnis lässt sich mit Abbildung 4 darstellen. Es ist das Seilkraftverhältnis

F1/F2

(Treibfähigkeit) über der Kraft

F2

pro Seil dargestellt. Die Sicherheit gegen die Mindestbruchkraft (Sicherheitsgrenze der Tragseile) ist von den real auftretenden Lasten, repräsentiert durch den jeweiligen Arbeitsbereich

F1(Q;sK;s¨K)/F2(sK;s¨K)

, einzuhalten. In der Abbildung bedeutet dies, dass die Arbeitsbereiche sich innerhalb der blauen Begrenzung befinden müssen. Darüber hinaus müssen diese für eine korrekte Dimensionierung innerhalb des jeweiligen Treibfähigkeitsbereiches liegen. In der Abbildung wird auch deutlich, das der Treibfähigkeitsbereich der Magnettreibscheibe von der Kraft

F2

abhängt, im Gegensatz zur kTS wo dieser konstant ist. Im Treibfähigkeitsbereich

F1/F21

ist

F2

die kleinere der beiden Seilkräfte und die oben dargestellte untere Treibfähigkeitsgrenze kommt zum Tragen.

Es ergeben sich, wie in der nachfolgend dargestellten Tabelle gezeigt, Masseeinsparungen von 2290kg in Kabine und Gegengewicht. Darüber hinaus kann die Anzahl der Tragseile von 4 auf 3 reduziert werden.

Größe klassische Treibscheibe Magnettreibscheibe Differenz
Kabinenmasse 2820kg 530kg 2290kg
Gegengewichtsmasse 3830kg 1540kg 2290kg
Seilanzahl 4 3 1

Zusammengefasst ermöglicht der Einsatz der Magnettreibscheibe einen deutlich geringeren Materialeinsatz in Kabine und Gegengewicht. Einen Ansatz dies zu realisieren lieferten Gude und Hufenbach[11] bzw. Thumm[12]. Zusätzlich kann im Beispiel ein Drahtseil eingespart werden, womit sich der Arbeitsaufwand bei einem Seilwechsel reduziert. Auch kann durch die seilschonendere Rillengestaltung der Magnettreibscheibe das Wechselintervall der Seile vergrößert werden. Es sind darausfolgend Vorteile bei der Herstellung sowie im Betrieb einer Aufzuganlage mit Magnettreibscheibe festzustellen.

Einzelnachweise

  1. Vorlage:Patent
  2. 2,0 2,1 P. Gräbner: Die Magnettreibscheibe als Basis leichter Konstruktionen. In: Hebezeuge Fördermittel. Vol. 48, Nr. 5, 2008, S. 356–359.
  3. 3,0 3,1 3,2 T. Schmidt, T. Leonhardt, M. Anders: Multiple-Grooved Magnetic Traction Sheaves. In: Proceedings of the 11th International Material Handling Research Colloquium (IMHRC), Milwaukee, WI, USA, June 21-25, 2010. S. 391–405 (PDF).
  4. 4,0 4,1 R. Herhold, T. Leonhardt: Einsatz von Magnettreibscheiben zur Erhöhung der Treibfähigkeit. In: Von innovativer Krantechnik bis Virtual Reality. Band 16, Magdeburg: Internationale Kranfachtagung 2008, S. 109–121.
  5. H. Ernst: Die Hebezeuge, Band 1, Grundlagen und Bauteile. Friedrich Vieweg & Sohn, Braunschweig 1958.
  6. P. Gräbner: Aufzüge. In: Unstetigförderer. Band 1. 5. Auflage, Verlag Technik, Berlin 1989, ISBN 3-341-00647-8.
  7. 7,0 7,1 U. Gabbert, I. Raecke: Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure. 5. Auflage, Hanser, München/Wien 2010.
  8. 8,0 8,1 W. H. Müller, F. Ferber: Technische Mechanik für Ingenieure. 3. Auflage, Fachbuchverl. Leipzig im Carl-Hanser-Verlag, Berlin/Paderborn 2008.
  9. Vorlage:Literatur
  10. T. Schmidt, A. Siegel, M. Anders, T. Leonhardt: Advances in rope drives. In: Material Handling, Constructions and Logistics (MHCL). Band 20, Belgrad 2012, S. 7–12.
  11. M. Gude, W. Hufenbach: Leichtbau in der Aufzugstechnik - der textile Fahrkorb. In: Proc. of 10. Dresdner Leichtbausymposium, Dresden, 22.-24.6. 2006. Band 10, Dresden 2006, S. 22.1–22.15.
  12. G. Thumm: Einsatz von textilverstärkten Kunststoffen in Leichtbaufahrkörben. In: ThyssenKrupp techforum 2004. Band 6, ThyssenKrupp, Stuttgart-Vaihingen 2004, S. 60–63.