Kraftwinder/Kraftschraube

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Als Kraftwinder (F,MO) wird in der Technischen Mechanik die Zusammenfassung von Einzelkraft F und Moment MO bezüglich eines Bezugspunkts O3 bezeichnet. Im Allgemeinen sind F und MO nicht parallel. Für die Wahl des Bezugspunkts S3 mit FMS wird der Kraftwinder zur Kraftschraube (F,MS).

Kraftwinder für den Bezugspunkt O und äquivalente Kraftschraube für den Bezugspunkt S

Moment

Moment einer Einzelkraft

Sei O3 ein beliebig gewählter, fester Bezugspunkt. Der Punkt P ist der Endpunkt des zugehörigen Ortsvektors rOP und beschreibt die Gerade gP der Wirkungslinie der Einzelkraft.

Mit Hilfe des Parameters λP in Meter [m] wird die Gerade gP wie folgt definiert:

gP: rOP=rOP+λPeF

Das Moment MO einer Einzelkraft F berechnet sich für Angriffspunkte PgP wie folgt:

MO=rOP×F=(rOP+λPeF)×F=rOP×F+λPeF×F=0MO=rOP×F PgP

Ergebnis: Zur Berechnung des Einzelkraft-Moments ist der Ortsvektor rOP ausschlaggebend. Der Ortsvektor rOP definiert den Angriffspunkt P der Einzelkraft F bezogen auf den Bezugspunkt O. Neben Ortsvektor und Kraft ist auch das Einzelkraft-Moment ein gebundener Vektor und von der Wahl des Bezugspunktes O abhängig.

Moment eines Kräftepaars

Sei O3 ein beliebig gewählter, fester Bezugspunkt. Die Punkte P und Q sind die Endpunkte der zugehörigen Ortsvektoren rOP und rOQ und beschreiben die Geraden gP, gQ der Wirkungslinien des Kräftepaars. Anfangspunkt P und Endpunkt Q definieren den senkrechten, minimalen Abstandsvektor rPQF zwischen den Parallelen.

Mit Hilfe der Parameter λP,λQ in Meter [m] werden die beiden Geraden gP und gQ wie folgt definiert:

gP: rOP=rOP+λPeFgQ: rOQ=rOQ+λQeFmitrOQ=rOP+rPQ

Das Moment MO eines Kräftepaars berechnet sich für Angriffspunkte PgP und QgQ wie folgt:

MO=rOP×(F)+rOQ×F=(rOP+λPeF)×(F)+(rOQ+λQeF)×F=(rOP+λPeF)×(F)+(rOP+rPQ+λQeF)×F=rOP×(F)+λPeF×(F)=0+rOP×F+rPQ×F+λQeF×F=0=rOP×F+rOP×F+rPQ×FMO=rPQ×F O3

Ergebnis: Ein Ortsvektor taucht in der Vektorgleichung nicht mehr auf. Zur Berechnung des Kräftepaar-Moments ist der Abstandsvektor rPQ der Kräfte ausschlaggebend. Das Kräftepaar-Moment ist ein freier Vektor und von der Wahl des Bezugspunktes O unabhängig.

Äquivalenzprinzip (Statik)

Zwei verschiedene Systeme gebundener Vektoren bzw. Kräftesysteme (FAi) und (FBj) mit FAi=FBj sind äquivalent und damit statisch gleichwertig, wenn sich für beliebig gewählte, feste Bezugspunkte O3 gleiche resultierende Momente MO ergeben. Die Angriffspunkte der zugehörigen Kräfte FAi und FBj werden hierbei durch die Endpunkte der Ortsvektoren rOAi und rOBj festgelegt:

MO=i=1mMOAi=i=1m(rOAi×FAi)=j=1nMOBj=j=1n(rOBj×FBj)(FA1,FA2,,FAm)(FB1,FB2,,FBn)

Kraftwinder

Für ein System von Kräften (F1,F2,,Fn) kann zu jedem beliebig gewählten, festen Bezugspunkt O3 ein äquivalenter Kraftwinder (F,MO) gebildet werden. Die Reduktion aller (angreifenden) Kräfte führt auf eine resultierende Einzelkraft F und ein resultierendes Kräftepaar, das durch das Moment MO gekennzeichnet ist.

Einzelkraft und Kräftepaar sind die elementaren Bausteine von Kräftesystemen. Bezogen auf den Punkt O ist der Kraftwinder (F,MO) die Zusammenfassung dieser resultierenden Eizelkraft F und des resultierenden Moments MO:

(F1,F2,,Fn)(F,MO)mitF=iFiundMO=i(ri×Fi).

Die gesamte physikalische Wirkung der in ri angreifenden Kräfte Fi bezüglich O wird durch den Kraftwinder (F,MO) gekennzeichnet.

Bezugspunktwechsel

Äquivalente Kraftwinder für die Bezugspunkte O und P

Das Äquivalenzprinzip fordert, dass Kräftesysteme unabhängig vom gewählten Bezugspunkt statisch gleichwertig sein müssen. Somit darf ein Wechsel von O3 nach P3 die statische Wirkung des Kräftesystems nicht ändern.

Zur Erinnerung: Das Moment MO eines Kräftepaares ist ein freier Vektor, die Kraft F ist ein gebundener Vektor. Eine äquivalente Umformung erlaubt daher, dass MO beliebig und F nur entlang ihrer Wirkungslinie verschoben werden darf.

Wird dagegen die Kraft parallel zu ihrer Wirkungslinie nach P verschoben, muss die Systemänderung, das zusätzlich entstehende Versatzmoment MV=rOP×F, entsprechend korrigiert werden.

Seien (F,MO) bzw. (F,MP) äquivalente Kraftwinder für die Punkte O bzw. P, dann gilt:

(F,MO)(F,MP) O,P3MP=MOMVMP=MOrOP×F

Demnach resultiert MP aus dem freien Moment MO, subtrahiert durch das Verzatzmoment MV der Einzelkraft F.

Kraftschraube

Es lassen sich stets Bezugspunkte S3 finden, für die das Moment MS dieselbe Richtung wie F hat. Einen derartigen Kraftwinder mit MSF nennt man Kraftschraube (F,MS). Zu jedem beliebigen Kräftesystem gibt es eine äquivalente Kraftschraube.

Bei gegebenen Kraftwinder (F,MO) werden zur Bestimmung von (F,MS) folgende Annahmen bzw. Definitionen getroffen:

  • Zerlegung von MO=M+M in Komponenten parallel und senkrecht zur Kraft
  • Definition eines kürzesten, senkrecht zur Kraft stehenden Ortsvektors rOSF
  • Definition der Steigung der Schraube p in Meter [m] wegen MSF mit dem Ansatz MS=pF

Identitäten

Die Zerlegung von MO in Komponenten parallel und senkrecht zur Kraft und Ausgehend vom Bezugspunktwechsel bezüglich S, liefert die Vektorgleichung, den Ansatz zur Bestimmung folgender Identitäten:

MS=MOMVMS=M+MMV=0MVMundMSM
  1. Der senkrechte Anteil M von MO ist identisch mit MV
  2. Der parallele Anteil M von MO ist identisch mit MS

Rechtssystem

Die Definition eines kürzesten, senkrecht zur Kraft stehenden Ortsvektors rOSF liefert die Voraussetzung, dass alle drei Vektoren rOS, F und MV senkrecht aufeinander stehen. Die zugehörigen Einheitsvektoren erOS,eF und eMV bilden ein Rechtssystem:

erOS×eF=eMVeF×eMV=erOSeMV×erOS=eF

Herleitung

Die Definition der Schraubensteigung p mit MS=pF liefert zusammen mit dem Rechtssystem und der Vektorgleichung zum Bezugspunktwechsel den Ansatz zur Herleitung der gesuchten Größen p und rOS.

Steigung

MS=MOMVMS=MOrOS×FpF=MOrOS×FpF=MOrOS×F|FpFF=MOF(rOS×F)F=0pF2=MOFp=FMOF2

Die Steigung der Kraftschraube p ist ein skalarer Faktor und proportional zum Skalarprodukt (FMO).

Ortsvektor

MS=MOMVMS=MOrOS×FpF=MOrOS×FpF=MOrOS×F|×FpF×F=0=MO×F(rOS×F)×F=rOSF20=MO×F+rOSF2rOS=F×MOF2

Die Lage des Punktes S3 wird durch den Ortsvektor rOS bestimmt und ist proportional zum Vektorprodukt (F×MO).

Doppeltes Vektorprodukt

Zur Bestimmung des Ortsvektors rOS muss das doppelte Vektorprodukt (rOS×F)×F ausgewertet werden. Dies kann auf zwei Arten erfolgen. Beide Ansätze liefern das gleiche korrekte Ergebnis:

(rOS×F)×F=F(FrOS=0)rOS(FF)(rOS×F)×F=rOSF2
  • Via Einheitsvektoren multipliziert mit den Beträgen: rOS=rOSerOS und F=FeF
(rOS×F)×F=(rOSerOS×FeF)×FeF=rOSF2(erOS×eF=eMV)×eF=rOSF2eMV×eF=erOS=rOSF2erOS(rOS×F)×F=rOSF2

Zentralachse (Statik)

Die Vektorgleichung der Geraden mit MSF heißt Zentralachse gS der Kraftschraube und hat folgende Eigenschaft:

SgS(F,MS)(F,MS)

Die Zentralachse gS kann mit Hilfe des Parameters λS in Meter [m] definiert werden:

gS: rOS=rOS+λSeF

Sonderfälle

  • Der Kraftwinder (F,0) wird zur Einzelkraft F
  • Der Kraftwinder (0,MO) wird zum Kräftepaar MO
  • Der Kraftwinder (F,MO) mit (MOMS)F wird zur Kraftschraube (F,MS)
  • Der Kraftwinder (F,MO) mit MOF ist einer Einzelkraft (F,0) äquivalent
  • Der Nullwinder (0,0) ist einem Nullsystem von Kräften bzw. einer Nullkraft äquivalent
  • Der Kraftwinder eines (ebenen und räumlichen) zentralen Kräftesystems, mit gemeinsamen Schnittpunkt (Zentrum) aller Wirkungslinien, ist einer Einzelkraft äquivalent: (F1,F2,,Fn)(F,0)
  • Der Kraftwinder eines ebenen Kräftesystems, mit (F,MO)(0,0) hat die Eigenschaft MOF und ist einer Einzelkraft äquivalent: (F1,F2,,Fn)(F,MO)(F,0)

Literatur

  • K. Magnus / H.H. Müller: Grundlagen der Technischen Mechanik, 2. Auflage, Teubner Studienbücher, 1979, S. 25 - 43, ISBN 3-519-12324-X.
  • W. Beitz, K.-H. Küttner (Hrsg.): Dubbel, Taschenbuch für den Maschinenbau, 14. Auflage, Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York, 1981, S. 118 - 120, ISBN 3-540-09422-9, ISBN 0-387-09422-9.